Umweltpolitik

Brüssel plant das Aus des harten Verbrenner-Aus?

Ab 2035 könnten weiterhin Verbrenner zugelassen werden – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Aus der EU-Kommission sickern nun Details zu einem geplanten Vorschlag durch.

Havanna-Effekt nennt man das Festhalten an alten Autos – auf Kuba sind Neufahrzeuge nahezu unerschwinglich

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Havanna-Effekt nennt man das Festhalten an alten Autos – auf Kuba sind Neufahrzeuge nahezu unerschwinglich

Von Knut Krohn

Die deutsche Autoindustrie kann aufatmen – zumindest ein bisschen. Das harte und äußerst umstrittene Verbrenner-Aus ist offensichtlich vom Tisch. Die EU-Kommission will kommende Woche vorschlagen, dass unter bestimmten Bedingungen auch nach 2035 Neuwagen mit Verbrennertechnologie zugelassen werden können. Umweltverbände reagieren entsetzt auf die Nachricht und fordern, an der bisherigen Planung festzuhalten. „Mit diesem Vorschlag wird die Kommission zum Totengräber der hiesigen Autoindustrie und des europäischen Klimaschutzes“, sagt Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland.

Einige Fragen zu Zulassungen sind noch unklar

Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich 2022 eigentlich darauf geeinigt, dass Neuwagen in der EU ab 2035 im Betrieb kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen dürfen. Hintergrund sind die sogenannten Flottengrenzwerte, die eine Reduktion des CO2-Ausstoßes von neu zugelassenen Autos bis 2035 um 100 Prozent vorsehen. Elektroautos gelten als emissionsfrei. Neuwagen mit Verbrennermotor, die vor 2035 zugelassen werden, dürfen auch nach diesem Datum weiter den Straßen fahren.

Die EU-Kommission will nun offensichtlich Ausnahmen etwa für Plug-in-Hybride zulassen. Ebenso für E-Autos mit sogenannten Range-Extendern, bei denen kleine Verbrennungsmotoren die Reichweite erhöhen. Zudem soll es möglich sein, ausgestoßene Klimagase durch andere Maßnahmen vollständig kompensieren zu können. Dies wäre zum Beispiel durch den Einsatz von umweltfreundlich hergestelltem „grünen Stahl“ denkbar. Unklar ist aber weiter, ob klassische Benzin- und Dieselfahrzeuge etwa mit Biokraftstoffen weiter zugelassen werden dürfen. Das ist eine der Forderungen der Autoindustrie, die von „hocheffizienten Motoren“ spricht.

Die Autobauer, die schon jetzt mit massiven Absatzproblemen zu kämpfen haben, warnen im Falle eines zu harten oder unklar vorgegebenen Übergangs zur E-Mobilität vor dem Havanna-Effekt. Das bedeutet, dass die Menschen ihre alten Autos so lange wie möglich fahren, um den Kauf eines Neuwagens hinauszuzögern, bis Klarheit über die Zukunft herrscht, beschreibt der Sprecher eines deutschen Autobauers ein mögliches Szenario.

Schlecht für Umwelt falls Verbraucher alte Verbrenner länger fahren

Zum anderen könnte es sein, dass sich sehr viele Autofahrer kurz vor 2035 noch einmal einen gängigen Verbrenner kaufen, weil sie der ihnen bekannten Technik vertrauen. Für die Fahrzeugindustrie wäre beides eine große Herausforderung, weil es sehr schwierig wäre, die Produktion zu planen.

Würden die Verbraucher ihre alten Autos länger fahren und nicht auf die neusten Technologien setzen, würde sich das auf jeden Fall negativ auf die Umwelt auswirken, sagt der Industriesprecher. Das im Grunde gut gemeinte Verbrenner-Aus wäre in diesem Fall also eher kontraproduktiv.

Druck aus Italien, Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen und Slowakei

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach sich in den vergangenen Wochen immer wieder vehement für Änderungen an dem geplanten Verbot aus. Erst Ende November bat er die EU-Kommission in einem Brief, die Regulierung zum Verbrenner-Aus zu korrigieren. Nach 2035 sollten neben rein batterieelektrischen Fahrzeugen weiterhin Fahrzeuge mit doppeltem Antrieb – also Batterie und Verbrenner – zugelassen werden. Zuvor hatte sich die schwarz-rote Koalition darauf verständigt, sich auf EU-Ebene auch für die Zulassung „hocheffizienter Verbrenner“ einzusetzen. Die Pläne der EU-Kommission, das sogenannte Verbrenner-Aus zurückzunehmen, stoßen in Deutschland auf breite Zustimmung. Knapp zwei Drittel der Bundesbürger unterstützen das Vorhaben, wie eine repräsentative Umfrage zum ZDF-„Politbarometer“ ergab. Demnach sind 63 Prozent der Meinung, dass auch nach 2035 noch Autos mit Verbrennungsmotoren wie Benziner oder Diesel neu zugelassen werden sollten. Gut ein Drittel (32 Prozent) der Befragten ist dagegen.

Druck auf die EU-Kommission in Sachen Verbrenner-Aus kommt allerdings nicht nur aus Deutschland. Auch Italien, Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei forderten in einem Brief an Brüssel Anfang Dezember noch weitreichendere Lockerungen. In diesen Ländern stößt das Hochlaufen der E-Mobilität auf noch größere Schwierigkeiten. Größte Probleme bereitet etwa der Ausbau der notwendigen Ladeinfrastruktur für Elektroautos.

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Erstellt:
12. Dezember 2025, 17:36 Uhr

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