Verfahren wegen Geburtstagsgruß
„Beispiel staatlicher Praxisferne“ – Boris Palmer bittet Innenminister um Hilfe
Ein Datenschutz-Verfahren wegen eines Geburtstagsgrußes im Amtsblatt bringt den Tübinger OB dazu, sich an Innenminister Strobl zu wenden. Das will Palmer erreichen.
© Christoph Schmidt/dpa
Boris Palmer bittet Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU), zum Thema „Geburtstagsglückwünsche im Amtsblatt“ eine Gesetzesinitiative zu prüfen.
Von Florian Dürr
Klaus Dehner aus dem Tübinger Stadtteil Unterjesingen wollte nicht, dass ihm öffentlich im Amtsblatt zu seinem 75. Geburtstag gratuliert wird. Auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen sei, wollte er aus dem Rathaus in seinem Ort wissen. Die Antwort stellte den Juristen nicht zufrieden, also wandte er sich an den baden-württembergischen Landesdatenschutzbeauftragten. Dass der gleich ein Verfahren gegen die Stadt Tübingen in die Wege leiten würde, das habe er nicht erwartet. Erfahren hat der 75-Jährige davon, als OB Boris Palmer die Sache kürzlich öffentlich gemacht hat.
Der parteilose Oberbürgermeister echauffierte sich über „Bürokratismus im Endstadium“ – und widmete dem Thema in den vergangenen Tagen mehrere Beiträge auf seiner Facebook-Seite. Jetzt wendet sich der Ex-Grüne wegen des Falls auch an Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU): „Ich möchte ein Problem schildern, das in vielen Rathäusern unseres Landes für unnötige Verwirrung sorgt“, schreibt Palmer am Anfang seines Briefes, „und das sich aus meiner Sicht mit einem einfachen legislativen Eingriff zuverlässig lösen ließe“.
Datenschutzrechtlerin: Landesgesetzliche Regelung wäre möglich
Aufgrund der aktuellen Gesetze drohe „eine Serie landesweiter Verfahren“, warnt Palmer: „Die Folge wäre entweder ein enormer zusätzlicher Verwaltungsaufwand durch nachträgliche Einholung individueller Einwilligungen oder die vollständige Einstellung der Gratulationen im Mitteilungsblatt.“ Für den Tübinger Rathauschef ist klar: „Beides ist weder praktikabel noch im Interesse der Bevölkerung.“ Statt sich bei jedem Jubilar die Einwilligung zu holen, plädiert Palmer für eine Widerspruchslösung.
Er bittet deshalb den Innenminister darum, „eine entsprechende Gesetzesinitiative zu prüfen und im Landtag einzubringen“. Tatsächlich wäre eine entsprechende landesgesetzliche Regelung denkbar, sagt die Potsdamer Datenschutzrechtlerin Zeynep Kenar unserer Zeitung. „Der Landesgesetzgeber kann besondere Verarbeitungssituationen regeln und einen Erlaubnistatbestand für die Verarbeitung von Daten zum Zwecke der Gratulation an Alters- und Ehejubiläen schaffen“, so die Juristin: „Dann braucht man keine Einwilligung mehr.“
Empfinger Bürgermeister verzichtet auf Glückwünsche im Amtsblatt
Seit 2015 gilt auch in Baden-Württemberg das Bundesmeldegesetz, das eine ausdrückliche Zustimmung der Jubilare zur Veröffentlichung im Amtsblatt vorschreibt. Die Reaktionen auf Palmers Ärger fielen unterschiedlich aus: Ein oberschwäbischer Ortsvorsteher berichtete unserer Zeitung, dass man in seiner Ortsverwaltung die vorherige Nachfrage bei den Jubilaren längst in die normalen Abläufe integriert habe.
Aus Öhringen (Hohenlohekreis) gab es Unterstützung für den Tübinger OB: „Datenschutz schützt, aber er darf nicht verhindern, dass wir Wertschätzung ausdrücken“, sagte Öhrigens Oberbürgermeister Patrick Wegener (SPD) dem „SWR“. Laut dem Bericht verzichtet Ferdinand Truffner, der Bürgermeister von Empfingen (Kreis Freudenstadt), seit 2015 komplett auf die Glückwünsche an die Jubilare im Amtsblatt. Der Aufwand sei ihm zu groß.
