Brücken prägen das Ortsbild von Weissach im Tal

Wie sieht es um den aktuellen Zustand der Weissacher Brücken aus? Wie es um sie bestellt ist und ob sie für den Zweck, den sie erfüllen sollen, noch geeignet und sicher sind, das hat der Weissacher Bauingenieur Klaus Warstat im Blick.

Bauingenieur Klaus Warstat begutachtet die Brücke am Unterweissacher Rathaus. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Bauingenieur Klaus Warstat begutachtet die Brücke am Unterweissacher Rathaus. Fotos: Alexander Becher

Von Armin Fechter

Weissach im Tal. Die Tower Bridge in London, die Golden Gate Bridge bei San Francisco, die Rialtobrücke in Venedig oder die Karlsbrücke in Prag – allesamt legendäre Bauwerke, Monumente menschlichen Schaffens. Doch auch in der näheren Umgebung stehen Prachtstücke, von denen eine unbändige Faszination ausgeht, etwa die Kochertalbrücke, ein gigantisches Konstrukt und mit 186 Metern über dem Grund die höchste Brücke in Deutschland. Oder das Murrtal-Viadukt in Backnang, der über 400 Meter lange Stahlbetonriese.

Weniger pompös machen sich die Brücken im Weissacher Tal aus. Hier gibt es viele Wasserläufe und folglich viele Brücken – die einen haben rein funktionalen Charakter, andere stellen echte Schmuckstücke dar und prägen das Ortsbild. Wie es um sie bestellt ist, ob sie für den Zweck, den sie erfüllen sollen, noch geeignet und sicher sind, das hat der Weissacher Bauingenieur Klaus Warstat im Blick. Der Inhaber eines Büros für Baustatik in Backnang, das sein verstorbener Vater Kurt Warstat 1964 gegründet hat, kümmert sich im Auftrag der Tälesgemeinde um die lokalen Brücken.

Die Lange Brücke misst 34 Meter.

© Alexander Becher

Die Lange Brücke misst 34 Meter.

Einige davon mussten in den zurückliegenden Jahrzehnten saniert respektive erneuert werden. Ein Beispiel dafür ist die Brücke, die in der Ringstraße in Cottenweiler über den Allmersbach führt: Das alte Bauwerk hatte über mehrere Generationen seine Aufgabe erfüllt. Doch der zunehmende Straßenverkehr und die immer schwerer gewordenen Fahrzeuge hatten der Steinkonstruktion schon sehr zugesetzt. Früher oder später hätte eine Belastung auftreten können, die das Tragwerk überfordert hätte – eine Erneuerung war daher geboten.

Bei der Brücke über den Brucher Bach zwischen Oberweissach und Bruch kam laut Warstat eine ganz spezielle Technik zum Einsatz: Der Landkreis baute bei der Erneuerung ein Maulprofil ein – ein ovales Rohr aus einem starken Wellblech, das für den Bach wie ein Durchlass funktioniert. Solche geschlossenen Rahmensysteme sind heute jedoch nicht mehr zulässig – aus Gründen des Natur- und Artenschutzes. Stattdessen werden jetzt wieder nach unten offene Bauweisen ohne eine Bodenplatte praktiziert, damit das Wasser auf natürliche Art durchfließen kann.

Der Bau erfolgte vermutlich um das Jahr 1800

Der Zahn der Zeit nagt aber auch an Fußgängerbrücken. Zwei historische Exemplare – noch dazu ausnehmend schöne – stehen in Unterweissach. Die eine befindet sich gleich beim Rathaus. Sie verbindet den Marktplatz beziehungsweise die Friedensstraße mit dem Welzgraben und führt über den Brüdenbach. Drei hübsch gerundete Steinbögen bilden die Grundlage für den 22,5 Meter langen Überweg. Wann die Brücke errichtet wurde, ist nicht bekannt. Warstat verweist auf die älteste dort angebrachte Hochwassermarke: 1819. Er vermutet daher, dass der Bau um 1800 erfolgte.

