Maskenpflicht drinnen und an Schulen wird verlängert

dpa/lsw Stuttgart. Eine Art Freedom Day und steigende Infektionszahlen, das passt irgendwie nicht zusammen. Findet zumindest die Landesregierung. Deshalb lockert Baden-Württemberg nun erst zwei Wochen später - und übt heftige Kritik am Bund.

Ein Aufkleber an einer Glastür weist auf das Tragen einer Maske hin. Foto: Felix Kästle/dpa/Symbolbild

Ein Aufkleber an einer Glastür weist auf das Tragen einer Maske hin. Foto: Felix Kästle/dpa/Symbolbild

Die Menschen im Südwesten werden die Masken in Innenräumen und an Schulen so schnell nicht los. Wegen der hohen Infektionszahlen will Baden-Württemberg die Corona-Regeln am 20. März noch nicht vollständig auslaufen lassen. Man werde eine Übergangsfrist bis zum 2. April nutzen, kündigte Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart an. Das betreffe in erster Linie die Maskenpflicht drinnen und an Schulen. Man prüfe derzeit zudem, ob man weitere Einschränkungen verlängern könne, sagte eine Sprecherin des Staatsministeriums.

Aufgrund des heftigen Infektionsgeschehens sei das Festhalten an Maßnahmen zwingend notwendig, sagte Strobl. Man habe derzeit die „höchsten Infektionszahlen forever“. Das Land ziehe notgedrungen die Karte der Übergangsfrist. Der Vize-Regierungschef kritisierte, dass der Bund den Ländern jetzt im Kampf gegen die Pandemie die Verantwortung zuschiebe, aber ihnen die Möglichkeiten nehme, das Virus weiter einzudämmen.

Für Besuche von Restaurants und Veranstaltungen müssen Menschen im Südwesten wohl noch bis mindestens April Impf- oder Testnachweise vorzeigen, wie am Abend bekannt wurde. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Stuttgart sagte der dpa, ein entsprechender Vorschlag aus dem Haus werde nun in den Ressorts abgestimmt. Demnach soll in der Übergangsfrist bis zum 2. April nicht nur die Maskenpflicht in Innenräumen weiter bestehen bleiben. Auch die Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Leben sollen weitgehend aufrechterhalten bleiben.

Veranstaltungen, Restaurants und viele andere Bereiche des öffentlichen Lebens darf im Südwesten derzeit nur besuchen, wer geimpft, getestet oder genesen ist (3G).

Eigentlich sollten nach einem Bund-Länder-Beschluss am 20. März alle tiefgreifenderen Maßnahmen wegfallen. Nur ein sogenannter Basisschutz soll bleiben: Der Entwurf der Ampel-Regierung sieht lediglich noch eine Maskenpflicht in Pflegeheimen, Kliniken und im Nahverkehr vor - und eine Testpflicht in Heimen und Schulen.

Sollte sich die Corona-Lage regional verschärfen, können die Länder nach dem Entwurf per Parlamentsbeschluss strengere Regeln einführen, wenn auch weniger als bisher. Eine Hotspot-Regelung soll den Ländern aber weiterhin Eingriffsmöglichkeiten geben. Der Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) soll am Mittwoch erstmals im Bundestag beraten werden.

Baden-Württemberg hatte in den vergangenen Tagen die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP immer wieder kritisiert, dass sie den Ländern den Instrumentenkasten nehme, um bei einer erneuten Überlastung der Kliniken gegenzusteuern.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach rief die Länder am Dienstag dazu auf, die Übergangsfrist bis zum 2. April zu nutzen. Anschließend müssten sie die neuen Hotspot-Regelungen nutzen, um das Geschehen in den Griff zu bekommen. „Das kann zur Not auch darauf hinauslaufen, dass wenn die Situation in einem ganzen Bundesland so prekär ist, dass ein ganzes Bundesland sich zum Hotspot erklärt, wie das jetzt zum Beispiel Bayern überlegt“, sagte Lauterbach im ARD-„Morgenmagazin“. Es werde keinen Freedom Day geben. „Wir sind nicht in der Situation, als dass man jetzt alle Maßnahmen fallen lassen könnte.“

Strobl sagte mit Blick auf den Berliner Gesetzentwurf, es sei absolut unzureichend, was sich da abzeichne. Man befinde sich auf „rechtlich außerordentlich schwierigem Grund“. Man werde sich das Gesetz ansehen und prüfen, was im Land noch gemacht werden könne, falls sich die Corona-Lage wieder verschlimmere. Strobl kritisierte, dass man nicht mehr bundesweit einheitlich vorgehe, sondern jedes Land alleine sei im Kampf gegen Corona. Der Bund sei in einer Art Blindflug unterwegs - „und die Länder sitzen halt im Flugzeug mit drin“.

Das Land feilt nun an einer neuen Verordnung, die am Wochenende in Kraft treten soll, wie ein Regierungssprecher ankündigte. Das mehrstufige Warnsystem im Südwesten, das seit Monaten Maßnahmen abhängig von der Belastung der Kliniken vorgibt, wird damit Geschichte sein. Man müsse nun das Bundesrecht umsetzen. Das Land habe aber zumindest die Möglichkeit, vorübergehend an der Maskenpflicht in Innenräumen und Schulen festzuhalten - und davon werde man auch Gebrauch machen.

Die Bildungsverbände sprachen sich für eine Verlängerung der Maskenpflicht an Schulen aus - auch über den 2. April hinaus. Der Vorsitzende des Philologenverbands, Ralph Scholl, warf den Politikern vor, den Maskengegnern nachzugeben. „In den Schulen werden bei jedem Testen Corona-infizierte Schüler gefunden“, sagte Scholl. „Und infizierte Kinder und Jugendliche stecken typischerweise ihre gesamte Familie an.“

Auch der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand sieht keinen Spielraum für Lockerungen. Die geplanten Lockerungen seien in einer Phase geplant worden, in der die Inzidenz gefallen sei. In der jetzigen Situation fehle aber die Legitimation für eine Lockerung.

Die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Monika Stein, forderte, die Maskenpflicht bis zu den Osterferien Mitte April zu verlängern. Es sei viel zu wenig bekannt über die Langzeitfolgen einer Covid-Infektion. Außerdem verhindere die Maskenpflicht weiteren Unterrichtsausfall.

„Die Kitas und Schulen sind alle am Limit“, sagte Stein. „Jede Person, die ausfällt, führt zu Unterrichtsausfall.“ Sie erinnerte auch an die Aufgabe, geflüchtete Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Zudem seien viele Abschlussprüfungen geplant. „Wenn die Masken dazu beitragen, dass weniger Erzieher*innen und Lehrkräfte ausfallen, lohnt sich auch dafür diese Schutzmaßnahme.“

Die baden-württembergischen Gastronomen und Hoteliers kritisierten die erneut kurze Vorlaufzeit, mit der sich Betriebe und Beschäftigte auf politische Entscheidungen einstellen müssten. „Auch jetzt ist wieder nicht klar, was ab Sonntag für die Branche im Land im Einzelnen gelten wird“, sagte der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Daniel Ohl. Es sei nicht entscheidend, dass Gäste in Innenräumen nun 14 Tage länger Masken tragen müssten. „Wichtiger ist die Sicherheit, dass die angekündigten Lockerungen kommen.“

© dpa-infocom, dpa:220315-99-528127/5

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Erstellt:
15. März 2022, 12:19 Uhr

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