Brexit: Boris Johnson will „frühes Weihnachtsgeschenk“

dpa Telford. Der Brexit steht im Fokus der britischen Parlamentswahl. Doch auch bei Gesundheitswesen und sozialen Themen überbieten sich die Parteien gegenseitig mit teuren Versprechen.

Boris Johnson hat seinen Landsleuten versprochen, im Fall eines Wahlsieges die Einkommenssteuer, Sozialversicherung und Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Boris Johnson hat seinen Landsleuten versprochen, im Fall eines Wahlsieges die Einkommenssteuer, Sozialversicherung und Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Der britische Premierminister Boris Johnson hat vor einer weiteren Verzögerung beim Austritt Großbritanniens aus der EU gewarnt.

„Lasst uns den Brexit liefern! Dann können wir uns ganz auf die Prioritäten der Menschen in Großbritannien konzentrieren“, rief Johnson seinem Publikum bei der Vorstellung des Wahlprogramms seiner Konservativen Partei in Telford zu. Die Stadt in den West Midlands hatte sich im Brexit-Referendum 2016 mehrheitlich für einen EU-Austritt ausgesprochen. Das Tory-Wahlprogramm biete eine „Vision für die Zukunft“ des Landes, sagte der Regierungschef. Die Briten wählen am 12. Dezember ein neues Parlament.

Johnson versprach Milliardeninvestitionen in den maroden nationalen Gesundheitsdienst NHS, 20.000 zusätzliche Polizisten zur Verbrechensbekämpfung sowie ein punkte-basiertes Einwanderungssystem. Er sicherte den Briten zu, dafür weder Einkommenssteuer, Sozialversicherungsbeiträge noch Mehrwertsteuer zu erhöhen.

Kritik übte Johnson an Labour-Chef Jeremy Corbyn. Das von Labour geplante zweite Referendum über ein Brexit-Abkommen verschwende nur wertvolle Zeit. Zudem gingen die Wahlversprechen der Sozialdemokraten mit Steuererhöhungen einher. „Lasst uns bis 2050 klimaneutral werden und bis Weihnachten Corbyn-neutral“, witzelte Johnson in Anspielung auf das Wahldatum und die Klimaziele seiner Partei.

Der Premier hatte schon vor der Vorstellung des Wahlprogramms versprochen, das Ratifizierungsgesetz für das Brexit-Abkommen noch vor Weihnachten durch das Parlament bringen - als „frühes Weihnachtsgeschenk“. Ein EU-Austritt bis Ende Januar sei machbar, schrieb er bei Twitter.

In Umfragen liegen die Tories deutlich vor den anderen Parteien. Doch hat Großbritannien ein Mehrheitswahlrecht; nur wer in einem der 650 Wahlkreise die Mehrheit holt, bekommt auch den entsprechenden Sitz im Parlament. Der Sieg ist Johnson daher noch nicht sicher.

Die Liberaldemokraten und die Labour-Partei hatten ihre Wahlprogramme bereits am Mittwoch und Donnerstag vorgestellt. Die großen Themen sind neben dem geplanten EU-Austritt eine Reform des NHS, Wirtschaft und Infrastruktur, Arbeit und Soziales und das Klima.

Brexit:

Das wichtigste Wahlversprechen der Konservativen ist, den EU-Austritt bis zum 31. Januar 2020 mit dem nachverhandelten Brexit-Deal zu vollziehen.

Labour verspricht, binnen drei Monaten ein neues Brexit-Abkommen zu verhandeln. Anschließend sollen die Briten in einem zweiten Referendum die Wahl zwischen einem Brexit mit enger Anbindung an die EU oder einem Verbleib in der Staatengemeinschaft haben.

Die Liberaldemokraten versprechen, den Brexit zu stoppen. Sollten sie an die Macht kommen, wollen sie den Austrittsantrag Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft laut Artikel 50 der EU-Verträge sofort zurücknehmen - ohne weiteres Referendum.

Gesundheitsversorgung:

Die Konservativen versprechen zusätzliche 34 Milliarden Pfund pro Jahr (39,6 Mrd Euro) für den NHS. Zudem wollen sie über einen Zeitraum von zehn Jahren 40 neue Krankenhäuser bauen sowie zusätzliche 6000 Ärzte und 50.000 Krankenschwestern einstellen.

Die Labour-Partei will die Privatisierung des Gesundheitswesens stoppen. Dazu verspricht das Wahlprogramm eine Ausgabensteigerung von rund 4,3 Prozent pro Jahr.

Die Liberaldemokraten wollen jedes Jahr sieben Milliarden Pfund zusätzlich in den Gesundheitsdienst NHS und in die Pflege hilfsbedürftiger Menschen investieren. Finanziert werden sollen die Investitionen über die Einkommensteuer.

Klima:

Die Konservativen wollen Großbritannien bis 2050 klimaneutral machen. Rund 6,3 Milliarden Pfund sollen investiert werden, um Häuser und Wohnungen energiesparender zu machen, etwa durch Wärmedämmung.

Die Labour-Partei verspricht eine „grüne industrielle Revolution“, die das Land zwischen 2030 und 2040 klimaneutral machen und eine Million neuer Jobs schaffen soll.

Die Liberaldemokraten setzen auf erneuerbare Energien, eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs und eine höhere Besteuerung von Vielfliegern. Großbritannien soll bis 2030 mindestens 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen.

Wirtschaft und Infrastruktur:

Die Konservativen wollen mehr in die Infrastruktur investieren - vor allem in die Sanierung von Straßen. Zugleich wollen sie Arbeitnehmer und Betriebe bei Aus- und Weiterbildungsprogrammen unterstützen.

Die Labour-Partei will die Wasser- und Energieversorgung sowie das Eisenbahnnetz und die Post verstaatlichen. Auch der Telekommunikationsriese BT soll teilverstaatlicht werden.

Die Liberaldemokraten wollen rund 130 Milliarden Pfund in Infrastrukturprojekte in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung, Schulen, Krankenhäuser und Wohnungsbau investieren.

Arbeit und Soziales:

Die Konservativen wollen zusätzlich eine Milliarde Pfund für die Kinderbetreuung ausgeben. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Betreuung am Nachmittag und während der Ferien.

Die Labour-Partei will einen existenzsichernden Mindestlohn von 10 Pfund pro Stunde einführen. Große Unternehmen sollen ihre Mitarbeiter an den Profiten beteiligen. Kinder im Alter zwischen zwei und vier Jahren sollen Anspruch auf 30 Stunden Gratisbetreuung pro Woche bekommen. Zudem will Labour jährlich 150.000 neue Wohnungen bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen.

Die Liberaldemokraten wollen Dienstleistern ohne garantierte Mindestarbeitszeit eine Lohnerhöhung von 20 Prozent zusichern. Alle Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren sollen Anspruch auf 35 Stunden Gratisbetreuung pro Woche haben, Kinder von arbeitenden Eltern bereits ab neun Monaten. Jedes Jahr sollen 300.000 neue Häuser und Wohnungen gebaut werden - davon 100.000 Sozialwohnungen.

Zum Artikel

Erstellt:
24. November 2019, 17:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen