Krieg in Nahost

Berichte über greifbar nahe Waffenruhe im Libanon

Die Hisbollah und Israel sollen sich auf ein Abkommen geeinigt haben. Bald schon könnten die Waffen schweigen. Und einige hegen die Hoffnung, dass dies mehr sein könnte als nur eine Verschnaufpause.

Nach einem israelischen Luftangriff auf Dahieh, einem südlichen Vorort von Beirut, Libanon, steigt Rauch auf.

© Bilal Hussein/AP/Bilal Hussein

Nach einem israelischen Luftangriff auf Dahieh, einem südlichen Vorort von Beirut, Libanon, steigt Rauch auf.

Von Mareike Enghusen

Männer in khakifarbenen Uniformen, eine Maschinenpistole am Schulterriemen, die einen schmalen Fluss zwischen kahlen Bäumen überqueren: Auf den ersten Blick scheinen die Bilder, die Israels Armee, die IDF, am Dienstag veröffentlichte, wenig spektakulär. Für das israelische Publikum jedoch tragen sie hohe Symbolkraft: Bei dem Gewässer handelt es sich um den Litani-Fluss im Libanon, der in 30 Kilometer Entfernung parallel zur israelischen Grenze verläuft. Hinter diesen Fluss soll die Hisbollah sich zurückziehen: So will es zumindest das Waffenstillstandsabkommen, das bald in Kraft treten könnte.

Fragiler Friede

Am Dienstagabend sollte das israelische Sicherheitskabinett über ein solches Abkommen beraten. Die Chancen stehen Analysten zufolge gut, dass das Kabinett dafür stimmen wird. Auch aus Beirut waren zuversichtliche Botschaften zu hören. Das Abkommen würde den Krieg beenden, den die Hisbollah am 8. Oktober, einen Tag nach dem Angriff der Hamas, mit Raketenbeschuss auf Israel begonnen hatte – und zwar zu Bedingungen, die die jüngsten militärischen Erfolge der IDF widerspiegeln. Ob die Einigung allerdings eine langfristige Waffenruhe an Israels nördlicher Front gewähren kann, ist unter Analysten umstritten.

Aus israelischen und US-Medien sind Details der möglichen Einigung bereits bekannt: So soll es zunächst eine 60 Tage lange Übergangsphase geben, in der Israel seine Truppen aus dem Libanon abziehen soll. Die Hisbollah wiederum soll sich hinter besagten Litani-Fluss zurückziehen. Anschließend sollen die reguläre libanesische Armee sowie die UN-Friedenstruppe UNIFIL im Süden Libanons dafür sorgen, dass die Hisbollah nicht erneut in das Gebiet vordringt.

Die UN-Resolution 1701 nach dem Zweiten Libanonkrieg 2006 hatte ein ähnliches Arrangement vorgesehen – das jedoch nie durchgesetzt wurde. Die libanesische Armee hatte der seit Jahrzehnten vom Iran unterstützten Hisbollah nichts entgegenzusetzen. Israel aber hat die Hisbollah, die von westlichen Staaten als Terrororganisation gelistet wird, in den letzten Monaten stark geschwächt. Außerdem behält Israel sich das Recht vor, die Hisbollah weiterhin zu attackieren, sollte diese das Abkommen brechen. Berichten zufolge soll die USA Israel in einer Art Zusatz zu dem Waffenstillstand die Berechtigung dafür garantieren.

Nicht alle in Israel sind von der sich abzeichnenden Einigung überzeugt. „Dieser Waffenstillstand ist bestenfalls eine vorübergehende Pause, solange es keine konkrete Bemühungen gibt, die Autorität der libanesischen Regierung und ihre Fähigkeit, ihre Souveränität gegenüber destabilisierenden Kräften geltend zu machen, wiederherzustellen“, schreibt der israelische Analyst Avi Melamed dieser Zeitung. Er glaubt, dass die Hisbollah sich – wie schon oft – neu bewaffnen und zu alter Stärke zurückfinden wird.

Wandel im Libanon?

Der Militärexperte Danny Orbach von der Hebräischen Universität in Jerusalem sieht das Abkommen positiv. „Es war nie ein realistisches Ziel, die Hisbollah komplett auszulöschen“, sagt er dieser Zeitung. „Was Israel jedoch tun konnte, ist, die Hisbollah so zu schwächen, dass andere Fraktionen im Libanon die Gelegenheit haben, dafür zu sorgen, dass die Hisbollah dort nicht wieder zur dominanten Kraft wird. Das Abkommen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“

Orbach ist zuversichtlich, dass das Abkommen den Wiederaufbau der Hisbollah verhindern kann – zumal der Iran, ihr wichtigster Förderer, nach eigenem militärischen Schlagabtausch mit Israel geschwächt ist. Zudem drohten dem Iran unter einem US-Präsidenten Donald Trump schwere Sanktionen. Der Experte sieht die Hisbollah geschwächt. „Ich würde nicht sagen, das ist ein kompletter strategischer Sieg für Israel. Aber es ist uns gelungen, auf unser langfristiges Ziel hinzuarbeiten: politischer Wandel im Libanon. Unser endgültiges Ziel sollte ein Friedensabkommen zwischen Israel und dem Libanon sein.“

Zum Artikel

Erstellt:
26. November 2024, 15:36 Uhr
Aktualisiert:
27. November 2024, 10:13 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen