Bertelsmann-Studie

Bürgergeld: Mehrheit der Langzeit-Empfänger sucht keinen Job

Wollen Bürgergeldempfänger gar nicht arbeiten? Die Hälfte geht laut einer neuen Studie keiner Jobsuche nach. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit.

Die Forscher fordern: „Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung – Jobcenter müssen Menschen in passende Arbeit bringen.“

© Imago/Henricus Lüschen

Die Forscher fordern: „Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung – Jobcenter müssen Menschen in passende Arbeit bringen.“

Von Markus Brauer/AFP

Etwa die Hälfte der für eine Studie der Bertelsmann-Stiftung befragten Bürgergeldempfänger hat in den zurückliegenden vier Wochen nicht nach einer Arbeitsstelle gesucht.

Laut der am Donnerstag (4. Dezember) von der Stiftung veröffentlichten Studie verwiesen die Teilnehmer zur Begründung am häufigsten auf psychische oder chronische Erkrankungen sowie auf zu wenig passende Stellen. Befragt wurden zwischen April und Juni etwa tausend Bürgergeldbezieher im Alter von 25 bis 50 Jahren.

Zahlen und Fakten

Wie die Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh berichtete, gaben 57 Prozent der Teilnehmer bei ihrer Befragung an, im zurückliegendem Monat nicht nach einem neuen Job gesucht zu haben.

  • 74 Prozent oder etwa drei Viertel der nicht aktiv nach Stellen suchenden Befragten verwiesen auf gesundheitliche Probleme.
  • 49 Prozent oder knapp die Hälfte begründeten dies demnach mit „zu wenigen passenden Stellen“.
  • Ein Viertel oder 25,5 Prozent aus dieser Befragtengruppe gab an, ihre finanzielle Lage würde sich durch die Jobsuche nicht verbessern.
  • 22 Prozent oder etwas mehr ein Fünftel waren nach eigenen Angaben durch die Pflege von Kindern oder Angehörigen gebunden.
  • Elf Prozent gaben an, sich mit „Gelegenheitsarbeiten“ finanziell über Wasser zu halten.

Forscher: Es muss sich beim Bürgergeld etwas ändern

Die Stiftung wertet die Ergebnisse als Beleg für die Notwendigkeit einer veränderten Herangehensweise. „Wenn chronische oder psychische Krankheiten keine realistische Chance auf eine Integration in den Arbeitsmarkt bieten, dann sollte ein Wechsel aus der Grundsicherung in ein besser passendes Unterstützungssystem wie die Sozialhilfe oder die Erwerbsminderungsrente geprüft werden“, erklärt deren Experte Tobias Ortmann. Notwendig sei ein „konstruktiver Umgang mit der Situation“.

  • Insgesamt berichten 45 Prozent aller befragten Bürgergeldbezieher von psychischen oder chronischen Erkrankungen.
  • 43 Prozent gaben an, noch kein Stellenangebot vom Jobcenter erhalten zu haben.
  • 38 Prozent gingen nach eigenen Angaben bislang bei Weiterbildungsmaßnahmen leer aus. Angebote dafür unterbreiten Jobcenter laut Befragung vor allem Hauptschulabsolventen – seltener aber Frauen, vor allem mit Kindern.
  • Selbst unter den aktiv Suchenden investieren der Studie zufolge die meisten „vergleichsweise wenig“ Zeit in die Recherche zu offenen Stellen. 20 Stunden oder mehr pro Woche verbringen damit nur sechs Prozent. 26 Prozent investieren bis zu neun Stunden pro Woche in die Jobsuche.

„Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung“

„Die Jobcenter müssen den Schwerpunkt neu setzen“, fordert Roman Wink, ein weiterer Arbeitsmarktexperte der Stiftung, mit Blick auf die Umfrage des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung und des Soko-Instituts. „Weniger Bürokratie, mehr Vermittlung – Jobcenter müssen Menschen in passende Arbeit bringen.“

Zielgruppe der Studie der Institute waren laut Stiftung erwerbsfähige Leistungsbezieher zwischen 25 und 50 Jahren, die mindestens seit einem Jahr Bürgergeld erhalten und arbeitslos oder arbeitssuchend sind.

Die Stichprobe der insgesamt 1006 Befragten wurde vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit gezogen. Die Gesamtbefragung ist demnach thematisch breiter angelegt und soll Erkenntnisse zur Lebensrealität von Bürgergeldempfängern und zu Hemmnissen bei der Arbeitsaufnahme liefern.

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Erstellt:
4. Dezember 2025, 13:30 Uhr

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