Baumfällarbeiten Sachsenweiler: „Von Kahlschlag kann keine Rede sein“

Martin Röhrs ist selbst Nachbar des Sachsenweiler Wäldchens und wäre einer der Letzten, der um des Profits willen eine massive Rodung in dem wertvollen Baumbestand zulassen würde. Der jetzt geplante Eingriff ist jedoch seiner Ansicht nach nötig und vertretbar. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Martin Röhrs ist selbst Nachbar des Sachsenweiler Wäldchens und wäre einer der Letzten, der um des Profits willen eine massive Rodung in dem wertvollen Baumbestand zulassen würde. Der jetzt geplante Eingriff ist jedoch seiner Ansicht nach nötig und vertretbar. Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Im Wäldchen östlich des Stadtteils Sachsenweiler sind Baumfällarbeiten geplant. Der Unmut darüber scheint im Ort groß zu sein, zumindest lassen etliche Leserbriefe und Telefonate beziehungsweise andere Reaktionen wie etwa das Einschalten der Abgeordneten oder eine geplante Unterschriftenaktion diese Vermutung zu. Doch Martin Röhrs, selbst Bürger von Sachsenweiler und zugleich der Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald, stellt eindeutig klar, dass es eben das Ziel der jetzt anstehenden Arbeiten ist, das so sehr geschätzte Wäldchen in seiner Substanz zu erhalten. In einem Brief an Oberbürgermeister Maximilian Friedrich schreibt der Forstmann: „Das Ziel der geplanten Maßnahme ist es, den Alteichenbestand möglichst lange zu erhalten.“ Der Eingriff beschränkt sich deshalb laut Röhrs innerhalb der Baumgattung Eiche auf relativ wenig Bäume. Gefällt werden nur solche Exemplare, die schwache Kronen haben und wenig Laub aufweisen.

Warum sind dann aber verhältnismäßig viele Bäume im Staatswalddistrikt Schneckenbühl zum Umsägen markiert? Auch dafür hat Röhrs eine logische Erklärung. Die allermeisten gekennzeichneten Bäume sind Hainbuchen. Sie wurden einst gesetzt, damit die Eichen ummantelt werden. Eine solche Ummantelung verhindert in der klassischen Eichenbewirtschaftung, dass die Eichen an den Stämmen Äste austreiben und dadurch das Stammholz entwertet wird.

In dem Wald stehen viele 150 Jahre alte Eichen

Nun, diese Hainbuchen haben in der Vergangenheit ihren Dienst perfekt erledigt, in dem Wald stehen sehr wertvolle, etwa 150 Jahre alte Eichen mit makellosem Stammholz. Und genau diese sollen erhalten werden, da sie laut Röhrs locker noch weitere 50 und mehr Jahre überleben können. Die jetzt geplante Maßnahme soll laut dem Forstexperten eben dies fördern. Denn die Hainbuche hat, nachdem sie ihren Zweck im Untergrund erfüllt hat, inzwischen mehrere negative Auswirkungen auf ihre Nachbarbäume. Röhrs zählt zwei auf. Erstens: Die Hainbuchen wachsen in die Kronen der Eichen hinein und beide Bäume konkurrieren um das lebenswichtige Licht und das dringend benötigte Kohlendioxid. Zweitens: Die Hainbuche ist auch ein großer Konkurrent beim Thema Grundwasser. Denn anders als ihr Name vermuten lässt, ist die Hainbuche (lateinisch Carpinus betulus) keine Buche, sondern gehört zu den Birkengewächsen (Birke: Betula pendula). Und die sind bekannt für ihren hohen Wasserbedarf.

„Der Shitstorm, der zuletzt über mich und meine Mitarbeiter hereingebrochen ist, ist völlig unverständlich.“
Martin Röhrs, Leiter des Forstbezirks Schwäbisch-Fränkischer Wald

Da die jüngeren Hainbuchen ihre Wurzeln oberflächennah haben, bleibt für die tiefwurzelnden, alten Eichen besonders in heißen Sommern wenig vom Niederschlag übrig, da dieser erst gar nicht in den Untergrund vordringen kann. Und solche Dürren wie in den Jahren 2018/2019 werden in der Zukunft laut den Klimaexperten aufgrund der Erderwärmung eher häufiger. Schon jetzt hat Röhrs auch bei den eigentlich sehr robusten Eichen Vitalitätseinschränkungen beobachtet. Erkennbar sei dies an der „schütteren Belaubung und absterbenden Ästen“. Und er betont einen Nebenaspekt: Dies stellt auch eine Gefahr für die Sicherheit der Spaziergänger dar, denn diese Äste können abbrechen und herunterstürzen.

