Debatte über das Bürgergeld

Bärbel Bas weist Friedrich Merz in die Schranken – mit nur zwei Buchstaben

Der Kanzler hat gesagt, er überlasse die Reform des Bürgergelds nicht dem Arbeitsministerium. Bärbel Bas hat dazu ein paar Anmerkungen.

Im Bundestag: Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD).

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Im Bundestag: Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD).

Von Tobias Peter

Bärbel Bas weist den Bundeskanzler beim Thema Bürgergeld in seine Schranken. Das gelingt ihr mit nur zwei Buchstaben.

Die Arbeitsministerin und SPD-Chefin, die im Bundestag zum Haushalt für das Jahr 2026 spricht, beugt sich vom Rednerpult nach hinten und blickt kurz zu Friedrich Merz. „Weil der Bundeskanzler auch extra zu meiner Rede gekommen ist, ein paar Sätze zur Grundsicherung“, sagt Bas. Sie tue das, damit keine Legenden gebildet oder Geschichten erzählt würden.

Bas betont, das gemeinsame Ziel sei, die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Merz nickt. Sie und der Kanzler seien sich auch in einem einig: „Die Menschen, die mitmachen, die wollen wir unterstützen. Die, die nicht mitmachen, die nicht wollen, die müssen das auch merken.“

Bas lächelt Merz selbstbewusst zu

Dann kommt der Satz mit den zwei entscheidenden Buchstaben. Der Kanzler und sie hätten das Thema zur „Chef- und Chefin-Sache gemacht, so wolle sie es mal formulieren, sagt Bas. Dabei dreht sie sich mit einem selbstbewussten Lächeln noch einmal zu Merz. „Chefin-Sache“ – das ist eine mehr als eindeutige Botschaft an den Regierungschef.

Es war Merz persönlich, der die Debatte über die Reform des Bürgergelds wieder aufgemacht hat. Beim Verband der Chemischen Industrie hat der Kanzler Mitte der Woche zur Reform des Bürgergelds gesagt: „Ich überlasse das nicht dem Arbeitsministerium oder anderen Stellen in der Regierung.“ Und: „Wir lassen es nicht auf der Fachebene, sondern wir diskutieren es auf der politischen Ebene und machen einen Top-Down-Ansatz“, erklärte der Kanzler. Merz‘ Einlassungen waren so verstanden worden, dass er das Thema Bürgergeld zur Chefsache mache.

Bas wiederum betont, es sei richtig in der Koalition einen Konsens zu finden, „bevor wir mit einem Gesetzentwurf, der übrigens über die Sommerpause erarbeitet worden ist, auf den Markt gehen“. Das bedeutet: Die Fachebene war schon längst am Thema dran, mit intensiver Arbeit auch über die Sommerferien. Die Ministerin will den Entwurf aber nicht auf den Weg schicken, bis nicht möglichst viel politische Einigkeit hergestellt worden ist.

Doch warum ist die gesetzgeberische Reform des Bürgergelds so kompliziert? Grundsätzlich gibt es zu dem Thema recht detaillierte Festlegungen im Koalitionsvertrag. Nur: Sie widersprechen sich zum Teil oder sind nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. So heißt es einerseits: „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“ Andererseits wird auch betont: „Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten.“ Um auszuloten, welchen Spielraum es in diesen und anderen Fragen damit in der Praxis tatsächlich gibt, sind die Fachleute im Arbeitsministerium kaum verzichtbar. Es gibt einen Grund, dass Gesetzentwürfe in den Ressorts geschrieben werden.

Kanzler unter Zugwang

Merz steht beim Thema Bürgergeld unter Zugzwang. Erstens hat er selbst im Bundestag vor der Sommerpause gesagt, im Herbst werde es Entscheidungen zu einer Reform geben. Zweitens sind bei anderen Themen im von Merz ausgerufenen Herbst der Reformen keine schnellen Ergebnisse zu erwarten: Wenn es um mögliche Kostendämpfungen bei den Sozialversicherungen geht, tagen nun erst einmal Kommissionen.

Der Druck, beim Bürgergeld zu Resultaten zu kommen, ist groß. „Die Reform des Bürgergeldes taugt nicht für einsame Entscheidungen auf Chefetagen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock, unserer Redaktion. „Für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts brauchen wir Reformen für die Betroffenen.“ Das müsse insgesamt der Maßstab sein, nicht parteipolitische Streitigkeiten über Zuständigkeiten. „Die Nichtberücksichtigung von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften in der Sozialstaatskommission ist dabei ein fatales Signal“, sagt Rock.

Arbeitsministerin Bas schickt am Freitag im Bundestag, bei aller Zurechtweisung, auch ein positives Signal an den Kanzler. „Wir machen das zusammen“, sagt sie, „und das wird auch eine gute Reform werden im Sinne aller Beteiligten auf dem Arbeitsmarkt.“

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Erstellt:
26. September 2025, 16:54 Uhr

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