Bienenschutz? Nicht um jeden Preis

Volksbewegung Artenschutz will Pestizide drastisch verringern – Landwirte im Kreis schlagen Alarm

Unter dem Motto „Rettet die Bienen“ setzt sich das Institut „Pro Biene“ mit einer Volksbewegung für die Artenvielfalt ein. Viele Bauern sehen jetzt ihre Existenz gefährdet, denn ganz ohne Pestizide könne keine Landwirtschaft betrieben werden. Vor allem Kunden müssten umdenken, dass der Apfel nicht perfekt aussehen muss.

„Wir wollen nicht nur die Bienen, sondern insgesamt die Arten schützen“, sagt Sven Prange von Pro Biene. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

„Wir wollen nicht nur die Bienen, sondern insgesamt die Arten schützen“, sagt Sven Prange von Pro Biene. Foto: A. Becher

Von Celine Dieterich

WAIBLINGEN. Jedes Kind kennt sie: die Biene Maja. Gemeinsam mit ihrem Freund Willi fliegt sie durch die Wiesen und erlebt Abenteuer. Auch die heimische Remstal-Gartenschau hat einen summenden Helden in Form der Biene Remsi. Allerdings kann es sein, dass es unsere summenden Freunde bald nicht mehr gibt. Experten warnen seit Jahren, dass die Artenvielfalt in Deutschland gefährdet ist. Aus diesem Grund gab es in diesem Jahr in Bayern erfolgreich eine Volksbewegung, die sich für den Artenschutz und vor allem für den Erhalt der Bienen einsetzte.

Auch in Baden-Württemberg gibt es inzwischen so eine Volksbewegung. Das Institut „Pro Biene“ kommt aus Stuttgart, organisiert das „Volksbegehren Artenschutz“ und hat ambitionierte Pläne: „Wir wollen nicht nur Bienen schützen, sondern insgesamt die Arten schützen“, erklärt Sven Prange von Pro Biene. Nach Angaben des Weltbiodiversitätsrates sind inzwischen rund eine Millionen Arten vom Aussterben bedroht. Dies betreffe nicht nur die Artenvielfalt weltweit, sondern – natürlich in Relation – auch die Biodiversität in Baden-Württemberg.

„Weinbau ist ohne Pflanzenschutz nicht möglich“

Die konkreten Ziele der Volksbewegung sind, den Anteil ökologischer Landwirtschaft in BW bis 2035 auf 50 Prozent zu erhöhen, den Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten so gut wie zu verbieten und den allgemeinen Pestizideinsatz bis 2025 auf 50 Prozent zu reduzieren. Dabei will sie nicht mit Verboten arbeiten, sondern die Landesregierung dazu bringen, einen Plan auszuarbeiten, um mit Fördermaßnahmen Anreize für Bauern zu schaffen, freiwillig umzusteigen. Denn laut Prange arbeiten in Baden-Württemberg schon viele Bauern ohne chemisch-synthetischen Pestizideinsatz, unter anderem die elf Prozent der Betriebe, die ökologisch arbeiten.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist eine von vielen Organisationen, die das Volksbegehren unterstützt. Bruno Lorinser vom Nabu Waiblingen erklärt: „Etwa die Hälfte der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt und viele Probleme im Bereich der Biodiversität resultieren aus diesem Bereich. Dabei geht es nicht darum, Schuldige zu suchen und darauf mit dem Finger zu zeigen, sondern es geht darum, aus den Problemen zu lernen und es besser zu machen.“ Dass man in der Landwirtschaft ohne Pestizide auskommen könne, zeige der Öko-Landbau.

Dem widerspricht Hermann Hohl, Präsident des Weinbauverbands Württemberg. Sie sind zwar noch bei der Bewertung der Forderungen des Institutes „Pro Biene“, doch stellt er klar, dass „Weinbau und der Erhalt der Kulturlandschaft ohne Pflanzenschutz nicht möglich“ seien. Sie würden zwar gerne darauf verzichten, aber die Trauben würden durch Pilze sonst vernichtet werden. Er erklärt zudem, dass es zwar pilzresistente Rebsorten gibt, aber diese nicht auf Dauer pilzresistent seien und nach einer Weile auch Pestizide brauchen würden.

