Backnangerin wird zu Wiener Heldin

Die Backnangerin Marina Löbl (ehemals Hülssiep) lebt seit einigen Jahren in Wien. Dort hat sie den Verein Naschgarten gegründet, mit dem sie Kindern einen Zugang zu Natur und gesunder Ernährung ermöglicht. Für ihr Engagement wurde sie nun als Wiener Heldin ausgezeichnet.

Zahlreiche Hochbeete stehen in dem Garten. Jede Gruppe betreut ihr eigenes.

Zahlreiche Hochbeete stehen in dem Garten. Jede Gruppe betreut ihr eigenes.

Von Kristin Doberer

Backnang/Wien. Eine Heldin aus Backnang? Die gibt es tatsächlich seit einigen Wochen. Statt eines Superheldenkostüms trägt sie aber Gartenhandschuhe, statt durch die Gegend zu fliegen, gräbt sie im Erdboden. Marina Löbl ist zu einer Wiener Heldin gekürt worden, genauer gesagt, zur Heldin des 10. Wiener Gemeindebezirks. Gekürt wurde sie nicht wegen irgendwelchen mysteriösen Superkräften, sondern aufgrund ihres besonderen ehrenamtlichen Engagements.

Vor etwa zwei Jahren nämlich gründete die gebürtige Backnangerin, die vor ihre Hochzeit noch Marina Hülssiep hieß, den gemeinnützigen Verein Naschgarten. Auf einer Fläche von etwa 5000 Quadratmetern soll Kindern hier die Natur, gesunde Ernährung und die Herkunft ihrer Lebensmittel nähergebracht werden. „Sie sollen den Weg vom Samenkorn bis zur fertigen Mahlzeit ganz praktisch erleben können“, sagt Marina Löbl. Die Kinder kommen zum Beispiel mit ihrer Schulklasse oder Kindergartengruppe regelmäßig in den Garten, der dem Verein von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt wurde. In regelmäßigen Abständen kümmern sich die Kinder dann ums Säen, Pflegen, Gießen, Unkrautjäten und natürlich ums Ernten der selbst angebauten Pflanzen. Jede Gruppe hat zum Beispiel ihr eigenes Hochbeet, um das sie sich kümmert. „Sie sehen so den Fortschritt im Garten und begleiten das ganze Gartenjahr.“

Marina Löbl sagt: „Die Kinder wussten oft einfach nicht, wo ihr Essen eigentlich herkommt. Für viele war das die erste Erfahrung mit Gärtnern.“ Foto: privat

Marina Löbl sagt: „Die Kinder wussten oft einfach nicht, wo ihr Essen eigentlich herkommt. Für viele war das die erste Erfahrung mit Gärtnern.“ Foto: privat

Nach Wien ist die gebürtige Backnangerin im Jahr 2009 gezogen. Zunächst, um zu studieren. Sie hat einen Bachelor und Master in Internationale Entwicklung gemacht, dann noch ein Studium im Bereich Volkswirtschaftslehre und Naturgefahrenmanagement angeschlossen. Den Ausschlag zur Gründung ihres Vereins gab aber ihre Zeit als Lehrerin an einer Wiener Mittelschule, wo sie im Rahmen der Initiative „Teach for Austria“ zwei Jahre lang Kinder und Jugendliche unterrichtete. „Die Kinder wussten oft einfach nicht, wo ihr Essen eigentlich herkommt.“ Nach einem Besuch beim Verein Villekulla in Flensburg sei ihr dann klar gewesen: „So etwas will ich auch machen.“

Für viele Kinder, besonders aus einkommensschwachen Familien, sei das die erste Erfahrung, die sie überhaupt mit Gärtnern machen. Das zeige sich immer wieder, wenn die Kinder in den Garten kommen. „Wir haben hier auch Bienenstöcke. Viele Kinder wussten überhaupt nicht, was das ist. Und einer meinte dann: ‚Das sind Bienen, die machen Marmelade‘“, erzählt sie lachend. Sie freue sich aber nicht nur darüber, wenn die Kinder etwas über die Natur lernen, sondern vor allem über die Begeisterung, mit der viele regelrecht in den Garten stürmen. „Die Kinder machen sich sogar freudestrahlend ans Unkrautjäten.“

Neben dem Bezug zur Natur gibt es in dem Garten aber noch viel mehr zu entdecken. So teilen sich die Gruppen meist auf. Während sich ein Teil um die Pflanzen kümmert, macht sich der andere ans Kochen. In einer Freiluftküche werden die selbst erzeugten Nahrungsmittel nämlich auch zu Gerichten verarbeitet. „Manche Kinder probieren dann Neues, Dinge, die sie vorher nie versucht hätten. Einfach weil sie nun einen anderen Bezug zu dem Nahrungsmittel haben und wissen, was hinter dem Anbau steckt“, sagt Löbl.

Auf den rund 5000 Quadratmetern des Wiener Naschgartens bauen Kinder ihre eigenen Lebensmittel an und lernen so, die Herkunft ihrer Nahrung und den Naturkreislauf zu verstehen. Fotos: privat

Auf den rund 5000 Quadratmetern des Wiener Naschgartens bauen Kinder ihre eigenen Lebensmittel an und lernen so, die Herkunft ihrer Nahrung und den Naturkreislauf zu verstehen. Fotos: privat

Außerdem gibt es in dem großen Garten neben den zahlreichen Hochbeeten, um die sich die Kinder selbst kümmern, mehrere Sitzecken, einen Barfußpfad, einen Kräuter- und Obstgarten, einen Folientunnel, einen Sandkasten und ein Tipi. Die Kinder sollen sich in dem Garten austoben und eben auch einfach mal dreckig machen können.

Seit März ist der Garten nun voll im Einsatz. Ein Startkapital für die zahlreichen Hochbeete und Co. gab es unter anderem von Stiftungen. Löbl kümmert sich besonders um die organisatorischen Aufgaben, ihre Mitgründerin übernimmt die pädagogischen Aufgaben. Aber wenn Gruppen im Garten sind, sei auch sie meist zur Unterstützung dabei. Außerdem gibt es in dem Verein noch einige ehrenamtliche Helfer. Auch Hilfe aus Backnang gab es. Der Vater der 34-Jährigen habe sie nämlich von Backnang aus sehr unterstützt und sich um die finanziellen Angelegenheiten des Vereins mit gekümmert, bis er vor rund vier Monaten verstorben ist.

Als Wiener Heldin wurde sie von Menschen aus dem Wiener Gemeindebezirk zehn nominiert. Die Aufmerksamkeit kommt dem Projekt entgegen. „Im vergangenen Sommersemester hatten wir rund 50 Termine. Für das nächste planen wir jetzt schon etwa 150“, sagt Löbl. Und obwohl das Projekt gut läuft und für das nächste Jahr schon dreimal so viele Anmeldungen von Schul- und Kitagruppen hat, will sie es noch weiter vorantreiben. So ist bereits die Zusammenarbeit mit einem Kindergarten in Planung, der seinen Fokus auf Natur und Garten legt. Auf dessen Gebäude nämlich soll ein großer Dachgarten entstehen, der von den Kindergartenkindern mit bewirtschaftet wird. Nicht nur sollen auch hier die Kinder direkt mit den Themen Natur und Ernährung in Berührung kommen, ihr geht es auch darum, „zu zeigen, was in der Stadt eigentlich alles möglich wäre“.

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Erstellt:
7. September 2023, 06:00 Uhr

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