Ein Shitstorm ist über den Forstmann hereingebrochen

Besonders kränkt den Forstmann, der die Gegend seit weit über 20 Jahren wie seine eigene Westentasche kennt, dass Kritiker ihm und dem Forst Baden-Württemberg Profitgier unterstellen. Deshalb betont er nochmals: „Die wirklich dicken und vitalen Eichen, mit denen man in der Tat Geld verdienen könnte, bleiben stehen und werden durch unseren Eingriff sogar gestärkt.“

Trotzdem – und dies ist kein Widerspruch – werden einige wenige Eichen umgesägt. Es sind laut Röhrs relativ wenige, die schwache Kronen und wenig Laub haben. Röhrs erklärt unmissverständlich: „Diese Bäume würden ohnehin über kurz oder lang absterben.“ Für die Kritik von völlig uninformierten Bürgern hat Martin Röhrs überhaupt kein Verständnis, „der Shitstorm, der zuletzt über mich und meine Mitarbeiter hereingebrochen ist, ist völlig unverständlich“. Die Reaktionen waren jedoch so heftig, dass die Stadtverwaltung sich an den Forstexperten gewandt hat mit der Bitte, er möge die Argumente für die Maßnahme auflisten, um so Verständnis in der Bevölkerung zu erzielen. So konnten zum Beispiel die Stadträte in der gestrigen Sitzung umfassend informiert werden.

Die Sicherheit von Spaziergängern spielt eine wichtige Rolle

Röhrs betont die Verdienste der Forstschaffenden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. So erinnert er an die Wiederaufforstung nach dem Orkan Lothar im Jahr 1999. In der Folge wurden robustere Bäume wie etwa die Elsbeere gepflanzt. Es wurde sehr bewusst Wert darauf gelegt, einen Wald zu schaffen, der dem Klimawandel trotzen kann. Der 58-Jährige erklärt voller Überzeugung: „Wir haben seit Lothar viel erreicht und vieles trägt meine Handschrift. Ganz konkret etwa im Plattenwald, das ist jetzt wieder ein Wald. Derzeit aber herrscht eine unsägliche Atmosphäre in der Bürgerschaft, einige wenige Kritiker sind total uneinsichtig, dabei habe ich nichts zu verbergen. Von Rodung kann in Sachsenweiler keine Rede sein.“ Des Weiteren verweist Röhrs darauf, dass seine Behörde auch die Verkehrssicherungspflicht habe und dafür sorgen müsse, dass Erholungssuchende nicht zu Schaden kommen. Da er davon überzeugt ist, seinen Job verantwortungsvoll zu machen, hat er für die in seinen Augen ungerechtfertigte Kritik absolut kein Verständnis.

Kommentar
Zu späte Information
Baumfällarbeiten beginnen im Oktober

Trafostation An der südwestlichen Ecke des Waldstücks werden drei Bäume gefällt, bei denen die aufgelisteten Argumente nicht zutreffen. In diesem Fall müssen die Bäume weichen, weil die Stadtwerke Backnang dort eine Trafostation errichten, um die Stromversorgung für die Bürger von Sachsenweiler zu optimieren und sicherzustellen.

Waldbegang Martin Röhrs und seine Mitarbeiter informieren die Bürger bei vielen Gelegenheiten über die geplante Maßnahme. Kurz vor den Arbeiten bieten die Forstexperten im September eine Bürgerinformationsveranstaltung beziehungsweise einen Waldbegang an, um die Hintergründe der nötigen Arbeiten zu erläutern. Die genauen Termine stehen noch nicht fest.

Im Oktober Die Baumfällarbeiten sollen voraussichtlich im Oktober dieses Jahres bei möglichst guten Witterungsverhältnissen vorgenommen werden, um so auch den Waldboden zu schonen.

Brennholz Das Holz der gefällten Hainbuchen ist altersbedingt relativ schwach und von geringer Qualität. Es wird laut Martin Röhrs überwiegend zu Brennholz verarbeitet und der örtlichen Bevölkerung zur Verfügung gestellt.

Biotop Der alte Eichenwald ist ein wertvolles Biotop für eine Vielzahl von seltenen Arten, sowohl bei der Fauna als auch bei der Flora. Martin Röhrs listet hier exemplarisch den Pirol auf. Der knallgelbe Charaktervogel bewohnt gerne lichte Laub- und Mischwälder.

Kein Kahlschlag Bei den Arbeiten handelt es sich um keinen starken Eingriff oder gar um einen Kahlschlag.

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Erstellt:
23. Juli 2021, 06:00 Uhr

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