„Backnang war bisher ein Verlustgeschäft“

Das Interview: Nach dreieinhalb Jahren verlässt Centermanager Ricardo Haas das Wonnemar. Hinter ihm liegen aufregende Monate mit zwei Lockdowns und einer Insolvenz. Nach dem Einstieg eines Investors sieht er nun aber Licht am Ende des Tunnels.

Seit drei Monaten leitet Ricardo Haas ein Schwimmbad ohne Gäste. Dass er Backnang zum Monatsende Richtung Göttingen verlässt, hat aber vor allem private Gründe.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Seit drei Monaten leitet Ricardo Haas ein Schwimmbad ohne Gäste. Dass er Backnang zum Monatsende Richtung Göttingen verlässt, hat aber vor allem private Gründe.Foto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

Herr Haas, Sie werden Backnang zum Monatsende verlassen. Sind Sie erleichtert, dass vorher noch ein Investor für die insolvente Betreibergesellschaft gefunden wurde?

Ja, auf jeden Fall. Als in den vergangenen Wochen nicht klar war, wie es weitergeht, habe ich immer gehofft, dass ich das Bad noch in geordnete Bahnen übergeben kann. Die Insolvenz spielte bei meiner Entscheidung, Backnang zu verlassen, ja nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend waren private Gründe und die größere Nähe zur Heimat.

Wie haben die rund 70 Mitarbeiter des Backnanger Bades die Nachricht vom Einstieg des Investors aufgenommen?

Die sind natürlich auch sehr froh, aber auch neugierig, wie es jetzt konkret für sie weitergeht. Dazu kann ich im Moment aber noch gar nicht allzu viel sagen, weil das alles noch hinter den Kulissen ausgehandelt wird.

Das Wonnemar ist nun schon seit mehr als drei Monaten geschlossen. Was passiert seitdem im Bad?

Dank der Unterstützung der Stadt konnten wir ein paar Wartungsarbeiten machen. Wir haben zum Beispiel das Foyer neu gestrichen und die Rauchmelder ausgetauscht. Wir mussten auch ein paar Fliesen erneuern, die von der Wand gefallen waren, weil es im Bad zu kalt war. Ansonsten schauen wir, dass wir alles betriebsbereit halten, damit wir sofort loslegen können, wenn wir es irgendwann wieder dürfen.

Und was machen Ihre Mitarbeiter seit November?

Die allermeisten sind in Kurzarbeit. Ein Techniker und eine Verwaltungsmitarbeiterin sind noch hier, außerdem noch zwei städtische Mitarbeiter, die alles gründlich putzen, was man im Normalbetrieb so gar nicht schaffen würde. Die haben quasi die Fugen mit der Zahnbürste geputzt.

Wie halten Sie Kontakt zu den anderen Mitarbeitern?

Wir hatten zwei Betriebsversammlungen. Die haben wir mit großem Abstand im Saunagarten gemacht. Ansonsten halten wir über Whatsapp Kontakt, und es kommt auch immer mal wieder jemand vorbei und besucht uns.

Sie hatten im vergangenen Jahr viel Geld und Aufwand in Hygienekonzepte gesteckt, trotzdem dürfen Sie bis mindestens 7. März nicht öffnen. Können Sie die Entscheidung der Regierung nachvollziehen?

Ich kann es schon nachvollziehen. Wenn man allerdings sieht, dass der Fußball weiter rollt und die Mannschaften um die Welt jetten, frage ich mich schon, wie da die Prioritäten gesetzt werden. Wir hatten ein gutes Hygienekonzept, und mir ist kein Fall bekannt, wo es im Schwimmbad zu einer Coronainfektion kam. Allerdings waren natürlich auch nicht immer alle Infektionswege nachzuvollziehen.

Seit die Stadt Backnang ihr Bad 2012 an die Interspa verpachtet hat, hört man auch immer wieder Kritik an dieser Partnerschaft. Manche glauben, ein städtisches Bad und ein privates Unternehmen, das Gewinn erzielen will – das passt nicht zusammen. Wie sehen Sie das?

Mancher hat offenbar die Vorstellung, dass wir hier in Schubkarren das Geld rausfahren. Gemeinderat und Aufsichtsrat wissen aber, dass Backnang für die Interspa bisher ein Verlustgeschäft war. Wir hatten zwar ein gutes Konzept entwickelt, mit dem wir in die Gewinnzone gekommen wären, aber bis jetzt haben wir in Backnang noch kein Geld verdient. Ich glaube allerdings, dass wir weniger Geld verbrannt haben, als die Stadt es getan hätte, wenn sie das Bad selbst betreiben würde.

Was sind denn die Vorteile eines privaten Betreibers?

