Bäcker Starks letzte Brötchen

Lippoldsweiler Traditionsbetrieb in fünfter Generation schließt zum Jahresende

Die Nachricht hat im Ort eingeschlagen wie eine Bombe: Die Bäckerei Stark in der Ortsmitte von Lippoldsweiler wird zum Ende dieses Jahres schließen. Heinz und Petra Stark haben in der Backstube, die mittlerweile in der fünften Generation besteht, Brötchen und Brote zuletzt zu zweit allein gebacken. „Doch es bleibt zu wenig hängen, um auch künftig zu bestehen“, sagt Heinz Stark.

Bäcker Starks
letzte Brötchen

© yanik88 - stock.adobe.com

Von Florian Muhl

AUENWALD. Es ist viel Wehmut dabei. „Leicht ist uns die Entscheidung natürlich nicht gefallen“, bekennt Petra Stark. „Aber sie hat so fallen müssen“, ergänzt ihr Mann Heinz. Besonders schmerzlich ist, dass ihre Bäckerei ein Traditionsbetrieb ist, den der 52-Jährige zusammen mit seiner 50-jährigen Frau mittlerweile in der fünften Generation führt. Der Bäckermeister, der diesen Titel seit 29 Jahren führt und seit 20 Jahren selbstständig ist, sagt: „Wir haben 70 bis 80 Stunden pro Woche gearbeitet; jeder von uns. Für die viele Arbeit bleibt zu wenig Geld hängen. Dann schauen wir uns lieber nach einer anderen Arbeit um.“

Und die Gründe? „Das Kaufverhalten von den Leuten hat sich brutal geändert“, bekennt Heinz Stark. Das treffe nicht nur seine Backstube, sondern er richtet seinen Blick auch nach Aspach, Backnang und Althütte. Auch dort würden Bäckereien entweder zum Jahresende oder aber wohl in wenigen Jahren schließen. Der Grund in Lippoldsweiler: „Da hast du mit dem Edeka auf der grünen Wiese einen Einkaufsladen mit einem Fremdbäcker drinnen, und die Kunden werden mit der Zeit einfach bequem. Das ist leider so.“ Wenn man am Samstag um 11 Uhr in die Bäckerei Stark komme, erhalte man nichts mehr, „da sind wir durch“. Heinz Stark hat da sein ganz persönliches Sprichwort parat: „Bei uns heißt’s wirklich noch: Der frühe Vogel fängt den Wurm.“ Das habe man den Leuten mit der Zeit abgewöhnt, nach dem Motto: „Du kannst immer kommen und kriegst einen Wurm.“

Starks haben deshalb auch seit vielen Jahren schon einen Lieferwagen, mit dem sie über die Dörfer fahren und daraus Backwaren verkaufen. Das Problem dabei sei aber, dass die besten Kunden, die älteren Anwohner, wegsterben und die jüngeren Leute zur Arbeit fahren und gar nicht mehr zu Hause sein würden.

Ein nächster Schritt, um zu überleben, war, die lange Theke im Laden zu kürzen und Handelswaren anzubieten. „Bei uns hat man alles bekommen, vom Streichholz übers Tempo-Taschentuch bis hin zur Frischmilch“, sagt Petra Stark. Aber als der Edeka kam, sei die Nachfrage rapide zurückgegangen. So habe man auch hier reagieren müssen und habe den beiden fest angestellten Bäckern im vergangenen Jahr gekündigt. Doch auch zu zweit hat das Paar als handwerklich produzierender Kleinstbetrieb mittlerweile keine Chance mehr.

„Mein Ururopa hat die Bäckerei im Jahr 1886 gegründet“

Trotzdem, und zum Glück, haben die beiden starken Starks das Lachen nicht verlernt. Mit reichlich Optimismus schauen der 52-Jährige und seine zwei Jahre jüngere Frau, die sich vor 18 Jahren kennengelernt haben, in die Zukunft, ohne aber die Vergangenheit zu vergessen. „Mein Ururopa hat die Bäckerei gegründet; 1886 war das“, blickt der Bäckermeister zurück. „Damals hatte man immer noch eine Landwirtschaft gehabt. Mein Opa hatte noch Kühe, hier war der Stall“, sagt er und deutet auf die Backstube. „Selbst mein Vater hatte immer nebenher noch zwei Schweine gefüttert, die wir im Winter geschlachtet haben. Erst mit dem Neubau hier hat man die Scheuer und den Stall abgerissen.“

