Corona ändert Wohnungssuche - Mittendrin muss nicht sein

dpa Berlin. Ein kurzer Arbeitsweg, der ist manchen nicht mehr wichtig. Ihr Büro ist jetzt zu Hause. Corona verändert die Immobiliensuche. Doch die aktuellen Beschränkungen bergen Sprengstoff.

Ein zusätzliches Zimmer zum Arbeiten, ein Garten zum Durchatmen - danach sehnen sich nun mehr Menschen. Corona hat die Wohnungssuche verändert. Foto: Annette Riedl/dpa

Ein zusätzliches Zimmer zum Arbeiten, ein Garten zum Durchatmen - danach sehnen sich nun mehr Menschen. Corona hat die Wohnungssuche verändert. Foto: Annette Riedl/dpa

Arbeiten, lernen, Zeit totschlagen - alles zu Hause. Seit Monaten sind viele Deutsche häufiger daheim als gewohnt, und mancher auch mehr als ihm lieb ist. Corona hat den Stellenwert der Wohnung erhöht.

Ein zusätzliches Zimmer zum Arbeiten, ein Garten zum Durchatmen - danach sehnen sich nun mehr Menschen. Wohnungen werden nach einer aktuellen Untersuchung teurer, Ein- und Zweifamilienhäuser umso mehr, doch die Mieten stagnieren. Vermieter warnen vor Konflikten in manchen Großsiedlungen, gerade weil die Menschen weniger rauskommen. Corona schlägt auf den Immobilienmarkt durch.

In ohnehin belasteten Vierteln könnten sich Nachbarschaftskonflikte verstärken, wähnt der Vermieterverband GdW. Die Corona-Krise stelle die soziale Stabilität von Wohnvierteln auf die Probe. „In belasteten Quartieren drohen sich die sozialen Probleme weiter zu verschärfen, in wenig belasteten Quartieren verstärken sich die sozialen Netzwerke infolge der Ausnahmesituation“, sagte Verbandspräsident Axel Gedaschko.

Schon vor der Krise sei es in manchen Wohnquartieren zu einem Anstieg von Gewalt, Ruhestörungen und Missachtungen der Hausordnung gekommen, hinzu kämen interkulturelle und Generationenkonflikte. „Ein Weiter-so-wie-bisher kann es im Hinblick auf belastete Wohnquartiere nicht geben“, forderte Gedaschko.

Sein Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) vertritt vor allem Genossenschaften und städtische Wohnungsunternehmen, aber auch private Branchenriesen wie Vonovia und Deutsche Wohnen. Gemeinsam fordern sie mehr staatliche Quartiersarbeit. Sonst seien auch Gewaltausbrüche möglich.

Viele Mieter können es sich nicht leisten, wegzuziehen. Doch die Zeit exorbitanter Mietsteigerungen ist wohl vorbei, wie Bernd Leutner meint, der Chef des privaten Hamburger Forschungsinstituts F+B. Dessen Daten zeigen: Wer neu einzieht, zahlt nicht mehr als bei einem Wohnungswechsel vor einem Jahr. Von Juli bis September wurde gerade mal 0,1 Prozent mehr fällig als ein Jahr zuvor. Verglichen mit dem Frühsommer gingen die Neuvertragsmieten sogar leicht zurück. Bestandsmieten lagen 1,4 Prozent über dem Vorjahreswert.

Die größten Städte, darunter München, Berlin und Hamburg, lägen etwas über dem Durchschnitt. Es gebe weiter eine hohe Nachfrage von Selbstnutzern und Kapitalanlegern, beobachtet F+B. „Der Mietmarkt zeigt sich nach wie vor überraschend robust und aus Vermietersicht stabil.“

Vor allem das Kurzarbeitergeld hält viele Mieter derzeit noch zahlungsfähig. Nennenswerte Ausfälle sind bei den Vermietern nicht aufgelaufen, hieß es beim GdW-Verbandstag in Berlin.

Doch Corona lehrte auch: Für viele Berufe muss man nicht unbedingt in der Stadt leben. Nach Umfragen planen immer mehr Unternehmen mit Homeoffice auch nach der Krise. Viele Menschen legen mehr Wert auf mehr Wohnfläche oder Platz im Freien, zeigten jüngste Umfragen. Auch das Umland von Metropolen werde begehrter. Schon im zweiten Quartal seien die Preise für Eigenheime stark gestiegen.

Der Preisanstieg bei Ein- und Zweifamilienhäusern gehe unverändert weiter, heißt es in der am Montag veröffentlichten F+B-Analyse. Im dritten Quartal verteuerten sich Ein- und Zweifamilienhäuser im Schnitt um 8,6 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum.

Damit legten Eigenheime noch mehr zu als Eigentumswohnungen, die sich mit plus 5,5 Prozent ebenfalls deutlich verteuerten. „Wir sind der Auffassung, dass die Corona-Pandemie hier einen zusätzlichen und offenbar auch nachhaltigen Nachfrageschub bei gleichzeitig beschränktem Angebot erzeugt hat“, sagte Leutner.

Erleichterung gibt es nun für viele Mieter in Berlin. Hunderttausende können mit einer Senkung ihrer überhöhten Miete rechnen, nachdem am Montag die zweite Stufe des Mietendeckels in Kraft trat. Der Senat rechnet damit, dass in 340 000 Wohnungen die Mieten sinken müssen. F+B geht sogar von etwa 512 000 Wohnungen aus. Die durchschnittliche Minderung liege bei 40 Euro.

Der Fraktionschef der Berliner SPD, Raed Saleh, sieht im umstrittenen Gesetz ein Vorbild für andere Städte. Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, widersprach am Montag: „Es ist eine Maßnahme, die speziell auf die Berliner Situation abhebt“, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:201123-99-437285/2

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Erstellt:
23. November 2020, 18:22 Uhr

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