Backnanger Büffeln in den Ferien für den Führerschein
Immer mehr Fahrschüler nutzen einen Ferienkurs, um sich auf die theoretische Fahrprüfung vorzubereiten. Die Vorteile liegen in der Kompaktheit der Inhalte, der reduzierten Gesamtdauer und der ausbleibenden Doppelbelastung neben der Schule.

© Tobias Sellmaier
Stathis Tsifoutis (pinkes Hemd) von der Fahrschule Euro Drive erklärt den Fahrschülerinnen und Fahrschülern den umweltbewussten Umgang mit einem Kraftfahrzeug und greift dafür auch auf Hilfsmittel wie Filmclips oder ein Modellauto zurück. Foto: Tobias Sellmaier
Von Simone Schneider-Seebeck
Backnang. Ein lauer Sommerabend in Backnang, wie geschaffen dafür, in einem Biergarten zu sitzen, auf der Murrtreppe ein Eis zu genießen oder einfach durch die Stadt zu schlendern in dieser letzten Ferienwoche.
Doch nicht jeder kommt in diesen Genuss. Denn nicht wenige junge Menschen sitzen innerhalb von vier Wänden und lernen – Fahrtheorie nämlich. Ferienkurse, die auf die theoretische Fahrprüfung vorbereiten, stehen hoch im Kurs. So wie bei der Fahrschule Euro Drive in Backnang. Zahlreiche Fahranfänger und Fahranfängerinnen haben es sich an den runden Tischen gemütlich gemacht und sehen sich gerade ein Erklärvideo an, bei dem es um Automatik- und Schaltgetriebe geht.
Das mag den einen oder anderen Führerscheininhaber überraschen, denn bis vor Kurzem war das Automatikgetriebe kein Thema bei der Fahrprüfung. Wer mit einem solchen die Fahrprüfung durchgeführt hat, war allerdings nicht berechtigt, ein Kfz mit Schaltgetriebe zu führen. Doch, wie Fahrschulchef Kosta Tsifoutis erläutert, seit dem 1. April 2021 hat sich das geändert. Zehn Stunden Fahrt mit manueller Schaltung müssen nachgewiesen sein, dann gilt auch die Fahrprüfung im Automatikwagen unbeschränkt.
Tsifoutis kennt sich aus. Seit 25 Jahren ist er Fahrlehrer, vor 23 Jahren hat er die Fahrschule Euro Drive eröffnet. Ein Familienbetrieb, seine Frau Maria führt das Büro, sein Bruder Stathis ist wie er als Fahrlehrer tätig. Mit zum Team gehört noch Fahrlehrer Charly. „Wir haben immer viel zu tun“, so Kosta Tsifoutis. Neben den üblichen Abendkursen zweimal die Woche bietet die Fahrschule seit ihrem Bestehen auch Ferienkurse an, an sieben Abenden werden die 14 notwendigen Lektionen gelernt. Heute sind die technischen Bedingungen sowie der umweltbewusste Umgang mit Kraftfahrzeugen dran. Stathis Tsifoutis erläutert dies mithilfe eine Modellautos.
Keine Doppelbelastung durch Theorieunterricht und Schule
Die Ferienkurse finden in allen Ferien statt, sie werden sehr gut besucht. Der Vorteil sei vor allem, so erläutert der Chef, dass man schnell mit den Themen durch sei: „Dann können sich die Schüler auch wieder auf die Schule konzentrieren.“
Das sieht auch David Aggelidakis so. Seit fast 30 Jahren betreibt er David’s Fahrschul-Akademie in Backnang, auch bei ihm vor allem ein Familienbetrieb mit insgesamt fünf Fahrlehrern und einem Aushilfsfahrlehrer. Von Anfang an hat er auch Ferienkurse angeboten, seit etwa zehn Jahren beobachtet er, dass das Interesse an diesem Angebot stark angestiegen ist. „Man merkt, dass die Schüler immer weniger Zeit haben“, stellt Aggelidakis fest.
Die Vorteile des konzentrierten Angebots liegen für ihn auf der Hand: „Die Schüler haben einen freien Kopf in den Ferien, da sie weniger zu tun haben. Sie haben weniger Stress und können sich so besser auf den Unterricht konzentrieren. Die Schüler sind aufnahmefähiger.“ Täglich drei Stunden wird Fahrtheorie an sieben Abenden gepaukt, aber dennoch sei die Atmosphäre locker. Dazu komme auch, dass es sich um eine geschlossene Gruppe handele, dadurch sei das Klima auch recht vertrauensvoll: „Die Schüler fühlen sich wohl.“ Am Ende bleibe so mehr an Wissen hängen. „Die Kurse sind immer voll.“
Ferienkurse sind für Fahrschulen nicht einfach zu stemmen
Allerdings sind Ferienkurse auch mit großem Aufwand verbunden. „Schwierig ist es für Einzelkämpfer“, weiß David Aggelidakis. Denn ein solcher hat neben dem täglich stattfindenden Ferienkurs zusätzlich noch die praktischen Stunden mit seinen Fahrschülern zu absolvieren.
Seine erste Fahrschule hat Marc Männer 2013 in Kirchberg an der Murr eröffnet, mittlerweile wird der Theorieunterricht auch noch in Steinheim an der Murr und Backnang angeboten. Zu seinem Team gehören fünf Fahrlehrer sowie eine Auszubildende. Ferienkurse werden in allen Schulferien angeboten. Allerdings nicht gleichzeitig an jedem Standort, es gibt ein Rotationssystem. „Heutzutage wollen die Leute den Theorieunterricht kurz und knapp besuchen“, bekräftigt Männer die Aussagen seiner Kollegen. In seinem Betrieb gebe es mittlerweile sogar schon Überlegungen, komplett auf ein Kompaktkurssystem umzusteigen – also weg vom klassischen Abendkurs zu einem Siebentagekurs pro Monat. Aber das sei noch in der Schwebe.
Interesse an einem Führerschein ist ungebrochen
Auch Männer sieht den Aufwand der Ferienkurse deutlich: „Durch das Team funktioniert es gut. Wäre ich allein, würde ich das nicht machen.“ Denn neben der Theorie müssten auch die Schüler im Auto oder auf dem Motorrad bedient werden. Zwölf Stunden Sonderfahrt sind Pflicht, dazu kommen natürlich noch die Übungsstunden. „Das sind etwa 20 bis 30 – je nach Talent“, sagt er schmunzelnd.
Interesse am Führerschein ist bei jungen Leuten auf jeden Fall vorhanden. Zum 1. Januar dieses Jahres besaßen über 1,5 Millionen Personen bis 20 Jahre eine Fahrerlaubnis. Das entspricht auch etwa dem Vorjahresniveau.
Theorie und Praxis Bei einem Ferienkurs geht es um das Vermitteln der theoretischen Kenntnisse. Daher kann es trotzdem etwas dauern, bis man den Führerschein schließlich in der Hand hält. Nicht zu vergessen sind außerdem noch die praktischen Fahrstunden.
Prüfung Vor der Prüfung muss der Führerschein bei der Führerscheinstelle beantragt werden. Dazu gehören auch der Nachweis einer Erste-Hilfe-Schulung sowie eine Sehtestbescheinigung, die nicht älter als zwei Jahre sein darf. Aktuell beträgt die Bearbeitungszeit etwa drei Monate. Sobald die Bestätigung da ist, kann die theoretische Prüfung abgelegt werden.