Klimawandel

Brüssel sieht EU-Klimaziele in greifbarer Nähe

Bis 2030 sollen die Emissionen in Europa um mehr als die Hälfte reduziert werden. Doch in den Mitgliedstaaten wird der Widerstand gegen die Umweltauflagen größer.

Durch den Klimawandel wird auch die Beackerung der Böden in Deutschland immer schwieriger. Hier ein Bauer auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern.

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Durch den Klimawandel wird auch die Beackerung der Böden in Deutschland immer schwieriger. Hier ein Bauer auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern.

Von Knut Krohn

Die Europäische Kommission ist optimistisch. Die EU ist nach ihrer Einschätzung auf dem besten Weg, die vorgegebenen Klimaziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Geplant ist, bis Ende des Jahrzehnts eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu erreichen.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra sagte am Mittwoch in Brüssel, wenn der Kurs beibehalten werde, „bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen können und werden“. Die Emissionen seien seit 1990 um 37 Prozent gesunken, während die Wirtschaft um fast 70 Prozent gewachsen sei. „Jetzt müssen wir auf diesem Schwung aufbauen. Investitionen in saubere Technologien und Innovationen sind entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und eröffnen neue Märkte für EU-Unternehmen.“ Jeder Sektor in jedem Mitgliedstaat müsse zur Umsetzung beitragen.

Eine deutliche Mahnung vom Umwelt-Kommissar

Unüberhörbar ist die Mahnung von Hoekstra an die Staaten, die Ziele tatsächlich den Plänen entsprechend zu erfüllen. Seine Sorge ist berechtigt, denn die Klimapolitik hat inzwischen in vielen Ländern einen schweren Stand. Nicht nur Umweltschützer warnen sogar vor einem Rückbau des Green Deals, jenes beispiellosen Maßnahmenpaketes, das unter anderem für einen drastischen Rückgang der Treibhausgasemissionen sorgen soll. Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen während ihrer ersten Amtszeit ins Leben gerufen, umfasst es umfangreiche Vorgaben in Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie oder Landwirtschaft.

Auf Druck – vor allem aus konservativen Kreisen – wurden inzwischen aber viele Ziele verwässert. Gestärkt werden soll nun vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen gegenüber der starken Konkurrenz aus den USA und aus China. Strengere Regeln für die Landwirtschaft wurden etwa nach großen Bauernprotesten in vielen EU-Ländern teils zurückgenommen. Jüngst wurden auch Vorgaben für Autobauer zum Erreichen von Abgasgrenzwerten gelockert. Das geschah vor allem auf massive Intervention aus Deutschland - dabei hinkt gerade das größte Industrieland der EU den Klimavorgaben aus Brüssel hinterher.

Deutschland verfehlt die Klimaziele der EU

Probleme bereiten nach einer Studie der Denkfabrik Agora Energiewende vor allem die Bereiche Gebäude und Verkehr. Die CO2-Emissionen seien zwar das dritte Jahr in Folge gesunken. Ähnlich niedrig seien sie zuletzt in den 1950er Jahren gewesen, heißt es. Dennoch würden die EU-Klimaziele nicht erreicht. 2024 sanken die Emissionen sowohl bei Gebäuden als auch im Verkehr um je zwei Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Das sei aber vor allem der milden Witterung mit niedrigerem Heizbedarf geschuldet sowie dem geringeren Lkw-Verkehr wegen der Wirtschaftsflaute.

Der Pkw-Verkehr habe zugelegt. Trotz schlechter Wirtschaftslage stiegen die Emissionen in der Industrie um drei Millionen Tonnen CO2 an, was Agora besonders auf einen höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe in der energieintensiven Industrie zurückführt. „Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen“, erklärt der Direktor von Agora Energiewende Deutschland, Simon Müller. Das habe zu Zurückhaltung bei Investitionen geführt.

Kritik aus dem Lager der Umweltschützer

Dieses Nachlassen in Sachen Klimaschutz wird von Umweltorganisationen wie dem WWF kritisiert. „Das EU-Klimaziel für 2030 wird nur erreichbar sein, wenn auch die neue deutsche Regierung ihren Beitrag zuhause leistet“, betonte Heike Vesper, Vorständin beim WWF Deutschland am Mittwoch. „Der Expertenrat für Klimafragen hat zuletzt betont, dass aus dem Koalitionsvertrag kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 ausgehe“.

Wie schwer die Einhaltung der Ziele des Green Deals werden, zeigen auch die Schwierigkeiten, für 2040 ein weiteres Zwischenziel im Kampf gegen den Klimawandel zu definieren. Die Kommission strebt bis zu diesem Datum eine Reduzierung der Emissionen um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 an. Die Verhandlungen dazu zwischen den EU-Mitgliedstaaten stocken jedoch. Einige Länder wie Tschechien oder Italien halten das Ziel für unrealistisch.

Den Wandel auch als Chance sehen

Umweltschützer fordern, den konsequenten Umbau Europas hin zu einem klimaneutralen Kontinent als Chance für die heimische Industrie zu sehen. „Der Green Deal ist der größte Erfolg der europäischen Politik der letzten fünf Jahre“, betonte jüngst der Europaparlamentarier Michael Bloss. Der klimapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion appelliert an Ursula von der Leyen „ihren Green Deal zu retten und zum Erfolg zu führen“. Auch er argumentiert mit der Wirtschaft, die von Investitionen in moderne Umwelttechniken enorm profitiere. „Milliarden fließen in Batteriefabriken, grünen Wasserstoff und sauberen Stahl“, ist Bloss überzeugt. Europa drohe den Anschluss in diesen Zukunftstechnologien zu verlieren, werde der Green Deal nicht konsequent vorangetrieben.

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Erstellt:
28. Mai 2025, 18:06 Uhr
Aktualisiert:
28. Mai 2025, 18:19 Uhr

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