Heinz Stark war schon immer ein Macher, dem die Ideen nie auszugehen schienen. Mit seiner Kreativität hat er stets alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit er seine Vorstellungen auch in die Tat umzusetzen konnte. Beispielsweise 2013 die Flammkuchen-Gastronomie. Mithilfe der Gemeinde hat er jeweils eine Konzession erhalten. „Bäckerei und Gastronomie – das war damals noch ein bisschen exotisch, heute ist das mittlerweile selbstverständlich. Da schieben sie abends ein Klavier rein“, schmunzelt Heinz Stark. Und seine Frau sagt: „Das geht auch gar nicht mehr anders, weil man von dem Backwarenbetrieb allein gar nicht mehr leben kann; man braucht irgendeinen Zusatz.“

Parallel zu seiner Bäckerei hat Heinz Stark deshalb Festivitäten angeboten wie den Salz- und Zwiebelkuchen-Frühschoppen, mittelalterliche Lesungen, Kasperle-Theater mit Gregor Oehmann alias Professor Pröpstl und Wein- und Käseverkostungen im Zelt sowie übers Internet den sogenannten Stollen-Piraten. „Jedes Jahr habe ich einen neuen Stollen kreiert“, schwärmt der Bäckermeister. „Das hat angefangen mit meinen Freunden, weil die nicht mit nach Schottland wollten.“ Jahrelang wurde in eine gemeinsame Kasse eingezahlt, Heinz Stark war der Organisator und der Kassenwart dieses Männerkreises. Doch mit der Zeit sprang einer nach dem anderen wieder ab. „Aus lauter Trotz, oder weil ich da beleidigt war, hab ich den Single-Malt-Whisky-Stollen erfunden. Eine Flasche von meinem Lieblingswhisky Talisker von der Insel Skye hat dann für 14 Stollen gereicht.“

Der Whisky sei rauchig und torfig gewesen und der habe dann dem Stollen ein unverwechselbares, tolles Aroma gegeben. „Der ist dann auch liebevoll von meiner Frau eingepackt worden.“ So habe das mit dem Stollen-Piraten angefangen. Und ein Jahr später kam dann die zweite Erfindung: der schwäbische Apfelmost-Stollen. Die Krönung sei schließlich der Caipirinha-Stollen gewesen, „mit Tanzeinlagen einer Samba-Gruppe“. Das war 2014, als Deutschland Fußballweltmeister geworden ist. Auch Stark hat einen Titel geholt. Mit seinem Whisky-Stollen gewann er bei der Deutschen Stollenmeisterschaft (Stollen-Zacharias) den vierten Platz und damit auch einen sogenannten Stollen-Oskar. Die Stollensaison haben die Starks stets am ersten Sonntag im November im TSV-Vereinsheim in Hohnweiler mit einem Stollen-Saison-Opening-Fest gefeiert.

Und weil Heinz Stark ein ganz großer Whisky-Fan ist, durfte natürlich ein Whisky Tasting nicht fehlen. Das fand jetzt Anfang Dezember statt und war ein voller Erfolg. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Bäckermeister diese Veranstaltung bei sich organisiert und dazu ein Drei-Gänge-Menü serviert. Die Whisky-Verkostung übernimmt dabei Jörg Krase aus Oberweissach, der in Backnang in einem großen Autohaus arbeitet. „Whisky Tasting, das ist sein Hobby, und da kennt er sich brutal gut aus“, sagt Heinz Stark. Er selbst trinke bereits seit 30 Jahren Whisky. „1989/90 war ich zweimal in Schottland. Und zu meinem Fünfzigsten habe ich meine Freunde quasi erpresst, da oben zu feiern. Gleichzeitig hab ich mich dort auch verlobt.“

„Die Gaststättenkonzession wollen wir auf jeden Fall behalten“

Auch wenn die Bäckerei schließen wird, ein Whisky Tasting wird es im kommenden Jahr auf jeden Fall wieder geben. Und nicht nur das. „Wir haben ja hier die Gaststättenkonzession, und die wollen wir nicht verlieren, die wollen wir auf jeden Fall behalten“, sagt Heinz Stark. „Da habe ich ewig lang gebraucht, bis ich sie hab genehmigt bekommen. Da war eine Behindertentoilette nötig und ich hab eine Brandschutztüre einziehen müssen.“ Denn Heinz Stark hat auch noch ein weiteres Standbein: Zusammen mit den Küchen- und Gastroprofis Thomas Schneider und Toni Koretz hat der Bäckermeister den TTH-Partyservice aufgebaut. „Das Catering-Unternehmen bleibt auf jeden Fall bestehen“, sagt er. In diesem Rahmen wird es in den kommenden Jahren einzelne Veranstaltungen geben, wie das Whisky Tasting. Wer die beiden Starks kennt, zweifelt wohl nicht daran, dass es auf einem guten Weg weitergehen wird, auch ohne Backstube.

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Erstellt:
10. Dezember 2019, 11:30 Uhr

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