Babyklappen seit 20 Jahren Ausweg für Mütter in größter Not

dpa/lsw Karlsruhe. Eine ungewollte Schwangerschaft und Geburt können ein schweres Dilemma bedeuten. Damit Frauen in Not sich anonym von ihrem Baby trennen können, ohne dass ihm etwas zustößt, wurden Babyklappen eingerichtet. Heute sind sie etabliert - auch im Südwesten.

Blick auf eine Babyklappe in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/dpa/Archivbild

Blick auf eine Babyklappe in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/dpa/Archivbild

Etwas versteckt, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar liegt sie in einem ruhigen Wohngebiet im Karlsruher Stadtteil Neureut: Die erste Babyklappe im Südwesten ist schon fast 19 Jahre alt und befindet sich in einer Nische in einer unscheinbaren Hauswand. Gut ein Jahr nach der bundesweit ersten Einrichtung einer Babyklappe in Hamburg, die am 8. April 20 Jahre alt wird, ging sie an den Start.

Bisher wurden in den acht Einrichtungen dieser Art, die es im Südwesten inzwischen gibt, mehr als 90 Babys abgegeben. Ob sich darunter auch tote Babys befunden haben, darüber ist laut Sozialministerium nichts bekannt. In Karlsruhe allerdings gab es 2008 einen solchen Fall, berichtet Sozialpädagogin Ursula Kunz vom Diakonischen Werk Karlsruhe - ihres Wissens nach war es der einzige im Südwesten. Die Mutter des toten Kindes hatte sich nie gemeldet. Auch die Ursache des Todes des Babys konnte nicht geklärt werden.

Genau 25 Babys wurden am Karlsruher Standort bisher abgelegt. Wenn der Alarm ausgelöst wird, kümmert sich eine Handvoll Ehrenamtlicher darum, dass der Säugling umgehend aus dem gewärmten Bettchen geholt und in die Kinderklinik gebracht wird. Bei vier Babys meldeten sich die Eltern oder Großeltern. Die anderen wurden adoptiert oder kamen in Pflegefamilien.

Generell sei es so, dass sich bei höchstens einem Drittel der Babys die Mutter meldet und das Kind zurückhaben möchte beziehungsweise zurückbekommt. Meist sind es Neugeborene, die abgelegt werden. Absolute Ausnahme: Einmal sei ein neun Monate altes Kleinkind in die Babyklappe in Karlsruhe gelegt worden, erzählt Kunz.

Zuschüsse vom Land gibt es für Babyklappen nach Auskunft des Sozialministeriums nicht. Sie finanzieren sich über Spenden, private Gönner, kirchliche Stiftungen oder andere Träger. Die Kosten seien nicht hoch, sagt Carola Strauß, Leiterin des Weraheims in Stuttgart, das ebenfalls eine Babyklappe betreibt. 40 Neugeborene wurden dort seit 2002 abgelegt. Aus Sicht von Strauß gibt es im bevölkerungsreichen Bundesland viel zu wenig Babyklappen. „Die Entfernung zwischen den Standorten ist groß; die Gefahr entdeckt zu werden für Mütter auf dem Weg dahin hoch“, sagt sie.

Neben den Babyklappen haben Mütter auch die Möglichkeit, in einem Krankenhaus anonym zu gebären, also ohne zu einer Beratung verpflichtet zu sein, und vor allem auch ohne dass sie ihre Personalien preisgeben müssen. Vorteil: Sie und das Kind werden medizinisch betreut. Nachteil für das Kind: Es wird später keine Informationen über seine Mutter bekommen können. Zahlen dazu gibt es laut Sozialministerium nicht

Immer mehr Beachtung findet Kunz zufolge die vertrauliche Geburt. Vorteil: Mutter und Kind werden medizinisch betreut. Die Mutter hinterlegt zudem ihre Personalien. Ausschließlich das Kind hat das Recht, diese Informationen über die Mutter später zu bekommen. Im Jahr 2018 machten zehn Mütter von der Möglichkeit der vertraulichen Geburt Gebrauch.

Ein kompletter Ersatz für die Babyklappe seien vertrauliche Geburten aber nicht, meint Strauß. Denn manche Frauen schrecke es ab, dass das Kind später Kontakt aufnehmen könnte, und sie wollen unbedingt anonym bleiben. Die Dunkelziffer getöteter Neugeborenen schätzt Strauß als hoch ein. „Und sie könnte ohne die Möglichkeiten der Babyklappen noch höher liegen.“

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Erstellt:
7. April 2020, 08:05 Uhr

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