Parteien in Deutschland
„Brombeer-Koalition“ statt Grüne
Brombeeren sind derzeit in aller Munde – zumindest im politischen Betrieb einiger Bundesländer. Doch was ist damit eigentlich gemeint, und woher kommt der Begriff?
Von Michael Bosch/dpa
Einige Monate nach der Landtagswahl in Thüringen haben sich die Spitzen von CDU, SPD und BSW auf die Grundsätze einer Brombeer-Koalition verständigt. Stacheliges Obst ist "in" - die Grünen sind womöglich "out" - zumindest in Ostdeutschland. Auch die CDU bekommt mehr Einfluss.
Aber was genau ist eine Brombeer-Koalition? Der Politik-Betrieb auf Bundes- und Landesebene ist immer auch ein Spiel der Farben. Und in diesem mischen immer mehr Akteure (und neue Parteien) mit. Mit dem Einzug des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam in drei ostdeutschen Bundesländern ein weiterer Farbton dazu. Das Blau der AfD ist inzwischen bundesweit vertreten (teilweise mit „Sperrminorität“) – nur den Länderparlamenten in Bremen und Schleswig-Holstein gehören die Rechten nicht an.
Bislang bedienten sich Medien und Parteienforscher bei der Namensfindung für eine Koalition bei Ländern und ihren Flaggen. Die Jamaika-Koalition steht für ein Bündnis von CDU, Grünen und FDP. Von ihr war in Deutschland erstmals 2005 die Rede. Eine erste Kenia-Koalition aus Union, Grünen und SPD kam 2016 in Sachsen-Anhalt zustande und fand 2019 Nachahmung in Brandenburg und Sachsen. Die gescheiterte Koalition aus SPD, Grünen und FDP hätte zwar auch eine Litauen- oder eine Guinea-Koalition sein können – durchgesetzt hat sich aber die „Ampel“.
Was ist die Brombeer-Koalition?
Bei den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2024 sind nun Konstellationen aufgetreten, die das Spektrum bei Nationalflaggen erschöpfen. Eine Regierungsmehrheit ist beispielsweise für ein Büdnis aus CDU, SPD und BSW möglich. Da es kein Land auf der Welt gibt, das die Farben Schwarz (für CDU), Rot (für SPD) und Lila (für das Bündnis Sahra Wagenknecht) zusammen in seiner Fahne verwendet, muss nun die Natur herhalten.
Als „Brombeer-Koalition“ wird ein mögliches Bündnis aus CDU, SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bezeichnet. Die Frucht dient als Namensgeber, weil sie in unterschiedlichen Reifegraden die Parteifarben der möglichen Koalitionäre aufweist. Der Begriff wird dem Parteienforscher Karl-Rudolf Korte zugeschrieben. Der Professor von der Universität Duisburg-Essen hatte ihn in einem Essay mit Thesen zu den Landtagswahlen im Osten verwendet.
Ob solche Koalitionen tatsächlich gebildet werden, steht noch in den Sternen. Zumindest in Thüringen und Sachsen hat man sich aber auf den Weg gemacht. In Thüringen sind bereits Sondierungen vereinbart. In Brandenburg hat sich die CDU gegen Koalitionsgespräche mit dem BSW entschieden, die SPD wäre dafür zu haben gewesen.
„Brombeer-Koalition“ statt unbeliebte Grüne
Nach Umfrageergebnissen war schon vor den Wahlen zu erwarten gewesen, dass das BSW fortan ein wichtiges Wort bei der Regierungsbildung in ostdeutschen Ländern spielen wird. Da, wo einst die Linken den Status einer Volkspartei genossen und sogar in Regierungsverantwortung kamen, tat sich mit ihrem Niedergang Raum für Neues auf.
Tatsächlich erreichte das BSW in Brandenburg, Sachsen und Thüringen aus dem Stand zweistellige Ergebnisse und wird teilweise in den Landeskabinetten vertreten sein. Denn Bündnisse mit der AfD hat die Union ausgeschlossen. In Brandenburg kam das BSW zuletzt auf 13,5 Prozent der Zweitstimmen, in Sachsen und Thüringen waren es zuvor 11,8 beziehungsweise 15,8.
Koalitionen in deutschen Bundesländern
- Nordrhein-Westfalen: CDU, Grüne
- Schleswig-Holstein: CDU, Grüne
- Hamburg: SPD, Grüne
- Niedersachsen: SPD, Grüne
- Berlin: CDU, SPD
- Hessen: CDU, SPD
- Bremen: SPD, Grüne, Linke
- Brandenburg: bisher SPD, CDU, Grüne („Kenia-Koalition“)
- Mecklenburg-Vorpommern: SPD, Linke
- Rheinland-Pfalz: SPD, Grüne, FDP („Deutschland-Koalition“)
- Sachsen-Anhalt: CDU, SPD, FDP („Jamaika-Koalition“)
- Sachsen: CDU, Grüne, SPD („Kenia-Koalition“)
- Bayern: CSU, Freie Wähler
- Thüringen: Linke, SPD, Grüne (Minderheitsregierung)
- Baden-Württemberg: Grüne, CDU
- Saarland: SPD
Brombeer-Koalition bestimmt in Ostdeutschland
In allen drei Ländern ist eine Fortsetzung des bisherigen Bündnisses nicht mehr möglich. In Thüringen und Brandenburg kam der grüne Koalitionspartner abhanden, weil er es gar nicht mehr in den Landtag schaffte. In Sachsen sind die Grünen nun zu schwach. In Brandenburg sind die Grünen nicht mehr im Landtag, die Wahlsiegerin SPD ist auf das BSW angewiesen – denn allein mit der CDU reicht es nicht. Nach schwierigen Sondierungen in Sachsen will das BSW dort allerdings nicht in eine Koalition mit CDU und SPD eintreten. Stattdessen gibt es dort nun ein Zweierbündnis, das indirekt jedoch auf eine Tolerierung durch die Wagenknecht-Partei angewiesen sein dürfte. Alternativ könnte die CDU theoretisch auch versuchen, in Einzelfragen mit der AfD zu paktieren. Das aber könnte die Zusammenarbeit mit der SPD torpedieren und zu Neuwahlen führen.