Aserbaidschans Präsident: Strategisch wichtige Stadt erobert

dpa Baku/Eriwan. Aserbaidschan feiert die Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Schuscha im Kriegsgebiet Berg-Karabach. Das könnte einen baldigen Gesamtsieg bedeuten. Aber Armenien widerspricht. Und auch internationale Akteure melden sich zu Wort.

Rauch am Horizont: Bei den blutigen Kämpfen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften ist kein Ende absehbar. Foto: Uncredited/AP/dpa

Rauch am Horizont: Bei den blutigen Kämpfen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften ist kein Ende absehbar. Foto: Uncredited/AP/dpa

In der umkämpften Südkaukasusregion Berg-Karabach hat Aserbaidschan nach Angaben von Präsident Ilham Aliyev die strategisch wichtige Stadt Schuscha eingenommen.

„Mit einem großen Gefühl des Stolzes teilte ich mit, dass die Stadt Schuscha von der armenischen Okkupation befreit ist“, sagte Aliyev in einer Rede. Schuscha gilt als Schlüsselstadt, die Behörden in Berg-Karabach hatten selbst mitgeteilt, dass ihr Verlust am Ende auch eine Niederlage im Kampf um die ganze Region bedeute.

Aus Armenien, das die Stadt Schuschi nennt, gab es zunächst keine Bestätigung für den Verlust der Stadt. „In Schuschi gehen die Kämpfe weiter. Warten Sie und glauben Sie an unsere Streitkräfte“, teilte der Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums, Arzrun Owannissijan, in Eriwan mit. Berg-Karabach hatte am Sonntagmorgen von intensiven Kämpfen berichtet. Die Behörden bestätigten auch, dass wegen der intensiven Kämpfe die Städte evakuiert und die Menschen in Armenien in Sicherheit gebracht würden.

In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku feierten die Menschen mit Autokorsos und Hupkonzerten auf den Straßen, wie im Staatsfernsehen zu sehen war. „Schuscha - das Herz Aserbaidschans!“, sagte eine TV-Moderatorin glücklich. „Schuscha gehört uns! Karabach gehört uns!“, sagte Aliyev. „Wir sind zurück, heimatliches Schuscha!“, schrieb er bei Twitter. Eine Überprüfung der Angaben von unabhängiger Stelle war nicht möglich.

Schuscha liegt etwa zehn Kilometer von Stepanakert, der Hauptstadt von Berg-Karabach, entfernt. Aliyev kündigte an, bis zum Ende zu gehen. Er hatte bereits am Samstag von größeren Gebietsgewinnen berichtet - die Zahl der eroberten Orte stieg demnach auf mehr als 200 insgesamt. In Baku empfing Aliyev den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu und den Verteidigungsminister Hulusi Akar angesichts der Entwicklung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gratulierte den Aserbaidschanern und Präsident Aliyev telefonisch zum „Sieg“ in Schuscha. „Die Freude unserer aserbaidschanischen Geschwister ist auch unsere Freude“, sagte Erdogan am Sonntag in der westtürkischen Provinz Kocaeli auf einem Kongress seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Die „Befreiung von Schuscha“ sei ein Zeichen dafür, dass auch die Befreiung der übrigen besetzten Gebiete bevorstehe, sagte Erdogan.

Die schweren Gefechte um Berg-Karabach dauern seit dem 27. September an. Aserbaidschan verlor in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das bergige Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Aserbaidschan kann sich in dem Konflikt auf seinen „Bruderstaat“ Türkei berufen. Russland wiederum ist Schutzmacht Armeniens.

Der französische Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Kollege Wladimir Putin zeigten sich bei einem Telefonat am Samstag besorgt über die anhaltenden Kämpfe. Es würden „immer aktiver“ Extremisten aus Syrien und Libyen für die Kämpfe hinzugezogen, hieß es in einer Mitteilung des Kreml am Samstag. Putin erörterte nach Kremlangaben die Lage auch mit Erdogan. Ziel sei es, zu einer politisch-diplomatischen Lösung des Konflikts zurückzukehren, hieß es in Moskau.

Nach Informationen aus Élyséekreisen waren sich Macron und Putin einig, dass die Kämpfe beendet werden müssten. Die Hauptziele bestünden darin, den Verbleib des armenischen Volkes in der Region sicherzustellen und dem Leiden der Zivilbevölkerung ein Ende zu setzen, hieß es in Paris.

Armenien beklagt seit Wochen, dass islamistische Terroristen zu Tausenden als Söldner von Aserbaidschan und der Türkei in dem Konflikt eingesetzt würden. Eine offizielle Bestätigung, dass dort Kämpfer aus dem Nahen Osten im Einsatz sind, gibt es nicht.

In Armenien setzte Regierungschef Nikol Paschinjan einen neuen Geheimdienstchef ein, nachdem der erst vor einem Monat Ernannte in Ungnade gefallen war.

© dpa-infocom, dpa:201108-99-255828/4

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Erstellt:
8. November 2020, 11:21 Uhr

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