Stop in Baden-Württemberg

Australier fliegt quer über Europa mit dem Gleitschirm

Der australische Abenteurer Tim Rowlinson fliegt von Großbritannien bis zur ukrainischen Grenze – mit Zwischenstopp in Schramberg.

Mit einem motorisierten Gleitschirm überquerte der Australier Tim Rowlinson den Ärmelkanal. Seine Reise soll ihn bis zur ukrainischen Grenze führen.

© Tim Rowlinson

Mit einem motorisierten Gleitschirm überquerte der Australier Tim Rowlinson den Ärmelkanal. Seine Reise soll ihn bis zur ukrainischen Grenze führen.

Von Barbara Barkhausen

Als der Australier Tim Rowlinson (54) am frühen Morgen gemeinsam mit zwei Freunden im englischen Dover abhebt, liegt eine Stunde Flug über offenes Wasser vor ihm. Unter ihm: der Ärmelkanal. Über ihm: nur der Schirm seines motorisierten Paragliders. Es ist still in der Luft – und eisig kalt. In rund 6000 Fuß Höhe frieren ihm fast die Finger ein. Doch Umkehren ist keine Option. Der Flug ist Teil einer Mission, die ihn bis an die ukrainische Grenze führen soll.

Waghalsig aus gutem Grund

Seine Reise geht von Land’s End im Südwesten Englands über Frankreich, Deutschland, Österreich, Tschechien, Ungarn und Rumänien bis an die Grenze zur Ukraine. Auf dem Weg dorthin will er auch in Schramberg im mittleren Schwarzwald Halt machen. Sein Ziel: Spenden für zwei Hilfsprojekte in dem kriegsgebeutelten Land zu sammeln – eine Suppenküche in Charkiw und ein Rettungsfahrzeug, das an der Front Leben retten soll. Dafür soll der Lieferwagen umgebaut werden, der die drei Abenteurer – neben Rowlinson sind seine Freunde Gary Bell und Nathan Ward mit dabei – während ihrer Reise auf dem Boden begleitet.

Die Idee zu seiner waghalsigen Flugreise durch Europa kam ihm, als er in einem Podcast hörte, wie britische Radfahrer Spenden sammelten, indem sie bis in die Ukraine fuhren. „Da dachte ich: Vielleicht kann ich so etwas mit dem Paramotor machen.“

Pioniere der Flugfahrt als Vorbilder

Für Rowlinson ist es nicht der erste waghalsige Flug. Seit sieben Jahren fliegt er mit dem Paramotor – einem Gleitschirm mit Rucksackmotor. Nachdem er sich lange mit den Pionieren der Flugfahrt wie dem Australier Charles Kingsford Smith beschäftigt hatte, der im Jahr 1928 der erste Mensch war, der den Pazifik von den USA bis nach Australien in einem Flugzeug überquerte, wollte er selbst die Grenzen ausloten. In seinem Heimatland Australien hat er bereits die Strecke über die Torres-Straße, die etwa 150 Kilometer breite Meerenge zwischen Australien und Papua-Neuguinea, überquert. Auch damals hatte er wie jetzt nur eine Schwimmhilfe und einen Notfallsender dabei – kein Begleitboot.

Symbolischer Akt: Ärmelkanal überfliegen

Dass er nun den Ärmelkanal überflogen hat, ist für ihn ein symbolischer Akt: Die rund 40 Kilometer Distanz zu überbrücken, sei ein „bekannter Meilenstein“, berichtete er im Videotelefonat. Viele Menschen seien die Strecke bereits geschwommen oder geflogen. „Die Leute machen das seit 100 Jahren und wir haben uns auch das Flugzeug von Louis Blériot angeschaut, der erste Pilot, der den Kanal von Frankreich nach Dover 1909 überquerte.“ Mit seinem Flugzeug brauchte Blériot damals 37 Minuten von Calais bis nach Dover.

Bei ihren Flugetappen müssen die drei Abenteurer stets die Wetterbedingungen im Auge behalten. „Paramotoren sind sehr windanfällig – es ist wie ein Fallschirm mit einem Motor auf dem Rücken“, erklärte Rowlinson. „Deswegen versuchen wir immer bei leichtem Wind oder vorzugsweise ohne Wind zu fliegen.“

Sie seien auch gewarnt worden, dass oft Nebel über den Kanal komme und die Sicht reduziere. Aber die sei diese Woche so klar gewesen, dass sie von Dover schon am Vortag über die Klippen direkt bis nach Frankreich hätten sehen können. Auch bei ihrer eigentlichen Überquerung des Ärmelkanals hatten die Männer Glück – sie erreichten die französische Küste in weniger als 70 Minuten.

Nächster Stopp: Schramberg

Als sie um acht Uhr Ortszeit landeten, waren sie so früh dran, dass sie auf der französischen Seite zunächst noch warten mussten, bis sie jemand in Empfang nehmen konnte. Doch dann war die Freude auf beiden Seiten groß – auch wenn es Sprachbarrieren gab. Grundsätzlich, so Rowlinson, seien die Menschen, die sie bisher getroffen hätten, alle sehr freundlich, großzügig und hilfsbereit gewesen.

Von Frankreich aus geht es nun weiter nach Deutschland – dort wollen die drei Abenteurer am Wochenende oder spätestens Anfang der nächsten Woche in der Nähe von Stuttgart landen. Eine lokale Flugschule in Schramberg, rund 100 Kilometer südlich von Stuttgart im mittleren Schwarzwald, bot dem australischen Team bereits seinen „schönen kleinen Flugplatz“ an. Auf der Facebook-Seite der drei hinterließen die Deutschen eine Einladung zu einem Zwischenstopp und boten „jede erdenkliche Unterstützung“ – Grill, Dusche, Strom und technischen Support – an. „Das nehmen wir gerne an“, meinte Rowlinson.

Von Deutschland aus soll es dann über Österreich – hier ist ein zweitägiger Stopp in den Bergen südwestlich von Wien geplant – Tschechien und Ungarn bis nach Rumänien weitergehen. An der ukrainischen Grenze wollen die Australier den Lieferwagen dann persönlich übergeben und Rowlinson, der in seiner Heimat als Mechaniker arbeitet, will helfen, den Wagen zum Rettungsfahrzeug umzurüsten.

Die Ukraine ist Rowlinson seit Längerem ans Herzen gewachsen. Bereits 2023 reiste er durch das Land – mit Werkzeugen und der Idee, beim Wiederaufbau zu helfen. Was er sah, ließ ihn nicht los. „Ich habe Menschen getroffen, die ihr Zuhause verloren haben, ihre Familien, ihre Existenz“, erzählte er. Mit seiner aktuellen Mission will er nun nicht nur Spenden sammeln, sondern auch Aufmerksamkeit schaffen. „Ich will versuchen, die Leute daran zu erinnern, was in der Ukraine gerade passiert, und den dortigen Menschen helfen, durch diesen schrecklichen Krieg zu kommen“, sagte er.

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Erstellt:
13. Juni 2025, 06:12 Uhr

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