CDU: CSD ist „linke Partyveranstaltung“

Die Emotionen kochen hoch, da die Stuttgarter Christdemokraten erstmals seit Jahren nicht beim Christopher Street Day mitfahren wollen. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) kritisiert diese Entscheidung heftig.

In Stuttgart steht am Samstag wieder der CSD an.

© dpa/Christoph Schmidt

In Stuttgart steht am Samstag wieder der CSD an.

Von Uwe Bogen

Stuttgart - Erstmals seit etwa zehn Jahren erteilt die CDU dem Umzug zum Christopher Street Day (CSD) am Samstag in Stuttgart eine Absage. Begründet hat dies der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz mit den hohen Kosten für den Truck. Doch auch auf das Angebot der Veranstalter, als Fußgruppe mitzumarschieren, wofür keine Teilnehmergebühren anfallen, gingen die CDU-Mitglieder nicht ein. Lediglich mit einem Stand wird die Lesben und Schwulen Union (LSU) am Sonntag dabei sein.

Landtagspräsidentin wirft der CDU „Entsolidarisierung“ vor

Nachdem unsere Redaktion über den Ausstieg der CDU aus den Reihen der CSD-Demo berichtet hat, schlagen die Wellen hoch. Viel Kritik und Unverständnis ist in der queeren Community zu hören. Auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) kann es nicht fassen. „Gerade in diesen Zeiten wäre es ein klares und notwendiges Zeichen der Solidarität von allen Demokratinnen und Demokraten, gemeinsam Hand in Hand gegen Menschen- und Queerenfeindlichkeit auf die Straße zu gehen“, erklärt sie. Der Rückzug der CDU sei „ein Zeichen der Entsolidarisierung“.

Der Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende Max Mörseburg reagiert prompt heftig auf die Kritik von Aras. „Die Vorwürfe der Entsolidarisierung durch die Landtagspräsidentin sind lächerlich und spalten die demokratische Mitte weiter“, erklärt er gegenüber unserer Redaktion. Der CDU-Oberbürgermeister, der CDU-Fraktionschef im Gemeinderat und viele weitere Parteimitglieder würden sehr wohl am CSD teilnehmen. „Aber es gibt keine Pflicht für gemeinsame Demonstrationen“, sagt Mörseburg.

Mörseburg beklagt „immer aggressivere Stimmung gegen die CDU“

In einigen Städten sei die CDU vom CSD ausgeschlossen worden, sagt Max Mörseburg, der bis 2025 im Bundestag saß, und fährt fort: „In Stuttgart mussten wir uns auf dem Neujahrsempfang unter anderem anhören, dass man Angst vor einem Wahlsieg von Friedrich Merz habe.“

Wenn dann die CDU Stuttgart nach vielen Jahren nicht mehr am Christopher Street Day teilnehme, sei es auch nicht recht. „Dass Sponsoren, die in der Vergangenheit einen CDU-Wagen finanziert hatten, dieses Mal nicht bereit waren, liegt sicherlich auch an der immer aggressiveren Stimmung gegen die CDU bei diesen Veranstaltungen“, erklärt der Kreisvorsitzende.

Mörseburg wird noch deutlicher: „Wir sind an dieser Art von Symbolpolitik nicht interessiert, sondern wollen politische Ergebnisse erzielen. Bei mir beschweren sich junge schwule Männer vor allem über Angriffe aus dem migrantischen Milieu.“ Eine gute Sicherheitspolitik, Integration und die verschärfte Migrationspolitik an den deutschen Grenzen seien für ihn deshalb wichtiger „als eine linke Partyveranstaltung“.

Wie der CSD-Verein auf die Kritik von Mörseburg reagiert

Ist der CSD eine „linke Partyveranstaltung“? Auf diesen starken Vorwurf reagiert Betina Starzmann, Vorstandsmitglied des CSD-Vereins, ruhig und gelassen. „Der CSD in Stuttgart ist eine Demonstration für queere Gleichberechtigung, Akzeptanz und Vielfalt“, erklärt sie, „keine linke Partyveranstaltung“. Mit dem ehrenamtlichen Engagement sehr vieler Menschen setze sich der Verein „für die Sicherheit, Selbstbestimmung und die Freiheit aller Menschen“ ein, so Starzmann. „In Anbetracht der steigenden Anzahl von Straftaten gegenüber queeren Menschen – vor allem von rechts – brauchen wir die Unterstützung aller demokratischen Parteien, um diese Ziele zu erreichen.“

SPD ruft dazu auf, sich gegen „Angriffe von Rechtsaußen“ zu wehren.

Für die SPD sagt Stadträtin Sara Dahme, der Rückzug der CDU von der CSD-Demo zeige, dass der Auftrag des CSD, „die wunderbare Vielfalt der Menschen dies- und jenseits der etablierten Familienrollen zu zeigen“, noch lange nicht erfüllt sei. So groß könnten die Unterschiede nicht sein, findet Dahme, wenn man bedenke, dass in der Spitzenpolitik der Anteil von Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, in allen Parteien ähnlich sei. „Dringender denn je“ sei es, die verschiedenen Meinungen zusammenzubringen, um Vorbehalte auszuräumen. „Denn nur eine starke Gemeinschaft mit all ihren Unterschieden kann auf Dauer gegen die Angriffe von Rechtsaußen bestehen“, erklärt die SPD-Frau.

Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS) findet die Entscheidung der CDU „unmöglich“, doch dies passe „zum Rechtsruck der Union“.

Warum die CDU-Mitglieder das Angebot abgelehnt haben, kostenfrei als Fußgruppe mitzumarschieren, erklärt Jan-Philipp Scheu, der Vorsitzende der LSU – Lesben Schwulen Union in Baden-Württemberg so: „Als kleiner Verband verfügen wir alleine nur über begrenzte Kapazitäten, um eine breite Repräsentation gewährleisten zu können. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, unsere Kräfte am Sonntag auf einen Stand in der CSD-Infomeile zu konzentrieren.“

Auch die LSU äußert sich nun zum Abschied der CDU von der CSD-Demo

Mit diesem Stand in der Kirchstraße will die LSU „klare Haltung für Vielfalt und Akzeptanz zeigen, für unsere Themen einstehen und den Dialog suchen“. Da CDU-Politiker in den vergangenen Wochen wiederholt für Diskussionsstoff in der Community gesorgt hätten, sei es für die LSU wichtig, „ansprechbar zu sein“. Scheu hofft auf ein Diskussionsklima, „das gegebenenfalls von einer konstruktiveren Haltung getragen ist, als sie vielleicht eine Fußgruppe bei der Parade erwarten darf“. Privat würden etliche CDU-Mitglieder die CSD-Demo „selbstverständlich auch bereits am Samstag unterstützen“.

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Erstellt:
22. Juli 2025, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
22. Juli 2025, 23:57 Uhr

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