Bringt Omikron die Testinfrastruktur ins Wanken?

dpa Berlin. Corona-Tests sorgen für etwas Gewissheit in der Pandemie. Wegen der in die Höhe schnellenden Zahlen werden es mehr und mehr. Reichen die PCR-Tests? Und kommen die Labore beim Auswerten noch nach?

In einem Testzentrum wird von einer Mitarbeiterin ein Abstrich für einen Corona-Schnelltest genommen. Foto: Sina Schuldt/dpa

In einem Testzentrum wird von einer Mitarbeiterin ein Abstrich für einen Corona-Schnelltest genommen. Foto: Sina Schuldt/dpa

Omikron verbreitet sich in Windeseile - und ein Höchstwert bei Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz jagt derzeit den nächsten. Vor jedem gezählten Corona-Fall stehen ein positiver PCR-Test und dessen Erfassung.

Die schiere Testmenge treibt Labore und Gesundheitsämter an ihre Kapazitätsgrenzen. Und immer lauter stellt sich die Frage: Werden die PCR-Tests knapp?

„In Norddeutschland sind die Testlabore schon am Limit. Wir haben hier inzwischen Positivraten von 30 bis 40 Prozent, ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagt der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, der Deutschen Presse-Agentur. Mittlerweile seien mehr als 90 Prozent der detektierten Corona-Infektionen auf die Omikron-Variante zurückzuführen, sagte der Lübecker Mediziner. „Wir sehen, dass es jetzt auch in mittel- und süddeutschen Laboren ordentlich anzieht.“

Kapazitätsgrenze überschritten

Vielerorts seien die Kapazitätsgrenzen der Labore bereits überschritten, was bedeute, dass die angestrebte Dauer von 24 Stunden vom Abstrich bis zum Testergebnis oft nicht mehr eingehalten werden könne. Bobrowski ist sicher: „Da werden wir überall an unsere Grenzen stoßen.“ Bei der Wartezeit sehe er „ganz klar die 36 bis 48 Stunden auf uns zukommen“ – die Infektions- und damit Testzahlen dürften schließlich vorerst weiter steigen.

Doch was, wenn obendrein nicht mehr genug PCR-Tests für alle zur Verfügung stehen? Der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) teilt am Dienstag mit, in der Vorwoche habe die Auslastung der Labore im bundesweiten Durchschnitt bei 86 Prozent gelegen. Mit fast zwei Millionen in einer Woche durchgeführten PCR-Tests sei ein Allzeithoch erreicht worden. „Die Lage ist tatsächlich ernst, die Labore sind an den Kapazitätsgrenzen und darüber hinaus“, sagt der ALM-Vorsitzende Michael Müller.

Dass PCR-Tests in manchen Pandemiephasen knapp werden können, ist grundsätzlich in die Planungen einbezogen. Generell sieht die Nationale Teststrategie bei nur noch begrenzter Kapazität eine Priorisierung von PCR-Tests vor. Vorrang haben dann etwa Menschen mit Covid-19-Symptomen und Kontaktpersonen von nachgewiesen Infizierten. Doch auch der Schutz von Menschen mit besonders hohen Corona-Risiken beispielsweise im Gesundheitswesen steht im Vordergrund.

Müller: PCR-Tests durch Antigentests ersetzen

Müller bekräftigt erneut seinen Appell, die Teststrategie schneller und konsequenter anzuwenden, um eine Überlastung der Labore und der Fachkräfte zu vermeiden. PCR-Tests müssten da, wo es sinnvoll und möglich sei, zum Beispiel durch Antigentests ersetzt werden. Er verwies auf hochwertige laborbasierte Antigentests, die den Bedarf an PCR-Tests sinnvoll reduzieren könnten.

Auch Labormediziner Bobrowski verweist auf die vorgesehene Priorisierung der Testungen und Auswertungen. Er gibt zu bedenken, dass durch die nach und nach in Kraft tretenden neuen Bestimmungen zum früheren Freitesten aus der Corona-Quarantäne oder -Isolierung eine zusätzliche Testflut zu erwarten sei. Bei diesen Tests müsse ebenfalls eine entsprechende Priorisierung greifen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dazu gesagt, für diese Freitestungen aus der Quarantäne habe er veranlasst, dass es für Gesundheitspersonal einen Vorrang bei der Labor-Auswertung gebe. Um PCR-Tests zu „sparen“, sind sie auch nur für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Einrichtungen für Behinderte beim Freitesten verpflichtend. Ansonsten sollen auch Schnelltests verwendet werden können.

Gesundheitsämter ächzen

Doch nicht nur die Labore ächzen unter dem Testansturm. Für die deutschen Gesundheitsämter bedeuten die Rekordinzidenzen eine neue Dimension der Anstrengung bei der Erfassung und Kontaktnachverfolgung. Von einigen Seiten werden erneut Forderungen nach einer kurzfristigen Aufstockung des Personals laut, um die sich immer mehr verästelnden Infektionsketten im Blick behalten zu können.

„Die Arbeitsbelastung im Meldesystem ist extrem hoch“, stellt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, angesichts der Höchstzahl an positiven PCR-Tests seit Pandemiebeginn klar. Schließlich müsse bei jeder Meldung eines Labors über einen positiven Test vom Gesundheitsamt vor Weitergabe an Land und Bund geprüft werden, ob es sich um einen neuen Fall handele oder beispielsweise nur eine versuchte Freitestung.

Schwierige Kontaktverfolgung

Zwar seien die Gesundheitsämter leistungsfähiger als vor der Pandemie, gleichzeitig führten die Infektionszahlen aber auch zu Höchstbelastungen in der Kontaktnachverfolgung. Besonderes Augenmerk werde auf Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen gelegt. Die Flut an Neuinfektionen könne bei den Ämtern inzwischen bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit führen, mahnt Dedy. „Dann müssen die Gesundheitsämter priorisieren.“ Mit Blick auf eine mögliche Einschränkung der Kontaktnachverfolgung halte er es am sinnvollsten, sich vorrangig auf enge Familienangehörige oder andere enge Kontaktpersonen zu konzentrieren.

Dedy fordert etwa klare Leitlinien auch für eine Priorisierung der Kontaktnachverfolgung und appelliert an die Selbstverantwortung der Menschen beim Einhalten der Quarantäneregeln. „Sobald man einen positiven Test hat, muss man zuhause bleiben.“ Dafür brauche es meist nicht erst den Bescheid eines Gesundheitsamtes.

© dpa-infocom, dpa:220118-99-747954/4

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Erstellt:
18. Januar 2022, 05:54 Uhr

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