Grenzkontrollen beendet: Einzelhändler freuen sich

dpa/lsw Straßburg/Kehl. Gut drei Monate fuhr wegen der Coronavirus-Pandemie keine Tram von Straßburg nach Kehl. Nun ist die Direktverbindung zwischen Frankreich und Baden-Württemberg wieder hergestellt - und voll mit französischen Kunden, die auf der deutschen Rhein-Seite shoppen.

Seit Mitte März hatten sie gewartet - nun können die baden-württembergischen Einzelhändler an der Grenze zu Frankreich auch wieder Kunden aus dem Nachbarland bedienen. Seit Montag um Mitternacht können Franzosen und Deutsche die Grenze wieder passieren, ohne bei einer Kontrolle Dokumente für den Reisegrund vorlegen zu müssen, wie die Bundespolizei in Offenburg bestätigte. Auch an der Grenze zu der Schweiz wurden die Bestimmungen gelockert.

Viele Französinnen und Franzosen aus dem elsässischen Straßburg ließen sich die Shopping-Gelegenheit an diesem ersten Tag nicht nehmen. Die Straßenbahn nach Kehl, die nun auch wieder direkt via Europabrücke über die Grenze fährt, war gepackt voll. Viele hatten Trolleys dabei, um auf der deutschen Rhein-Seite einkaufen zu gehen. Denn Lebensmittel und Kosmetik sind dort teilweise günstiger als in Frankreich.

Sie freue sich sehr, dass sie wieder französische Kundschaft begrüßen könne, sagte Régine Wickers, die einen Schuhladen in der Kehler Innenstadt führt. Vor ihrem Geschäft hat sie extra ein zweisprachiges Schild aufgestellt, um die Kunden aus Frankreich willkommen zu heißen. Während der Einreise-Beschränkungen seit Mitte März habe sie deutlich weniger Ware verkauft, berichtete Wickers. Sie schätzte, dass der Rückgang bis zu 70 Prozent betragen habe.

Dass die Deutschen nun aber auch wieder zum Shoppen in das Elsass könnte, freue sie, betont eine Kundin im Schuhladen. Straßburg mit seiner historischen Altstadt, den Restaurants, Gourmet-Geschäften und Boutiquen ist vor allem bei Wochenendausflüglern sehr beliebt.

In einem Tabakladen in der Nähe des Kehler Bahnhofs begrüßte die Verkäuferin die Kunden automatisch mit „Bonjour“ - die Geschäfte mit Tabakwaren waren am Montag gefragt. Vor den Läden bildeten sich teilweise Schlangen, weil wegen der coronabedingten Sicherheitsvorgaben nur eine bestimmte Anzahl an Menschen eintreten darf.

Natürlich komme er zum Zigaretten kaufen nach Deutschland, sagte Emmanuel aus Straßburg. Schließlich spare er sich dabei gut drei Euro pro Packung, betont er. Einige Kunden seien bereits um kurz nach Mitternacht zum Tabakkaufen nach Deutschland gefahren, berichtete die Lokalzeitung „Dernières Nouvelles d’Alsace“. Dort hätten sie jedoch vor verschlossenen Ladentüren gestanden.

Nach Angaben der Bundespolizei in Weil am Rhein (Kreis Lörrach) verlief auch das Ende der Grenzkontrollen zur Schweiz reibungslos. An den Grenzübergängen wurde den Angaben zufolge am Montag deutlich mehr Verkehr verzeichnet als in Zeiten der Corona-Einschränkungen. Vor allem Schweizer, die erstmals nach drei Monaten wieder zum Einkaufen nach Deutschland durften, sorgten für mehr Verkehr. Auch die Zahl der Touristen stieg.

Vor allem für Einzelhändler in Deutschland sei die Grenzöffnung wichtig, sagte die Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) in Waldshut-Tiengen (Kreis Waldshut). Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Erholung müssten aber Hand in Hand gehen: „So sehr wir uns über die Rückkehr der kaufkräftigen Schweizer Kundschaft im Grenzgebiet freuen, müssen wir darauf achten, dass der Gesundheitsschutz nicht zu kurz kommt.“

Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und die Maskenpflicht in den Geschäften müssten zum Schutz vor dem Coronavirus eingehalten werden. Für viele Schweizer sei dies möglicherweise eine Umstellung, da es in der Schweiz keine Maskenpflicht gebe. Gefragt seien Einsicht und Akzeptanz der Regeln.

Auch beim Handelsverband Südbaden setzt man auf zusätzliche Belebung durch die Öffnung der Grenzen. „Wir sind schon zuversichtlich, dass die Franzosen und die Schweizer jetzt wiederkommen“, sagt Verbandschef Peter Spindler. Noch sei es jedoch zu früh für eine Bewertung.

In jedem Fall dürfe man die Freude der Bürger über die Grenzöffnung nicht unterschätzen. Sein Konstanzer Vize Utz Geiselhart glaubt nicht, dass sich die Situation von heute auf morgen normalisiert. So sei etwa die Maskenpflicht in Geschäften gewöhnungsbedürftig für manche Nachbarn. „Aber die Grenzöffnung ist ein weiteres positives Signal.“

Die coronabedingten Beschränkungen hatten bei Politikern der Grenzregion für Unmut gesorgt. Viele bemängelten, dass sich deutsche und französische Behörden nicht genügend abgesprochen hätten. Durch die Kontrollen mussten Pendler teilweise große Umwege fahren, lange an der Grenze warten und Passierscheine aus beiden Ländern mit sich führen. Seit dem 16. Mai wurde zwar nur noch stichprobenartig kontrolliert - eine Einreise aus touristischen Interessen, etwa zum Einkaufen oder Tanken, war aber nach wie vor nicht erlaubt.

Temporäre Kontrollen wie vor Beginn der Coronavirus-Pandemie gebe es weiterhin noch, erklärte nun die Bundespolizei. Auch müsse beim Überqueren der Grenze weiterhin ein Ausweis mitgeführt werden, betonte die Bundespolizei. Deutsche brauchen bei der Einreise nach Frankreich aber keinen französischen Passierschein mehr.

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Erstellt:
15. Juni 2020, 09:07 Uhr

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