Börse mit gutem Gewissen - Trend zur nachhaltigen Geldanlage

dpa Frankfurt/Main. Geld verdienen mit Firmen, die mit Waffen, Kohle oder Tabak handeln? Für viele Anleger kommt das nicht in Frage, selbst große Investoren dringen auf saubere Geschäfte. Nun plant die EU dazu neue Regeln für Sparer. Manchen gehen die zu weit.

Die Skulpturengruppe "Bulle und Bär" vor der Börse in Frankfurt. Viele Anleger dringen auf saubere Geschäfte. Foto: Silas Stein/dpa

Die Skulpturengruppe "Bulle und Bär" vor der Börse in Frankfurt. Viele Anleger dringen auf saubere Geschäfte. Foto: Silas Stein/dpa

Nachhaltige Investments werden bei deutschen Anlegern immer beliebter. Fonds, die Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung bei der Geldanlage berücksichtigen, haben großen Zulauf, wie Daten des Branchenverbands BVI zeigen.

Demnach hat sich das verwaltete Vermögen in nachhaltigen Publikumsfonds, in die private und Profianleger investieren dürfen, binnen fünf Jahren mehr als verdoppelt: Von 15 Milliarden Euro Ende September 2014 auf 31 Milliarden Euro in diesem Herbst. Druck kommt von der EU, die das Thema zwingend in Bank-Beratungsgesprächen für Sparer verankern könnte.

Waren nachhaltige Geldanlagen einst nur bei wenigen Kirchen- und Genossenschaftsbanken verbreitet, überbieten sich heute Banken und Fondsanbieter mit Angeboten zu sauberen Investments. Nicht zuletzt, weil der grüne Zeitgeist das Thema vorantreibt: Angesichts des Mega-Themas Klimawandel und des Rummels um die Aktivistin Greta Thunberg sehen sich auch die Finanzmärkte mehr unter Zugzwang.

Noch aber sind nachhaltige Fonds eine Nische. Am gesamten Vermögen in Publikumsfonds von zuletzt 1,079 Billionen Euro (1079 Mrd Euro) Ende September haben sie rund drei Prozent Marktanteil. „Bei Privatanlegern ist das Thema noch nicht in der Breite angekommen“, sagte Sina Hartelt, Nachhaltigkeitsexpertin bei der Rating-Agentur Scope.

Bei nachhaltigen Fonds werden meist Aktien von Firmen, die Geld mit Kohle, Öl, Tabak, Waffen oder Alkohol verdienen, ausgeschlossen. Danach wählen Anbieter oft aus dem übrigen Anlageuniversum die „Klassenbesten“ - den saubersten Chemiekonzern oder Autohersteller. Und manche Ansätze zielen darauf, mit Finanzanlagen eine gute Wirkung zu hinterlassen, also etwa sauberere Meer („Impact Investing“).

Bisher spielen saubere Anlagen vor allem für Großanleger wie Pensionskassen und Stiftungen eine Rolle. Laut BVI haben sie über Spezialfonds gut 50 Milliarden Euro nachhaltig investiert. Und dem Fondsanbieter Union Investment zufolge berücksichtigen 72 Prozent der Profi-Investoren in Deutschland Kriterien wie Umwelt und Soziales.

„Für viele Konsumenten hat Nachhaltigkeit bei ihren laufenden Einkäufen - von Babynahrung bis Haushaltsprodukte - bereits einen hohen Stellenwert“, heißt es auch bei der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS. „Ihnen ist aber nicht bewusst, dass sie auch beim Thema Geldanlage darauf achten können.“

Das könnte sich bald ändern: Denn die EU fördert nachhaltige Anlagen, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Brüssel will den Ausstoß an Treibhausgasen in der EU bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Die Kommission schätzt, dass dafür jährlich 180 Milliarden Euro klimafreundlich investiert werden müssten. Da öffentliche Investitionen dafür nicht reichen, sollen Private ermuntert werden.

Künftig soll etwa ein „Paris-Label“ Investments kennzeichnen, die mit dem Klimaabkommen im Einklang stehen. Das soll verhindern, dass Finanzprodukte zu Unrecht als „grün“ etikettiert werden. „Künftig wird es für Investoren einfacher sein, klimafreundliche Projekte auszuwählen“, sagte der rumänische Finanzminister Eugen Teodorovici.

Der Druck dürfte nachhaltige Geldanlagen antreiben, meint der BVI. Denn Bankberater könnten nach dem Willen von Brüssel schon 2021 verpflichtet sein, Sparer zu fragen, ob sie ihr Geld nachhaltig anlegen wollen - Dokumentation inklusive.

Auch zwingende Hinweise auf Klimafolgen von Investments werden diskutiert. Noch steht das nicht fest. Der Fondsverband sieht die Pläne kritisch: Was Kapitalverwalter nicht bräuchten, seien „starre Vorgaben, die dazu führen, dass Anleger nicht mehr frei entscheiden können, worin sie investieren“.

Unterdessen gewinnt der Trend an Fahrt, weil sich große Namen der Finanzwelt öffentlichkeitswirksam grün zeigen. Die Allianz etwa hat mit anderen Versicherern und Fonds ein Bündnis gegründet, das die CO2-Emissionen ihrer Anlagen bis 2050 auf netto Null senken will. Und die Deutsche Bank finanziert schon länger keine neuen Kohlekraftwerke mehr. Auch machen Umweltinitiativen Druck: Die 15 weltgrößten Vermögensverwalter nutzten ihre Marktmacht nicht genug für klimafreundliche Investments, monierte die Initiative InfluenceMap.

Bei nachhaltigen Anlagen spielen indes nicht nur karitative Motive eine Rolle. So hat der Dieselskandal bei VW vielen Investoren vor Augen geführt, dass es sich lohnen kann, auf gute Unternehmensführung zu achten: Die Aktie des Autobauers brach zwischenzeitlich ein. Auch wollen Großanleger Klagerisiken, etwa bei Tabakfirmen, ausschließen.

Wer Geld „sauber“ anlegt, muss auch nicht auf Rendite verzichten. Im Gegenteil: Nachhaltige Aktienfonds mit europaweitem oder globalem Fokus schneiden über drei und fünf Jahre betrachtet im Schnitt leicht besser als herkömmliche Konkurrenzprodukte, zeigen Scope-Daten.

„Die Erkenntnis, dass sich nachhaltige Investments oft auszahlen, wächst, sagte Hartelt von Scope. Fondsmanager stellten Firmen häufiger kritische Fragen, etwa zu Arbeitsbedingungen bei Zulieferern. Hartelt beobachtet bei Finanzhäusern zuletzt „extrem viel“ Bewegung. „Manche stellten ganze Teams mit Nachhaltigkeitsexperten ein.“

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Erstellt:
4. Dezember 2019, 09:19 Uhr

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