Wir haben als Interspa-Gruppe zum Beispiel ganz andere Einkaufskonditionen, weil wir gleich für sechs Bäder eingekauft haben. So bekommen wir höhere Rabatte und Werbekostenzuschüsse - das fängt bei Pommes und Cola an und geht bis zu den Reinigungsmitteln. Diese Nachlässe würde die Stadt nicht bekommen.

Vergleicht man die Eintrittspreise zum Beispiel mit denen im Wunnebad, das von den Stadtwerken Winnenden betrieben wird, fällt auf, dass das Wonnemar wesentlich teurer ist. Ist das auch eine Folge der Privatisierung?

Das ist letztlich eine Grundsatzentscheidung. In Winnenden finanziert die Allgemeinheit das Defizit über Steuern. Auch jeder Bürger, der nicht schwimmen geht, bezahlt also für das Bad mit. Bei einem privaten Betreiber geht das nicht. Hier bezahlen nur diejenigen, die das Bad nutzen, dadurch ist es für sie dann etwas teurer.

In Backnang wird im Gemeinderat immer wieder darüber diskutiert, welche Aufgabe das Bad eigentlich erfüllen soll. Ist es in erster Linie ein Ersatz für das alte Hallenbad, in dem Kinder schwimmen lernen und Sportler Bahnen ziehen oder soll es ein Wellnesstempel zum Entspannen und Saunieren sein?

Ich glaube, man braucht beides. Wenn man in der Sauna mal entspannen und abschalten kann, trägt das doch auch zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Im Übrigen darf man nicht vergessen, dass die Sauna unsere eigentliche „cash cow“ ist. Die Saunagänger bezahlen nämlich deutlich mehr Eintritt und finanzieren damit das Schwimmbad mit. Wenn wir keine Sauna hätten, wäre das Defizit noch größer.

2018 wollte die Stadt den Saunabereich erweitern, mittlerweile liegen diese Pläne aus Kostengründen allerdings auf Eis. Aus Ihrer Sicht die falsche Entscheidung?

Wäre das damals nicht gestoppt worden, wären wir jetzt mitten in der Bauphase. Das wäre mit Blick auf Corona natürlich auch problematisch gewesen. Ich glaube, man wird auf Dauer aber nicht darum herumkommen. Wenn wir nach Winnenden schauen, die ihr Wunnebad in den nächsten Jahren groß erweitern wollen, werden wir hier irgendwann auch wieder investieren müssen, um Schritt halten zu können.

Die Konkurrenz der Bäder in der Region ist ohnehin groß, auch Fellbach und Schorndorf haben viel Geld in ihre Bäder gesteckt. Wie kann sich das Wonnemar gegen diese Konkurrenz auf Dauer behaupten?

Ich glaube, wir müssen uns auf unsere Kernzielgruppen fokussieren: Das sind einerseits Familien mit kleinen Kindern und zum anderen die Saunagänger. Wir sind sicher kein Bad, das Jugendliche anzieht. Die gehen lieber ins F3, weil es da mehr Rutschen gibt. Unsere große Stärke sehe ich aber auch in den Events: Sei es das Hundeschwimmen, das inzwischen viele andere Bäder kopiert haben, die Saunanächte oder unsere Candlelight-Konzerte. Damit heben wir uns auch von unseren Konkurrenten ab.

Städtisches Bad, privater Pächter

Direkt nach der Eröffnung hat die Stadt Backnang ihr neu gebautes Bad an die private Interspa-Gruppe verpachtet. Diese erhält die Eintrittsgelder und übernimmt dafür alle laufenden Betriebskosten. Für Instandhaltungen und Investitionen ist die städtische Bädergesellschaft zuständig.

Im September 2020 mussten die Interspa Holding und mehrere Tochtergesellschaften Insolvenz anmelden. Wesentliche Teile des Unternehmens, darunter auch die Betreibergesellschaft des Backnanger Wonnemar, wurden vor wenigen Tagen an einen Investor aus Bayern verkauft. Alle Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.

Ricardo Haas war seit August 2017 für das Backnanger Bad verantwortlich. Der 36-jährige stammt aus dem Erzgebirge und hat in Erfurt Betriebswirtschaftslehre studiert. Bevor er nach Backnang kam, absolvierte er ein Traineeprogramm bei der Interspa.

Ricardo Haas übernimmt zum 1. März die Leitung der städtischen Bädergesellschaft in Göttingen. Sein Nachfolger in Backnang wird Markus Dechand, ehemals Leiter des Wonnemars in Ingolstadt und zuletzt interimsweise Chef des F3 in Fellbach.

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Erstellt:
12. Februar 2021, 06:00 Uhr

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