Lucha warnt: Lage im Land ist „überaus fragil“

dpa/lsw Heilbronn. Es ist nur eine Warnung, aber die Experten und Bürgermeister in Baden-Württemberg sind alarmiert: Denn zum ersten Mal seit Monaten hat eine Kommune eine kritische Marke bei den Corona-Neuinfektionen überschritten. Gesundheitsminister Lucha warnt eindringlich.

Ein Abstrichstäbchen wird in die Kamera gehalten. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Ein Abstrichstäbchen wird in die Kamera gehalten. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Angesichts der weiter steigenden Infektionszahlen wächst in Baden-Württemberg der Druck auf die Politik, strenger gegen Reiserückkehrer vorzugehen und Lockerungen zurückzunehmen. Gemeinsam mit den Ressortkollegen von Bund und Ländern beriet Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) an diesem Montag in einer Telefonkonferenz über mögliche Reaktionen auf die Zunahme registrierter Corona-Fälle. Die Lage im Land sei „überaus fragil“, sagte er.

Die Minister wollten dabei unter anderem über eine mögliche erweiterte Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Masken in Deutschland und eine Anpassung der Strategie für Corona-Tests sprechen. Auch eine mögliche Begrenzung der Größe von Veranstaltungen stand auf der Tagesordnung. In der Frage, ob es neue Obergrenzen für private Feste geben sollte, gibt es bisher keine klare Linie. Eine Vereinheitlichung von Bußgeldern bei Verstößen gegen die Infektionsschutzregeln ist aber ebenfalls Thema.

Mit Entscheidungen wurde zwar nicht gerechnet. Es galt aber als möglich, dass die Gesundheitsminister Empfehlungen aussprechen für eine Runde der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag. Eine mögliche Neujustierung der Infektionsschutzregeln soll erst in diesem Kreis vorgenommen werden.

In Heilbronn werden nach dem deutlichen Überschreiten einer kritischen Marke bei den Corona-Neuinfektionen erste Konsequenzen beraten. Unter anderem sollen Reiserückkehrer als Risikogruppe stärker in den Blick genommen werden.

Die Stadt hatte als erste baden-württembergische Kommune seit Monaten die Vorwarnstufe erreicht. Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz lag nach Angaben von Montag laut Landesgesundheitsministerium bei knapp 41,2 Fällen auf 100 000 Einwohner. Drastischere Schritte, die bis hin zur weiten Einschränkung des öffentlichen Lebens reichen können, werden aber erst ab einer 7-Tage-Inzidenz von 50 ergriffen.

„Diese Entwicklung ist kein Grund zur Panik, aber zur Sorge und erfordert von uns allen besondere Vorsicht“, sagte Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel. Rund 80 Prozent der Infizierten seien Reiserückkehrer. „Wir werden uns deshalb auch ganz besonders auf diese Gruppe konzentrieren, sagte Mergel.

Nach Angaben der Stadt leben in Heilbronn sehr viele Menschen mit Wurzeln im Kosovo und auch in Kroatien. „Dort ist die Zahl der Corona-Fälle überdurchschnittlich hoch“, sagte eine Sprecherin. Um die Infektionsketten besser nachvollziehen zu können, helfe das Land dem Gesundheitsamt mit zusätzlichem Personal aus.

Die Inzidenz zeigt die Zahl der Neuinfektionen innerhalb der vergangenen sieben Tage an und wird pro 100 000 Einwohner angegeben. Sie wurde von Bund und Ländern mit Blick auf Kreise und kreisfreie Städte als maßgeblich für neue Einschränkungen in der Corona-Pandemie festgelegt. Bei 50 Fällen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner sollen sofort wieder Beschränkungskonzepte umgesetzt werden.

Indem die Neuinfektionen einer Woche zusammengezählt werden, werden die Schwankungen der täglichen Neuinfektionszahlen weitgehend ausgeglichen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt diese auf die vergangenen 7 Tage summierten Fallzahlen in seinem Lagebericht an. Auf diese Weise lassen sich Trends besser erkennen.

Neben Heilbronn nähern sich auch andere Städte und Landkreise im Südwesten der kritischen Marke von 35 Infektionen auf 100 000 Einwohner, ab der eine Vorwarnstufe gilt. In Ulm liegt die 7-Tage-Inzidenz laut Landesgesundheitsamt bei knapp über 30, das ist der zweithöchste Wert im Land.

Angesichts der steigenden Corona-Zahlen sollen alle Landkreise im Südwesten schrittweise über eine Anlaufstelle für Corona-Tests verfügen. Das hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) mitgeteilt. Neben diesen sogenannten Corona-Abstrichstellen der KVBW gibt es zudem mehr als 700 Corona-Schwerpunktpraxen für Patienten mit Corona-Symptomen. Hinzu kommen die Teststationen an Flughäfen, Bahnhöfen und Autobahnen, die sich in erster Linie an Reiserückkehrer richten.

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Erstellt:
24. August 2020, 10:20 Uhr

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