Bäume am Holzbach sind plötzlich alle weg

Der umfassende Kahlschlag in Unterbrüden vom Spielplatz bei der Feuerwehr bis hin zum Rathaus überrascht und verärgert Anwohner. Bürgermeister und Bauamtsleiter sagen: Aktion war nicht absehbar, aber notwendig. Die Bäume waren wegen Fäulnis nicht mehr standsicher.

Anwohnerin Blanka Herzig mit Bürgermeister Kai-Uwe Ernst (links) und Bauamtsleiter Pierre Mayer am Holzbach in Unterbrüden. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Anwohnerin Blanka Herzig mit Bürgermeister Kai-Uwe Ernst (links) und Bauamtsleiter Pierre Mayer am Holzbach in Unterbrüden. Fotos: A. Becher

Von Florian Muhl

Auenwald. Just in dem Moment, als gestern Mittag BKZ-Fotograf Alex Becher auf den Auslöser seiner Kamera drücken will, kommt eine Passantin, um nicht zu sagen Spaziergängerin, vorbei. Die allen Beteiligten Unbekannte versteht es, die offensichtliche Misere in einem Satz wiederzugeben, ungefragt und spontan: „Da ist aber ganz schön abgesäbelt worden!“ – „Das wird schon wieder“, antwortet ebenso spontan wie höflich Bauamtsleiter Pierre Mayer. Mit einem kurzen „Na dann“ zieht die Unbekannte weiter.

„Es ist ein Bild zum Heulen.“ Mit diesen Worten hatte sich Blanka Herzig bestürzt an unsere Redaktion gewandt. Die Unterbrüdenerin, die nur wenige Schritte vom Ort des Geschehens entfernt wohnt, war am Montag entlang des Holzbachs spazieren gegangen. „An dem gesamten Holzbachweg – zwischen Rathaus und Spielplatz Theodor-Heuss-Straße – wurden sämtliche Bäume gefällt. Alle. Die ganzen gesunden Bäume, in denen Vögel und andere Tierarten Schutz gefunden haben, sind weg. Radikal.“

Die Anwohnerin, die derzeit zu Hause im Homeoffice arbeitet und sich mehrmals die Woche in der Aue für etwa eine Stunde die Füße vertritt, hat auch mit anderen Personen, die dort standen und fassungslos diesen Kahlschlag angeschaut haben, gesprochen, wie sie erzählt. „Sie alle können dies nicht verstehen. Wie kann man nur in dieser Zeit, wo jeder Baum zählt, dies verantworten?“, fragt sich Herzig. Sie sei völlig überrascht worden, weil sie auch im Mitteilungsblatt der Gemeinde nichts von dieser Aktion habe lesen können.

Nachfrage bei Kai-Uwe Ernst. Der Bürgermeister antwortet rasch, innerhalb von Stunden, so, wie er es vor seinem Amtsantritt versprochen hatte: „Bei dem dieses Jahr durchgeführten Pflegedurchgang im Bereich des Holzbachwegs wurden leider mehr Bäume als erwartet als nicht mehr standsicher, das heißt als bruchgefährdet eingestuft.“ Der Grund für diese Einstufung: „Vor allem Wurzel- und Stockfäule, welche sich vor allem bei den am Bach stehenden Erlen deutlich zeigte“, so Ernst.

Gestern beim Vor-Ort-Termin treffen Anwohnerin Herzig sowie Bürgermeister Ernst und Bauamtsleiter Mayer zusammen. „Wenn ich diesen Kahlschlag sehe, tut mir das von Herzen weh“, sagt Herzig. „Ich bin kein Fachmann, ich kann es nicht beurteilen, wenn die krank sind... Aber dann so radikal? Wirklich jeder Baum? Das verstehe ich nicht“, sagt die Anwohnerin.

