Böhmermann: Will SPD-Chef werden

dpa Berlin/Köln. Steht Jan Böhmermann bald in einer Reihe mit Ex-Entertainern wie Donald Trump, Beppe Grillo und Wolodymyr Selenskyj? Er behauptet, als SPD-Chef kandidieren zu wollen. Die Sozialdemokraten sind nicht amüsiert.

Jan Böhmermann will in die Politik. Sagt er zumindest. Foto: Sven Hoppe

Jan Böhmermann will in die Politik. Sagt er zumindest. Foto: Sven Hoppe

Der Satiriker Jan Böhmermann hat mit seiner Ankündigung, in letzter Minute SPD-Vorsitzender werden zu wollen, Deutschlands älteste Partei überrascht und provoziert. „Demokratie ist ein System der Laien“, sagte Böhmermann über sein Politikverständnis.

„Wenn man sich als Politprofi fühlt, ist es Zeit, das System wieder zu verlassen.“ Am Vorabend hatte er im „Neo Magazin Royale“ (ZDFneo) erklärt: „Ich, Jan Böhmermann, möchte Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands werden.“

Der frühere SPD-Chef Willy Brandt (1913-1992) sei ihm im Traum erschienen und habe gesagt: „Du musst es machen, der Olaf (Scholz) ist 'ne Pfeife.“ Der Komiker startete eine Kampagne unter dem Hashtag #neustart19. Kritiker zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Aktion. Außerdem könnte sie schon an der knappen verbleibenden Zeit scheitern.

Der ZDFneo-Moderator hat nach eigener Darstellung schon vier der fünf nötigen Unterbezirke hinter sich. Sie hätten ihm ihre Unterstützung zugesichert, sagte er in einer Online-„Bürgersprechstunde“. Böhmermann nannte keine Namen. Es gibt deutschlandweit 393 Unterbezirke der Partei. Sollte der Komiker tatsächlich genug Unterstützer haben, wäre damit aber noch nicht sein Problem gelöst, erst SPD-Mitglied werden zu müssen. Aus der Partei heißt es dazu, dass Böhmermann nur an seinem Wohnort aufgenommen werden kann. Der sozialdemokratische Bezirksbürgermeister seines Heimatortes Köln-Ehrenfeld, Josef Wirges, lehnt die Aufnahme strikt ab.

Förmliche Voraussetzung einer Kandidatur ist die Unterstützung von mindestens fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband. Die Abgabefrist läuft am Sonntag um 18 Uhr ab. Böhmermann sagte, er habe den Unterbezirken, die auf seiner Seite seien, einen Antrag auf Mitgliedschaft zukommen lassen. Er wolle der Partei helfen.

„Ich bin Demokrat“, sagte Böhmermann. „Wenn ich jemanden sehe, der so derart am Boden liegt - egal ob das jetzt ein Penner ist, der im Kontoauszugsraum bei der Deutschen Bank liegt, besoffen in der Kälte - dann hole ich den natürlich da raus und rufe einen Krankenwagen. Das ist so meine DNA. Und so bin ich natürlich auch im Politischen.“

Böhmermanns Zeitplan gilt in der SPD als „sehr sportlich“, wie zu hören war. Wie ernst er es meint, war am Freitag unklar. „Ob das Satire ist oder nicht, entscheidet sich am Sonntag um 18 Uhr.“ Wenn er antreten dürfe, werde er weitermachen, sagte er. Obwohl einige SPD-Politiker im Netz mit humorvollen Kommentaren reagierten, löste der Vorstoß in der Partei, die seit Monaten in einer Krise steckt, offensichtlich vor allem Unmut aus.

Böhmermann kann sich zum Beispiel im Heimatort Köln-Ehrenfeld kaum Hoffnung aufs Parteibuch machen. „Darüber entscheidet der zuständige Ortsverein, in diesem Fall der Ortsverein Ehrenfeld, in dessen Vorstand ich auch tätig bin“, sagte Bezirksbürgermeister Wirges. „Sicherlich werde ich dort sagen: "Der Herr kann machen, was er will, aber aufnehmen tun wir ihn nicht."“

Auch in Bremen, wo Böhmermann aufwuchs, reagiert man eher angefasst. „Die Voraussetzung für eine Kandidatur ist eine SPD-Mitgliedschaft, und man sollte schon länger in der Partei sein, um sie etwas zu kennen“, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Roland Pahl.

Der in der SPD gut vernetzte frühere Sprecher des Parteivorstands, Tobias Dünow, reagierte mit scharfen Vorwürfen. „Sich über Politik und Parteien lustig zu machen, war mal mutig. Heute ist es "Mainstream", in der Politik würde man sagen: Populismus“, schrieb Dünow, Dienststellenleiter der niedersächsischen Landesvertretung in Berlin, auf Twitter. In den sozialen Netzwerken bewegten sich die Kommentare allgemein vor allem zwischen Belustigung und Irritation.

Bislang hat der SPD-Wahlvorstand bei sieben Kandidatenduos die nötige Unterstützung anerkannt. Dies sind: Scholz und die Brandenburger Landtagsabgeordnete Klara Geywitz; Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping; Europa-Staatsminister Michael Roth und die ehemalige nordrhein-westfälische Familienministerin Christina Kampmann; die beiden Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer; die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, und der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner; Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange und Alexander Ahrens; sowie die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis und der Verdi-Chefökonom Dierk Hirschel. Auch Böhmermann sucht für den Fall der Fälle eine Frau als Co-Kandidatin, wie er selbst herausstellte.

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Erstellt:
30. August 2019, 16:41 Uhr

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