Boom in der Paket-Branche bleibt aus

dpa Berlin. Die Corona-Krise hat für einen Schub im Online-Handel gesorgt - und die Zusteller der Pakete an die Belastungsgrenzen gebracht. Gleichzeitig blieben aber auch viele Lieferungen aus.

Trotz der hohen Nachfrage im Online-Handel während der Corona-Krise erwartet die Paket-Branche keinen rasanten Zuwachs der Umsätze. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Trotz der hohen Nachfrage im Online-Handel während der Corona-Krise erwartet die Paket-Branche keinen rasanten Zuwachs der Umsätze. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Paketmengen auf „Vorweihnachtsniveau“ und Zusteller als Helden der Pandemie: Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise war die Paket-Branche schnell im Gespräch, wenn es um vermeintliche Gewinner der Krise ging - doch ganz so rosig sieht die Realität nicht aus.

„Wir sind nicht die Gewinner der Krise, aber wir haben bewiesen, dass wir auch in der Krise stabil und verlässlich arbeiten“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Paket & Express Logistik (Biek), Marten Bosselmann, bei der Vorstellung einer aktuellen Studie in Berlin.

Ein zentrales Ergebnis: Der Einbruch von Geschäftssendungen, also dem B2B-Geschäft, hinterlässt spürbare Einbußen in der eigentlich florierenden Branche.

Ab Mitte März schlossen die Geschäfte in Deutschland für mehrere Wochen die Türen, die Menschen saßen zuhause. Wer einkaufen wollte, tat das online. Doch trotz der hohen Nachfrage im Online-Handel während der Corona-Krise erwartet die Paket-Branche keinen rasanten Zuwachs der Sendungsmengen.

Zu groß sind dafür die Rückgänge im Business-Bereich. Viele Läden im Einzelhandel brauchten keine Warenlieferungen mehr, Fabriken standen still, Produktionsketten waren unterbrochen. Auch nach den ersten Lockerungen ist der Normalzustand weit entfernt.

So erwartet Biek bei den nationalen Business-to-Business (B2B)-Paketsendungen einen coronabedingten Rückgang von drei bis fünf Prozent. Das hat großen Einfluss auf die Branche: 2019 machten die Business-Sendungen fast die Hälfte des Gesamtvolumens aus, was 1,6 Milliarden transportierten Sendungen entspricht.

Die Gesamtprognose sieht daher auch weniger rosig aus, als es die überlasteten Zustellfahrzeuge im April und Mai erwarten ließen. So rechnet der Verband, in dem sich die großen DHL-Wettbewerber wie Hermes oder DPD vereinigen, für das Jahr 2020 maximal mit 1,5 Prozent mehr Paket-, Express- und Kurier-Sendungen als im Jahr zuvor, in einem pessimistischeren Szenario jedoch vielleicht sogar mit einem Prozent weniger.

2019 hingegen verzeichnete sie einen Anstieg von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Blickt man weiter zurück, legte das Wachstum in ähnlichem Maße zu: Seit 2000 stiegen die Sendungsmengen dank des Online-Handels stetig an, im Schnitt pro Jahr um 4,1 Prozent.

Wachstumstreiber wird im Corona-Jahr 2020 in jedem Fall der Privatkundenmarkt sein, der dank vielen privaten Bestellungen nach Hause bei den nationalen Paketsendungen um 3,5 bis 7 Prozent wachsen soll. Da der Trend bereits seit Jahren zum Online-Shopping geht, könnte Corona hier ein zusätzlicher Beschleuniger sein.

Langfristig ist der Branchenverband, in dem sich die großen Wettbewerber von DHL vereinigen, daher weiter optimistisch und sagt einen Anstieg des Sendungsvolumens bis 2024 auf 4,48 Milliarden voraus. 2019 waren es 3,65 Milliarden Sendungen. Darin sind Kurier-, Express- und Paketsendungen zusammengefasst. Der Umsatz der Branche lag im vergangenen Jahr bei 21,3 Milliarden Euro und damit nach Angaben des Verbandes erstmalig über der Marke von 21 Milliarden Euro. Er steigerte sich gegenüber dem Vorjahr um 4,4 Prozent.

Auch beim Branchenriesen DHL richtet man sich weiter darauf ein, dass die Paketmengen auf hohem Niveau bleiben. In Ludwigsfelde in Brandenburg wurde am Mittwoch ein Zentrum fertiggestellt, in dem ab 2022 mit einer speziellen Technik pro Stunde 50 000 Pakete sortiert werden sollen. Nach Angaben des Paket-Dienstleisters ist es nach den Zentren in Obertshausen in Hessen und Bochum in Nordrhein-Westfalen bundesweit das dritte des Unternehmens mit einer solchen Kapazität.

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Erstellt:
17. Juni 2020, 13:01 Uhr

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