Betreuerin ergaunert 24000 Euro

Betreuungsverhältnis hat es einer 44-jährigen Mediengestalterin leicht gemacht.

Symbolfoto: Erwin Wodicka

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Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Schöffengericht muss sich eine 44-jährige Mediengestalterin wegen Untreue verantworten. Gute 20 Minuten nimmt die Verlesung der Anklageschrift in Anspruch. Insgesamt 24230 Euro soll die Angeklagte vereinnahmt haben, ein Betrag, der sich aus vielen kleinen Beträgen zusammensetzt. Jede einzelne Abhebung ist in der Anklageschrift mit Datum, Uhrzeit, Ort des Geldautomats und Betrag aufgelistet. Reichlich Stoff für den vorlesenden Staatsanwalt.

Von Februar 2016 bis Ende 2018 war die Angeklagte Betreuerin einer alten Dame. Wie die Betreuung vonstattengehen sollte, war mit der Betreuten, deren Sohn und der Mediengestalterin abgesprochen worden. Schriftliche Vereinbarungen gab es nicht. Ihre Dienste sollten der 44-Jährigen mit 500 Euro monatlich abgegolten werden. Dazu erhielt die alte Dame aus den Händen ihrer Betreuerin 300 Euro Taschengeld im Monat. Hierzu erhielt die 44-Jährige Vollmacht über das Konto der alten Frau.

Die monatlichen Abhebungen beliefen sich aber oft über weitaus höhere Beträge. Das erklärte die Angeklagte damit, dass sie auch alle sonstigen Ausgaben für ihre Klientin bedienen sollte, etwa den Gang zur Fußpflege, den Friseurtermin, den Einkauf. Von diesen Ausgaben Belege zu sammeln, unterließ die Betreuerin. Überhaupt wurde es der 44-Jährigen verstattet, reichlich Bargeld für die Betreute bei sich zu verwahren. Die Angeklagte rechtfertigte dies vor dem Schöffengericht zusätzlich damit, dass sie behauptete, die betreute Dame sowie ihr Sohn hätten nicht verstanden, mit Geld umzugehen. Und doch muss die Geschäftsbesorgung der Betreuerin auf Dauer Misstrauen bei der alten Frau und ihrem Sohn erregt haben. Ende 2018 erstatteten sie Anzeige. Anfang 2019 zahlte die 44-Jährige dann auch 12000 Euro an ihre ehemalige Klientin zurück.

Viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Das Schöffengericht tut sich angesichts der Zahlenmenge und der verwickelten Beziehung von Betreuerin und Betreuter schwer mit der Aufklärung des Sachverhalts. Dazu kommt, dass zwei Gebärdendolmetscherinnen jede einzelne Frage für die Angeklagte übersetzen müssen. Diffizile Fragen bleiben auf diesem Wege unbeantwortet. Ungeklärtes kommt hinzu. Die 44-Jährige kaufte sich just 2018 zusammen mit ihren Schwiegereltern ein Ferienhaus in Kroatien. Kostenpunkt immerhin 51000 Euro.

Der Vorsitzende Richter macht schließlich den Vorschlag, das Verfahren auf 25 Taten beziehungsweise besonders auffällig hohe Abhebungen zu beschränken. Damit wird zugleich das Strafmaß begrenzt, vorausgesetzt, die Angeklagte zeige sich geständig. Eine gute halbe Stunde berät sich der Verteidiger mit der 44-Jährigen. Und gibt danach im Namen seiner Mandantin eine entsprechende Erklärung ab.

Der Staatsanwalt würdigt in seinem Plädoyer das Geständnis der Angeklagten. Über drei Jahre hinweg habe sich die Angeklagte ein nicht „unerhebliches Zubrot verdient“. Solches sei in einem Betreuungsverhältnis nicht zu dulden. „Es ist Untreue“, sagt er. Zudem sei von Gewerbsmäßigkeit auszugehen. Er will die Taten mit zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung geahndet haben. Zudem schlägt der Anklagevertreter vor, der 44-Jährigen 60 Stunden gemeinnützige Arbeit aufzuerlegen. Der Verteidiger kann da nur in die Waagschale werfen, dass die Sache seiner Mandantin durch die fehlende Überwachung leicht gemacht wurde. Mit dem Strafvorschlag des Staatsanwalts ist er einig.

Eine gute Viertelstunde berät das Schöffengericht. Der Urteilsspruch nimmt den Vorschlag des Staatsanwalts auf. Auch die Arbeitsauflage macht sich das Gericht zu eigen. Zieht man von dem durch die 44-Jährige verursachten Schaden die Rückzahlungssumme ab, verbleiben 12230 Euro. Die Verurteilte hat über diese Summe sogenannten Wertersatz zu leisten. Das heißt, das Geld zurückzuzahlen, das sie sich unrechtmäßigerweise angeeignet hat.

Aber auch hier urteilt das Schöffengericht gnädig. Schließlich sei der 44-Jährigen über den Tatzeitraum Entgelt für ihre Dienste zugestanden. So werden nochmals 4000 abgezogen. Aber die verbleibenden 8230 Euro muss die Mediengestalterin zurückzahlen. Weil sich Verurteilte wie auch Staatsanwalt mit dem Urteilsspruch zufriedengeben und keine Einwände erheben, ist das Urteil sofort rechtskräftig.

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Erstellt:
21. April 2021, 06:00 Uhr

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