Auslastung nur dank Sonderweg gesichert

Probleme bei der Vergabe von Terminen im Impfzentrum Waiblingen nötigen die Verantwortlichen zu „pragmatischen Lösungen“. 140 Lehrer von Waiblinger und Fellbacher Schulen werden direkt angesprochen und kommen extrem kurzfristig zu Impfterminen.

Mittwoch und Donnerstag waren die ersten beiden Tage, an denen im Waiblinger Impfzentrum das Mittel von Astrazeneca verabreicht wurde. Nach Anlaufproblemen mit der Terminvergabe ist das Zentrum jetzt ausgelastet. Ab nächster Woche werden täglich 400 Menschen geimpft. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Mittwoch und Donnerstag waren die ersten beiden Tage, an denen im Waiblinger Impfzentrum das Mittel von Astrazeneca verabreicht wurde. Nach Anlaufproblemen mit der Terminvergabe ist das Zentrum jetzt ausgelastet. Ab nächster Woche werden täglich 400 Menschen geimpft. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

WAIBLINGEN. Zwei Tage lang, am Mittwoch und Donnerstag, sollten im Waiblinger Impfzentrum jeweils 400 Menschen erstmals auch mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werden. Doch die Terminvergabe gestaltete sich schwierig. Letztendlich erhielten am ersten Tag 290 Personen der Priogruppen 1 und 2 das Medikament verabreicht, am zweiten Tag wurde dann tatsächlich der angestrebte Wert erreicht. Einfach war es jedoch nicht, dieses Ziel zu erreichen, bestätigt Gerd Holzwarth. Der Dezernent des Bereichs Verbraucherschutz und Forst im Landratsamt Rems-Murr-Kreis hat die Gesamtleitung des Impfzentrums inne und räumt ein, dass der Landkreis kurzfristig eigene Wege begangen habe, um alle Termine besetzt zu bekommen. Denn auf dem offiziellen Weg, also über die Telefonnummer 116117 sowie über die zentrale Terminvergabeplattform www.impfterminservice.de in Baden-Württemberg, hätten sich viel zu wenig Menschen anmelden können. „Wir hätten am Mittwoch nur 80 Personen impfen können.“

Parallel zu diesen Schwierigkeiten kam noch am Sonntagabend die Meldung des Sozialministeriums dazu, dass sich auch Personen der Priogruppe 2 im Alter von 18 bis 64 Jahren „sofort impfen lassen“ können. Holzwarth sagt dazu: „Ich bin fast vom Sofa gefallen, als ich das gehört habe“. Gleich am Montag hatten sich die Verantwortlichen drangemacht, eine pragmatische Lösung zu finden. Allerdings tauchte der Beruf Lehrer zu Beginn der Woche noch gar nicht unter den Berufsgruppen auf, die man auf der zentralen Terminvergabeplattform hätte anklicken können. Damit trotzdem möglichst viele Impfwillige am Mittwoch einen Termin erhalten konnten und das Impfzentrum so gut wie möglich ausgelastet werden konnte, unterbreiteten die Verantwortlichen insgesamt 140 Lehrkräften an Schulen in Waiblingen und Fellbach Impfangebote. Holzwarth gesteht, dass das im Vergleich zu anderen Kommunen „nicht unbedingt fair war, aber wir mussten etwas tun“. Offensichtlich ist das Verständnis in der Bevölkerung auch groß, „denn bislang kamen noch keine Beschwerden“.

Konkret lief es so ab, dass die beiden Oberbürgermeister Andreas Hesky (Waiblingen) und Gabriele Zull (Fellbach) die Informationen an die Verteiler ihrer Grundschulen und Kitas gemailt haben. Wer Interesse hatte, konnte sich dann über jene Software anmelden, die ursprünglich für Schnelltests gedacht war. Dort erfuhren die Impfwilligen die freien Termine. Sie konnten sich eintragen und erhielten kurz danach eine Bestätigungs-E-Mail.

Gerd Holzwarth: „Ohne diesen Sonderweg hätten wir über 100 Termine nicht belegen können.“

Eine der Lehrerinnen, die ganz kurzfristig zum Zug gekommen war, ist Janina Zenker aus Weinstadt. Sie unterrichtet an der Rinnenäckerschule in Waiblingen Grundschüler und findet die pragmatische Regelung, „ganz wunderbar“. Sie sagt, dass sie den Termin über ihre Rektorin bekommen habe, die wiederum vom Waiblinger Oberbürgermeister vom Sonderweg informiert worden war. Gerd Holzwarth lächelt: „Ja, der Herr Oberbürgermeister Hesky war sehr fleißig. Ohne diesen Sonderweg hätten wir über 100 Termine übrig gehabt.“ Und Zenker lobt nochmals: „Ich finde es toll, dass wir Lehrer diesen Extrazugang bekommen haben.“

Bester Stimmung ist auch Thomas Waibel, Hausmeister eines Gymnasiums in Schorndorf. Mit dem Ruf „Habe fertig“ verlässt der 58-Jährige die Impfkabine. „Sie haben doch zwei Arme“, frotzelt Holzwarth und bekommt sofort zur Antwort: „Ich habe gerade gelernt, in diesem Fall gilt nicht, viel hilft viel.“

Die freundliche Unterhaltung ist bezeichnend für die Stimmung vor Ort. Die Abläufe sind völlig klar und unproblematisch, wenn man einmal die Terminvergabe außen vor lässt. Schon auf der B14 weisen große Schilder den Weg zum Impfzentrum in der Waiblinger Rundsporthalle. Der Parkplatz ist riesig, die Wartezeit vernachlässigbar. Jeder kommt zu der Zeit an die Reihe, die ihm zugewiesen wurde. Mitarbeiter ordnen die Wartenden schon vor der Halle in die richtige Reihenfolge. Anhand von Listen wird kontrolliert, ob die Personen impfberechtigt sind. Sie benötigen für den Einlass eine Bescheinigung des Arbeitgebers, auf der die Berechtigung mit Unterschrift und Stempel besiegelt ist. Wer über kein solches Papier verfügt und nicht berechtigt ist, der wird konsequent weggeschickt. Wer die Bescheinigung jedoch nur vergessen hat, dem wird geholfen. In diesen Fällen kann die Schule die Berechtigung spontan mailen. „Wir helfen, wo wir können“, sagt Verwaltungsleiter Michael Szauer, der eigentlich der Chef der Zulassungsstelle ist.

Holzwarth beschreibt die Situation so: „Wir verimpfen jeden Tropfen, den wir bekommen. Aber wenn nichts kommt, können wir auch nichts machen. Da können wir uns auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln.“ Die Stimmung im Impfzentrum ist jedoch trotz aller Umstände bestens. Das bestätigt auch Michael Szauer: „Die Rückmeldungen und die Resonanz tun uns sehr gut. Wir haben auch sehr viel Kraft und Energie in das Verfahren gesteckt, dass alles so glatt wie irgend möglich läuft.“ Er versteht, wenn es zuweilen auch Kritik hagelt. Etwa: „Warum gibt es so wenig Impfstoff? Warum bekommen wir keinen Impftermin?“ Aber die eigentlichen Ansprechpartner für solche Fragen wären die Politiker. Weil die jedoch für den einfachen Mann nicht greifbar sind, würden die Mitarbeiter vor Ort zuweilen ihren Kopf herhalten müssen.

Vor Ort jedoch soll es keinen Anlass zur Klage geben. Deshalb wird Freundlichkeit im Team von Holzwarth und Szauer ganz groß geschrieben. „Alles strahlt Menschlichkeit aus“, sagt Holzwarth. Und auch wenn die Sorgfältigkeit natürlich ganz wichtig ist, so wird doch an allen Stationen viel gelächelt. Das fängt schon am Eingang an, wo Fieber gemessen wird. Nur wer unter 38 Grad Temperatur hat, darf eintreten. Lotsen helfen den Impfwilligen, führen sie zu den Registrierungskabinen, wo die Bögen mit den Personalien ausgefüllt werden. Mit Laufkarten versehen geht es im Rundgang in einer Einbahnstraße weiter. Aufklärung über die Impfung ist eine Station. Etwa die Hälfte nimmt die Gelegenheit wahr und schaut sich den Fünf-Minuten-Film an. Andere verzichten auf die Information, viele arbeiten schließlich im medizinischen Bereich und sind bereits auf dem Laufenden. Andere bekommen bereits die zweite Impfung und haben sich schon informiert. Überall gibt es Stühle zum Ausruhen, falls nötig stehen sogar Rollstühle bereit, am Ende auch eine Möglichkeit, sich auszuruhen, falls die Impfung nicht gut vertragen wird. Doch Holzwarth weiß von keinen Komplikationen: „Insgesamt haben zwei oder drei Leute über etwas Unwohlsein geklagt. Aber das kann auch die Aufregung gewesen sein.“

In den nächsten zwei Wochen gibt es keinen Ruhetag.

Die mittelfristige Planung sieht vor, dass in den nächsten zwei Wochen von Montag bis Freitag täglich 400 Menschen geimpft werden. Ab der dritten Woche wird zumindest vorerst der Montag zum Ruhetag erklärt, bis das Land die Zuweisung an Impfmittel erhöht. Sieben Wochen lang können so 1600 Menschen pro Woche mit dem Astrazeneca-Wirkstoff behandelt werden, am Wochenende erhalten darüber hinaus Menschen über 80 Jahre das Biontech-Vakzin.

Wenn mehr Impfstoff vom Land geliefert wird, dann sollen täglich zwischen 7 und 21 Uhr 800 Menschen geimpft werden. Dazu würden die Mitarbeiter von 6 bis 22 Uhr im Vier-Schicht-Betrieb arbeiten. Doch selbst dann bräuchte es zwei Jahre, bis im Rems-Murr-Kreis 65 Prozent der Bevölkerung mit dem Impfschutz versorgt wären.

Doch Impfzentrumsgesamtleiter Gerd Holzwarth gibt zu bedenken, dass vermutlich in Kürze auch in den Arztpraxen geimpft werden darf. Und dass die mobilen Impfteams des Landes und des Kreises in den Heimen aktiv sind. In den 67 Heimen leben ungefähr 4200 Menschen. Sie und die Mitarbeiter der Heime können vor Ort geimpft werden. So kann die Zeitspanne, dass alle Impfwilligen versorgt werden, deutlich reduziert werden.

Das Impfzentrum hat seinen Betrieb am 22. Januar aufgenommen, allerdings wurde anfangs nur der Wirkstoff Biontech zur Verfügung gestellt, im Durchschnitt 585 Dosen pro Woche für Menschen über 80 Jahre. Das Impfzentrum hatte immer am Wochenende geöffnet. Von der Menge musste jedoch das Material abgezogen werden, das die mobilen Impfteams benötigten.

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Erstellt:
26. Februar 2021, 06:00 Uhr

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