„Dass es jetzt erst einmal kahl aussieht, ist mir klar, und das ist auch nicht schön“, bekennt Mayer. Und direkt an Herzig gewandt: „Glauben Sie mir, ich hätte am liebsten unheimlich viele Bäume.“ Dann kommt das Aber, dann erklärt der Bauamtsleiter, warum so viele Bäume in den vergangenen Tagen fallen mussten. Insgesamt sind es wohl an die 100. „Wie haben das Problem der Wurzel- und Stockfäule nicht nur hier, sondern an allen Bachläufen, und nicht nur in unserer Gemeinde, sondern im ganzen Weissacher Tal.“ Weil so viele Erlen sowie auch einige Eschen betroffen sind, verfolgt die Gemeinde jetzt folgenden Weg: „Wir schauen, dass wir hier Baumarten ansiedeln, die hier auch langfristig eine Zukunft haben. Es sollen unterschiedliche Baumarten dabei sein, Hartholz, Weichholz, die wir freistellen können, damit das auch schön aussieht, und die dann auch Entwicklungsmöglichkeiten haben.“ Aus diesem Grund hätten die Beschäftigten des Bauhofs auch nicht alles radikal heruntergeschnitten, wie Mayer sagt, sondern hätten gesagt: „Hier kann sich noch eine Pappel entwickeln, da kann sich noch eine Weide entwickeln, trotz des Weidentriebsterbens. Da wollen wir natürlich schauen, da gibt es ein, zwei Sorten, die da resistenter sind, dass wir da eine Zukunft haben.“ Auf die Frage, wann denn die Bäume gepflanzt werden, sagt der Bauamtsleiter: „Wir schauen, dass wir das meiste aus dem Bestand hochziehen und dann vereinzelt nachpflanzen.“ Zusammen mit der neuen Grüntruppleiterin Elke Wenzel, die seit Dezember Mitarbeiterin im Bauhof ist, will die Gemeinde ein Konzept für alle Flächen entwickeln. Dabei soll beispielsweise festgelegt werden, wo Naturschutz oberste Priorität hat und wo Spielflächen für Kinder entstehen oder auch ausgebaut werden sollen.

Zum Hintergrund der Fällaktion erklärt Ernst: „Die verschiedenen Bachbereiche in Auenwald werden in mehrjährlichen Zyklen regelmäßig durch den gemeindeeigenen Bauhof gärtnerisch gepflegt.“ Beim diesjährigen Pflegedurchgang sei eben leider festgestellt worden, dass mehr Bäume als erwartet von der Fäulnis befallen seien. „Diese Masse an notwendigen Fällungen war vorab nicht absehbar und wurde daher nicht auf den üblichen Kanälen kommuniziert“, erläutert der Bürgermeister.

Laut Mayer war allerdings nicht nur die Fäulnis der Grund für das Fällen der Bäume. „Im vorderen Bereich des Spielplatzes hatten wir etliche große Bäume, die mutwillig beschädigt worden sind. Da sind lange Nägel, 20 Zentimeter lang, hineingeschlagen worden.“ Zum Glück seien die noch etwas herausgestanden, sonst hätten die Mitarbeiter des Pflegetrupps wahrscheinlich die Beschädigungen gar nicht entdeckt. „Deswegen mussten wir tatsächlich noch mehr Bäume wegmachen, als gewollt war.“

Wer die Nägel in die Bäume geschlagen hat, was offensichtlich bereits vor längerer Zeit geschah, lässt sich natürlich nicht mehr sagen. Mayer bejaht allerdings die Frage, ob die Absicht dahintersteckte, die Bäume auf lange Sicht zu zerstören. Bei den langen Nägeln handelt es sich nämlich um Kupfernägel, die im unteren Bereich des Baumes in den Stamm geschlagen wurden.

Deutlich zu sehen: die Fäulnis, die jeweils den unteren Bereich der Bäume befallen hat.

© Alexander Becher

Deutlich zu sehen: die Fäulnis, die jeweils den unteren Bereich der Bäume befallen hat.

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Erstellt:
3. Februar 2022, 06:00 Uhr

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