Als die Brücke vor einigen Jahren saniert werden musste, offenbarte sich ein spezielles Problem: Nach den heute gültigen Vorschriften müsste das Geländer aus Sicherheitsgründen einen Meter hoch sein, wegen der Absturzgefahr – das vorhandene aber hat nur 75 Zentimeter Höhe. Und es dürfte keinen Zwischenraum geben, der größer als zwölf Zentimeter ist, um kindersicher zu sein. Auch das ist nicht erfüllt. Den Sicherheitsanforderungen steht allerdings, so Warstat, der Denkmalschutz gegenüber und das Dilemma ist bis heute nicht gelöst. Keine Probleme solcher Art machten bei ihrer Sanierung die Brücke über die Weißach beim Aldi, wo die Stahlträger durchgerostet waren, und die Brücke auf dem Gelände des Bildungszentrums, wo die Träger noch weiter in Gebrauch bleiben konnten, aber ein neues, mit Ziegeln eingedecktes Dach aus Holz und Stahl errichtet wurde.

Die zweite historische Fußgängerüberführung

Außer der Brücke beim Rathaus gibt es in Unterweissach noch eine zweite historische Fußgängerüberführung: die Lange Brücke, die ihren Namen nicht von ungefähr hat, denn sie misst 34 Meter und damit fast zwölf Meter mehr als ihr Gegenstück. Auch sie ruht auf drei Steinbögen, die allerdings gestreckter und damit flacher sind, und auch hier ist das Baujahr nicht bekannt. Warstat nimmt aber an, dass der Bau auf die Zeit um 1800 zurückgeht. Steinbögen waren einst die gängige Bauweise für Brücken, erklärt der 57-Jährige. Die Handwerker bauen dabei zunächst aus Holz eine sogenannte Lehre. Auf dieser vorgeformten Hilfskonstruktion werden dann die Steine aufgesetzt und wenn der Bogen komplett und alles fest ist, werden die Hilfen entfernt.

„Zuerst“, so ergänzt Karl-Heinz Häusser vom Heimatverein Weissacher Tal, „hat es nur Fußgängerbrücken gegeben. Die Leute sollten trockenen Fußes über den Bach hinüberkommen.“ Für Leute, die mit einem Fuhrwerk unterwegs waren, gab es an geeigneten Stellen Furten.

Der Lauf des Brüdenbachs wurde korrigiert

Aber Häusser hat noch mehr Erstaunliches zu berichten. Noch bis gegen 1825 nahm nach seinen Erkenntnissen der Brüdenbach einen anderen Lauf als heute: Das Wasser sei prall auf die Weißach zugeströmt. Das habe dazu geführt, dass es öfter Rückstau gab und die Wiesen im Bereich der Mündung ständig nass waren – eine sumpfige Fläche, die auf Dauer hinderlich war. Man begann, das Feuchtgebiet trockenzulegen, indem man den Lauf des Brüdenbachs korrigierte: Er sollte nun nach rechts abschwenken und in spitzem Winkel in die Weissach einmünden. Das ermöglichte es, wie der 74-Jährige berichtet, zwei separate Brücken für Fuhrwerke zu bauen. An beiden Stellen stehen heute noch Brücken, freilich in moderner Bauweise. Aber: Ohne Korrektur und Trockenlegung hätte es einer sehr aufwendigen, weit ausgreifenden Konstruktion bedurft.

Der Hochwasserschutz ist auch ein riesiges aktuelles Problem, wie Warstat erklärt: Viele Brücken müssten – wie die Aspacher Brücke in Backnang – erhöht werden, um ein größeres Durchflussvolumen zu erzielen und Überflutungen zu verhindern. Aber das würde auch höhere Zufahrten erfordern – und das sei vielfach den Anwohnerinnen und Anwohnern nicht zuzumuten.

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Erstellt:
6. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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