Streit über Asylpolitik
Aus für Regierung in den Niederlanden
Im heftigen Streit um die Migrationspolitik lässt der Populist Geert Wilders die von Anfang an wackelige Koalition in Den Haag platzen.

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Geert Wilders lässt die Koalition in den Niederlanden platzen. Die Partner wollen dem rechtlich fragwürdigen Asylkurs des Rechtspopulisten nicht folgen.
Von Knut Krohn
Das Scheitern kommt mit Ansage. Am Sonntag ließ Geert Wilders über den Kurznachrichtendienst „X“ wissen, dass er die Regierungskoalition in den Niederlanden platzen lassen werde, sollte seine Forderungen nach einem gnadenlos harten Kurs in der Asylpolitik nicht erfüllt werden. Es hat keine 48 Stunden gedauert, bis der Rechtspopulist seine Ankündigung umsetzte. Am Dienstagmorgen verkündete Wilders erneut auf „X“: „Keine Unterschrift für unsere Asylpläne. Die PVV verlässt die Koalition.“ Die Entscheidung dürfte zu Neuwahlen in den Niederlanden führen.
Das Ende kommt nicht überraschend
Das Ende der Koalition kommt nicht überraschend, zu groß waren die Unterschiede in dem Zweckbündnis. Erst nach monatelangem Streit hatten sich im Juli vergangenen Jahres vier Parteien zusammengerauft, um die Regierung zu bilden. Bei der Wahl im November 2023 war die radikal-rechte Partei für die Freiheit (PVV) des Islamgegners Wilders überraschend stärkste Kraft geworden.
Eine Koalition des Misstrauens
Doch schnell zeigte sich, dass es kein Bündnis der Zusammenarbeit, sondern des Misstrauens war. In der Zentrumspartei NSC wurden sogar immer wieder Zweifel geäußert, ob sich der Regierungspartner PVV überhaupt an die Verfassung halten würde. Zudem wurde der wichtigen PVV-Ministerin für Asyl, Marjolein Faber, von den Partnern totale Inkompetenz vorgeworfen.
Auf dieser wackeligen Basis stolperte die niederländische Regierung von Krise zu Krise. Schon im November wäre es fast zum Bruch gekommen. Damals war in einer Sondersitzung über die Ausschreitungen rund um das Heimspiel Ajax Amsterdams gegen Maccabi Tel Aviv diskutiert worden. Im Verlauf der hitzigen Wortgefechte soll es zu rassistischen Äußerungen gegenüber Muslimen gekommen sein, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Die marokkanisch-stämmige Staatssekretärin Nora Achahbar von der NSC trat daraufhin empört zurück, ihrem Beispiel folgen zwei Parlamentarierinnen aus derselben Partei. Dick Schoof schaffte es nur unter allergrößten Mühen, die Koalition zu retten.
Geert Wilders ist zu Kompromissen unfähig
In all dieser Zeit zeigte sich, dass Geert Wilders nicht zu Kompromissen fähig ist. In seiner radikalen Haltung beruft er sich auf den Willen des Volkes. Millionen von Niederländern erwarteten die Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans seiner Partei, den er vor einer Woche vorgelegt hatte, verkündete er auf „X“. Darin fordert die PVV, deren einziges Mitglied Wilders ist, die Schließung der Grenzen für alle Asylbewerber. Notfalls müsse die Armee eingesetzt werden, um die Grenzen zu kontrollieren. Zehntausende syrische Flüchtlinge sollten zurück in ihre Heimat geschickt und Asylzentren sollten geschlossen werden. Zudem fordert Wilders ein Ende des Familiennachzugs für anerkannte Flüchtlinge und die Ausweisung von straffälligen Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit, wobei ihnen dann die niederländische aberkannt werden müsse.
Asylpläne von Wilders rechtlich mehr als fragwürdig
Am Montag hatte sich die Koalition noch einmal zusammengesetzt, um über diese Forderungen zu diskutieren – auch weil die meisten Punkte rechtlich gar nicht umzusetzen wären. Unmittelbar vor Sitzungsbeginn hatte Geert Wilders seine Drohung mit dem Ende der Koalition noch einmal erneuert. Der Rechtspopulist war dann mit dem Ergebnis der Gespräche wohl nicht zufrieden und ließ die Koalition nun platzen.
Offensichtlich sah sich der Rechtspopulist bei seinem Vorpreschen in Sachen Asyl auch durch das Agieren der deutschen Regierung bestärkt. Die hatte, ohne engere Absprachen mit den Nachbarländern, mit der Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze begonnen. Auch Deutschland bewegt sich damit in einem rechtlichen Graubereich. Erst am Montag hat das Berliner Verwaltungsgericht die neue Regelung für rechtswidrig erklärt. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will aber an der Praxis festhalten.