Chatprotokolle verraten einträglichen Drogenhandel

Für zwei Jahre muss ein 24-jähriger Arbeitsloser ins Gefängnis. Der Mann hat seinen eigenen Konsum mit Rauschmittelgeschäften finanziert.

Zwei Jahre Gefängnis ohne Bewährung nach Drogenhandel - so lautet das Urteil des Schöffengerichts.  Symbolfoto: Stock Adobe/Boonchai

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Zwei Jahre Gefängnis ohne Bewährung nach Drogenhandel - so lautet das Urteil des Schöffengerichts. Symbolfoto: Stock Adobe/Boonchai

Von Hans-Christoph Werner

Backnang. Vor dem Schöffengericht hat sich ein 24-jähriger angelernter Maschinenbediener wegen Drogenhandels zu verantworten. Er wird in einer zweistündigen Verhandlung zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Über das Smartphone, das die Polizei bei einem anderen Delinquenten beschlagnahmt hatte, so berichtet eine Polizeibeamtin im Laufe der Verhandlung, war man dem Angeklagten auf die Schliche gekommen.

Auf dem beschlagnahmten Smartphone konnten die Ermittler die An- und Verkäufe von Amphetamin oder Ecstasytabletten durch den Angeklagten in chronologischer Reihenfolge nachlesen. Mit Datum und Uhrzeit, Ankaufspreis und Gewinnspanne listet die Staatsanwältin in ihrer Anklageschrift alle Transaktionen genauestens auf. 50 Gramm Amphetamin zu 210 Euro erstanden, zu 275 Euro veräußert.

Um seine Kundschaft zu versorgen, scheute der Angeklagte keine Mühe. Obwohl ohne Fahrerlaubnis bediente der Angeklagte mit dem Auto seines Vaters seine Abnehmer. In etlichen Nachtfahrten in einem Radius von 60 Kilometern von seinem Wohnsitz im Oberen Murrtal aus. So ergibt sich ein zusätzlicher Anklagekomplex: Fahren ohne Fahrerlaubnis. Der Verteidiger drängt darauf, dass sein Mandant erst Angaben zu seiner Person macht. So geschieht es denn. Bereits mit 17 Jahren macht der Angeklagte erste Erfahrungen mit Marihuana. Vor einem Jahr nun, so behauptet er, habe er aus freien Stücken aufgehört. Als Maschinenbediener in einer kleinen Firma auf der Schwäbischen Alb habe er nun eine Anstellung. Der Arbeitsvertrag könne, so wurde dem 24-Jährigen in Aussicht gestellt, verlängert, ja sogar eine Ausbildung könne damit verbunden werden.

Angeklagter gesteht die Tatvorwürfe im Wesentlichen ein

Zu den Tatvorwürfen wollen sich Angeklagter wie Verteidiger erst nach einer nochmaligen Besprechung äußern. Nach 20 Minuten wird dann das, was in der Anklageschrift stand, mit gewissen Nuancen zugegeben. Genauere Angaben werden auf die fehlende Erinnerung geschoben. Auch das Vorstrafenregister wird in einem Strafprozess stets bekannt gegeben. Insgesamt achtmal stand der 24-Jährige bereits vor einem Richter – wegen Diebstahls, Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Betrugs. Die Bewährungshelferin des Angeklagten zeichnet ein sich verfestigendes Bild ihres Schützlings. Die Erfüllung von Bewährungsauflagen sei schleppend geschehen. In ihrem Schlussplädoyer würdigt die Staatsanwältin das Geständnis des Angeklagten. Gegen den Angeklagten führt sie ins Feld, dass es doch erhebliche Mengen (50 Gramm) gewesen seien, die der Angeklagte bei vielen Gelegenheiten ein- beziehungsweise verkaufte. Auch das Vorstrafenregister spräche gegen ihn. Im Mai 2020 sei er vom Jugendrichter in Waiblingen zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Das habe den Angeklagten aber nicht daran gehindert, seinen Geschäften weiterhin nachzugehen.

Auch als die Polizei vier Monate später die Wohnung des Angeklagten auf den Kopf stellte und dabei Drogen beschlagnahmte, ließ das den Angeklagten unbeeindruckt. Der Richter hatte ihn zuvor eigens danach gefragt: „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ Der Angeklagte hatte keine Antwort, sondern zuckte nur mit den Schultern. Die Staatsanwältin fordert zwei Jahre und vier Monate Gefängnis.

Der Verteidiger drängt auf eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren. Denn die könne noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Und überdies: Sein Mandant habe gerne Amphetaminpaste eingekauft. Amphetamin werde aber nur in trockenem Zustand konsumiert. Folglich müsse man die seinem Mandanten zur Last gelegte Drogenmenge halbieren. Der Verteidiger dreht schließlich den Spieß um. Bei der Verurteilung durch den Jugendrichter im Mai 2020 seien seinem Mandanten keine strengeren Auflagen gemacht worden. Will heißen: Die hätten ihn vielleicht davon abgehalten. Die Sache mit der Amphetaminpaste veranlasst den Vorsitzenden Richter, nach den Plädoyers nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten. Er liest aus den Chatprotokollen vor.

Positive Prognose zugunsten des Angeklagten liegt nicht vor

Nach kurzer Urteilsberatung das Urteil. Zwei Jahre Gefängnis, allerdings nicht auf Bewährung. Für eine Bewährung müsste, so der Richter, eine an Tatsachen festzumachende positive Prognose zugunsten des Angeklagten vorliegen. Zudem seien besondere Umstände anzuführen. Beides sehe das Schöffengericht als nicht gegeben an. Ohne erkennbare Rührung packt der Angeklagte Kaffeebecher und Limonadenflasche, die er mitgebracht hatte, und verlässt den Gerichtssaal. Sein Vater als Zuschauer im Saal murmelt erbost Unverständliches.

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Erstellt:
10. November 2021, 06:00 Uhr

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