Hermann Hohl ist derselben Meinung wie Ernst Häcker, Präsident des Erwerbsobstbaurings Rems-Murr. Beide sagen, dass die Bauern in ihren Verbänden schon viel für die Artenvielfalt tun würden, dies nur von den meisten nicht bemerkt werden würde. Hermann Hohl spricht dabei gar von einem eigenen Fehler, da man dies nicht so in der Öffentlichkeit kundgetan habe.

Ernst Häcker, selbst Obstbauer, sieht den Fehler vor allem beim Kunden: „Die Leute suchen die Fehler bei anderen“, sagt er. Ohne Pestizide könne das Obst nicht mehr so produziert werden, wie der Verbraucher das möchte. Viele Kunden schreckt es nun mal ab, wenn nicht jeder Apfel perfekt rund und rot ist. Zudem hätten Obstbauern laut ihm fast keine Mittel mehr im Einsatz, die schädlich für Bienen sind. Er fügt hinzu: „Wenn das Volksbegehren durchgeht, dann ist der Weinbau im Remstal tot.“ Der Landwirt argumentiert, dass ohne Pflanzenschutzmittel keine Landwirtschaft möglich ist – weder bio noch konventionell.

Info
Landratsamt sieht Forderungen der Volksbewegung kritisch

„Der Rems-Murr-Kreis setzt sich schon lange für einen effektiven Klima- und Umweltschutz ein“, heißt es aus dem Landratsamt des Rems-Murr-Kreises. Den Forderungen von „Pro Biene“ steht man kritisch gegenüber.

So freue man sich zwar über Engagement für die Nachhaltigkeit, allerdings hätten die geforderten Maßnahmen „weitreichende Folgen auch für die landwirtschaftlichen Betriebe im Rems-Murr-Kreis und könnten für viele der regionalen und kleinbäuerlichen Familienbetriebe sogar eine Existenzbedrohung darstellen“.

Der Rems-Murr-Kreis wäre von den Forderungen besonders betroffen. Hier sind viele Flächen Naturschutzgebiete, die von Pflanzenschutzmitteln abhängig sind, denn ohne sie gäbe es vor allem beim Obst- und Weinbau „erhebliche Erschwernisse sowie deutliche Qualitäts- und Ertragseinbußen“. Auch im ökologischen Landbau werden Pflanzenschutzmittel benutzt, die dann auch verboten wären. Bereits jetzt werden zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen im Rems-Murr-Kreis ökologisch angebaut. Damit liegt der Kreis über dem Landes- und Bundesdurchschnitt.

Die landwirtschaftlichen Betriebe sind laut Landratsamt sehr bemüht, den Pflanzenschutzmitteleinsatz so gering wie möglich zu halten. Es gilt das Motto „So viel wie nötig – so wenig wie möglich“. Zusätzlich nutzt man neue Techniken, Prognosemodelle für den richtigen Einsatz und alternative Strategien.

Generell will das Landratsamt den Ökolandbau unterstützen. Würden alle Bauern auf Ökolandbau umsteigen, aber der Kunde wäre nicht bereit, für diese Lebensmittel mehr Geld auszugeben, sondern würde lieber weiter im Supermarkt günstig einkaufen, wäre das Angebot allerdings größer als die Nachfrage. Dies würde die Preise sinken lassen und für Verluste sorgen – keinem wäre geholfen.

Um den Ökolandbau trotzdem zu fördern und gegen den Verbrauchertrend zu wirken, „setzt sich das Landratsamt für eine Erhöhung des Anteils an biologischen und regionalen Lebensmitteln in Landkreiskantinen ein“. Bis Ende 2020 sollen alle kreiseigenen Kantinen ein Konzept entwickelt haben, damit biologisches Essen aus der Region serviert wird.

Doch auch die Bürger können einiges tun, um zu helfen: Das Landratsamt gibt einige Tipps, was man machen kann, um selbst etwas für die Artenvielfalt zu tun. So sollten Gartenbesitzer lieber blühende Pflanzen säen, als sich „Steingärten“ oder einen „Englischen Rasen“ anzulegen.

Zudem gibt es einige Pflanzen, die sehr gerne von Bienen angeflogen werden – zum Beispiel Kräuter, die man auch in einem Balkonkasten wachsen lassen kann, wenn man keinen eigenen Garten hat. Logischerweise hilft es auch, regional und biologisch einzukaufen. Zuletzt kann man bei einer Aktion des Landesbauernverbandes eine Blühpatenschaft übernehmen. Bauern legen dann Blumenwiesen an.

Zum Artikel

Erstellt:
11. September 2019, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen