Bundesländer entlassen mehr als 950 Gefangene

dpa Berlin. Mit der Familie unter dem Tannenbaum sitzen statt hinter Gittern: Zur Weihnachtszeit dürfen Hunderte Inhaftierte das Gefängnis früher verlassen. Ein Bundesland lässt jedoch keine Gnade walten.

Über 950 Gefangene werden im Zuge der Weihnachtsamnestien freigelassen. Foto: Jan Woitas/zb/dpa/Symbolbild/Archiv

Über 950 Gefangene werden im Zuge der Weihnachtsamnestien freigelassen. Foto: Jan Woitas/zb/dpa/Symbolbild/Archiv

Rechtzeitig zum Weihnachtsfest zeigt sich die Justiz in den meisten Bundesländern milde und entlässt Hunderte Häftlinge vorzeitig aus dem Gefängnis.

Mindestens 963 Inhaftierte durften bereits oder dürfen die Haftanstalten früher verlassen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat. Vielerorts sank die Zahl der Begünstigten jedoch im Vergleich zum Vorjahr.

Die sogenannte Weihnachtsamnestie soll Häftlingen, die ohnehin rund um den Jahreswechsel entlassen werden, ein schönes Fest bescheren - und ihnen ermöglichen, Hilfsangebote und Beratungsstellen zu nutzen, bevor diese in die Weihnachtspause gehen. „Mit dem Sammelgnadenerweis erleichtern wir also die Wiedereingliederung in unsere Gesellschaft“, sagte Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

Demnach haben sich in der Hauptstadt die Gefängnistore für 124 Inhaftierte vorzeitig geöffnet - im Vorjahr waren es noch 170. Damals saßen in den Berliner Gefängnissen allerdings auch noch 3800 Menschen ein, aktuell sind es laut Senatsangaben rund 3300.

In Nordrhein-Westfalen ging die Zahl der begnadigten Häftlinge laut NRW-Justizministerium noch stärker zurück - auf 247 Häftlinge (Vorjahr: 522 Häftlinge). In Baden-Württemberg sank die Zahl um ein Drittel auf 200 in diesem Jahr.

Geringer ist die Schwankung in Rheinland-Pfalz, wo die Justiz gegenüber 110 Menschen (2019: 123) Gnade walten ließ. 49 Männer und 6 Frauen profitierten in Niedersachsen von der Tradition. Hessen erlässt 79 Häftlingen insgesamt 1720 Hafttage.

In Brandenburg kamen bislang 33 Gefangene im Zuge der Weihnachtsamnestie auf freien Fuß (Vorjahr: 50). In Sachsen-Anhalt waren es 26, in Schleswig-Holstein 19, in Bremen und Thüringen durften jeweils 6 Menschen früher aus dem Gefängnis. Für das Nachbarland Sachsen ist die Amnestie ein Novum: Erstmals werden dort Häftlinge zur Weihnachtszeit entlassen - und zwar 58.

Dass weniger Menschen als 2019 früher aus der Haft dürfen, könnte an den Auswirkungen der Corona-Pandemie liegen: Viele Straffällige haben in diesem Jahr Haftaufschub erhalten, um in den Gefängnissen Platz zu schaffen für Quarantäne-Maßnahmen, so begründet es etwa das Justizministerium in NRW.

In einigen Bundesländern könnte die Zahl der vorzeitig Entlassenen noch mal steigen - außer in Bayern. Dort gibt es wie auch in den Vorjahren keine Weihnachtsamnestie. „Eine rechtskräftige Strafe im Gnadenwege zu ändern, muss absoluten Ausnahmefällen vorbehalten sein und darf nicht von Zufälligkeiten des Kalenders abhängen“, teilte das Justizministerium mit. Die Weihnachtsgnade sei gegenüber Häftlingen, deren Haftzeit zufällig zu anderen Zeiten ende, ungerecht.

Zufällig fällt die Entscheidung, wer begnadigt wird, in den anderen Bundesländern jedoch nicht. Dort kommen nur Häftlinge in Frage, die in ihrer Haft nicht negativ aufgefallen sind und keine langjährige Haftstrafe verbüßen mussten. Gewaltverbrecher oder Sexualstraftäter haben vielerorts ebenfalls keine Chance auf Weihnachtsgnade.

Erfahrungsgemäß wollen übrigens nicht alle, denen eine Amnestie angeboten wird, vorzeitig aus der Haft. So verbrachten allein in NRW im vergangenen Jahr 69 begnadigte Häftlinge Weihnachten lieber im Gefängnis statt in Freiheit.

© dpa-infocom, dpa:201219-99-750868/3

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Erstellt:
19. Dezember 2020, 05:23 Uhr

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