Wikileaks-Gründer Julian Assange

Staatsfeind für die einen, Kämpfer für Meinungsfreiheit für die anderen

Der inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange darf in Großbritannien erneut Berufung gegen seine Auslieferung an die USA einlegen. Das entschied der Londoner High Court am Montag nach einer Anhörung.

Der inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange darf in Großbritannien erneut Berufung gegen seine Auslieferung an die USA einlegen (Archivfoto).

© picture alliance/dpa/PA Wire/Dominic Lipinski

Der inhaftierte Wikileaks-Gründer Julian Assange darf in Großbritannien erneut Berufung gegen seine Auslieferung an die USA einlegen (Archivfoto).

Von red/AFP

Julian Assange hat noch eine Chance auf Freiheit bekommen: Der inhaftierte Wikileaks-Gründer darf in Großbritannien noch einmal Widerspruch gegen seine Auslieferung an die USA einlegen, wie ein Gericht in London am Montag entschied. Diese Berufung könnte dann über lebenslange Haft für den 52-Jährigen entscheiden. Bei seiner Frau Stella und seinen Anhängern keimt nun aber neue Hoffnung auf.

In den USA wird Assange als Staatsfeind verfolgt, weil er auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks Geheimdokumente über mutmaßliche Verbrechen der US-Armee veröffentlichte. Für seine Unterstützer hingegen ist Assange ein Held im Kampf um Presse- und Meinungsfreiheit. Seine Inhaftierung und die Strafverfahren gegen ihn sehen sie als politisch motiviert an.

Seit fünf Jahren sitzt Assange in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. In den USA droht dem Wikileaks-Gründer lebenslange Haft. „Wenn er ausgeliefert wird, wird er sterben“, befürchtet seine Frau Stella. Seine körperliche und psychische Verfassung sei schlecht, jeder weitere Tag im Gefängnis eine Gefahr für sein Leben.

USA wollen Assange wegen Spionage den Prozess machen

Gutachter beschreiben Assange als depressiv und suizidgefährdet. „Es geht ihm nicht gut“, sagte auch sein Anwalt Edward Fitzgerald zu Beginn einer Anhörung im Februar, deshalb sei Assange nicht vor Gericht erschienen. Auch am Montag nahm er nicht an der Sitzung teil.

Die USA wollen Assange wegen Spionage den Prozess machen. Ab 2010 veröffentlichte Wikileaks mehr als 700.000 vertrauliche Dokumente über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA vor allem im Irak und in Afghanistan. Die Dokumente enthalten brisante Informationen, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.

Schon jetzt hat Assange einen hohen Preis für seine Enthüllungen bezahlt. 2012 floh er in die ecuadorianische Botschaft in London. Damals wurde ihm in Schweden Vergewaltigung vorgeworfen - ein Verfahren, das später eingestellt wurde. Ecuador gewährte dem Australier politisches Asyl und er versteckte sich sieben Jahre lang in der Botschaft.

Nach Machtwechsel in Ecuadorianer: Assange an britische Polizei übergeben

Dort verliebte er sich in seine damalige Anwältin und heutige Frau Stella und bekam mit ihr zwei Kinder. Doch nach einem Machtwechsel in Quito übergaben die Ecuadorianer Assange 2019 der britischen Polizei. Seither wird er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons festgehalten - unter Bedingungen, die der damalige UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, nach einem Besuch als „psychische Folter“ beschrieb.

Der 1970 im australischen Queensland geborene Assange wuchs bei seiner Mutter auf, einer Künstlerin, mit der er in den ersten 15 Lebensjahren in mehr als 30 Orten in Australien lebte. Später studierte er in Melbourne Mathematik, Physik und Informatik und bekam seinen ersten Sohn.

Bereits als Teenager entdeckte Assange sein Talent als Hacker und knackte die Websites der Nasa und des Pentagon. Mehrfach musste er deswegen Geldstrafen zahlen. 2006 gründete Assange mit gleichgesinnten Aktivisten und IT-Experten Wikileaks. „Wir schaffen einen neuen Standard für eine freie Presse“, sagte er 2010.

Verdacht: Assange arbeite mit Russland zusammen

Wikileaks sorgte für Aufsehen, etwa 2010 mit der Veröffentlichung eines Videos, das tödliche Schüsse aus einem US-Kampfhubschrauber auf zwei Journalisten und irakische Zivilisten in Bagdad im Jahr 2007 zeigte. Die Aufnahmen lösten international Empörung aus. Auch heikle Informationen zum Afghanistan-Einsatz der USA wurden öffentlich.

Assanges Image als weißhaariger „Cyber-Warrior“ litt im Laufe der Jahre - insbesondere als Wikileaks 2016 während des US-Präsidentschaftswahlkampfs tausende E-Mails aus dem Team der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton veröffentlichte, was dem Republikaner Donald Trump zugute kam. Laut dem US-Geheimdienst stammten die Dokumente von russischen Agenten, was Wikileaks jedoch bestreitet. Diese Veröffentlichung nährte bei Kritikern den Verdacht, Assange arbeite mit Russland zusammen.

Als Wikileaks Dokumente ungeschwärzt veröffentlichte und damit Quellen gefährdete, brachte Assange das auch die Kritik jener Medien ein, die zuvor mit ihm zusammengearbeitet hatten. Dennoch forderten „Der Spiegel“, die „New York Times“ und andere Zeitungen 2022 Washington auf, die Anklage gegen Assange fallen zu lassen: „Denn Journalismus ist kein Verbrechen.“

Auslieferung von Assange: Eine neue Runde der Berufung

Dennoch stimmte die britische Regierung im Juni 2022 der Auslieferung von Assange an die USA zu, die von einem Gericht zuvor gebilligt worden war. Danach wuchs bei seinen Anhängern die Furcht, dass Assange bald ausgeliefert werden könnte. Er legte Berufung ein, der High Court in London sollte entscheiden, ob ein solcher Widerspruch überhaupt noch möglich ist. Hätte das Gericht dies nun abgelehnt, dann hätte Assange tatsächlich schnell abgeschoben werden können. Nun aber geht es in eine neue Runde Berufung.

Hoffnung setzt Assanges Familie auch darauf, dass Australien und die USA der Strafverfolgung müde werden. Im April erklärte US-Präsident Joe Biden, dass die USA ein australisches Ersuchen prüfen werden, die Strafverfolgung von Assange zu beenden.

Zum Artikel

Erstellt:
20. Mai 2024, 14:16 Uhr
Aktualisiert:
20. Mai 2024, 16:31 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen