Geplanter Stellenabbau

Daimler-Truck-Chefin rudert zurück

Eine gesichtswahrende Lösung schien kaum noch möglich nach dem Schlagabtausch um den Stellenabbau. Nun relativiert Vorstandschefin Karin Radström frühere Aussagen und glättet die Wogen.

Karin Radström plant bei Daimler Truck harte Sparmaßnahmen.

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Karin Radström plant bei Daimler Truck harte Sparmaßnahmen.

Von Klaus Köster

Es ist ungewöhnlich, dass neue Firmenchefs noch vor ihrem Amtsantritt öffentlich ein Stöckchen hingehalten bekommen, über das sie springen müssen. Doch genau dies war das Vorgehen von Daimler-Truck-Aufsichtsratschef Joe Kaeser, als er vor Monaten die neue Vorstandsvorsitzende Karin Radström vorstellte. „Mittel- bis langfristig wollen wir nicht nur der größte Truck-Anbieter der westlichen Welt sein, sondern auch bei der Marge führen“, sagte er und verwies auf die Umsatzrendite, die bei einigen Wettbewerbern bei bis zu 15 Prozent liegt – im Gegensatz zu den 9 Prozent, die Daimler Truck im vergangenen Jahr erreichte.

Messlatte und Druck waren also hoch, als das Unternehmen Anfang Juli im amerikanischen Cleveland Investoren seine Strategie vorstellte. Entsprechend auch die Ambitionen, mit denen sich Radström und Finanzchefin Eva Scherer präsentierten. „Wir bauen die beste Lkw- und Busfirma“, überschrieb Radström ihre Aussagen, Scherer sprach gar von einer „Evolution der Strategie und Revolution der Ergebnisse“. 

Für Europa werden in der Präsentation nachhaltige jährliche Einsparungen von über einer Milliarde Euro ab 2030 versprochen. Eine Einigung mit dem Betriebsrat sei bereits erreicht. Doch was bedeutet das genau? In einer mündlichen Präsentation wurde Finanzchefin Eva Scherer konkreter: „Die angestrebten Einsparungen werden voraussichtlich einen Personalabbau von etwa 5000 Mitarbeitern in Deutschland mit sich bringen“, sagte sie – und brachte damit den Betriebsrat in Stuttgart auf die Barrikaden. „Wir haben nie über eine konkrete Zahl gesprochen, wir haben nichts vereinbart“, erklärte Betriebsratschef Michael Brecht daraufhin postwendend.

Zu den Aufgaben der Finanzchefin gehört es, die Analysten von der Aktie zu begeistern, deren Kurs im Frühjahr innerhalb von vier Wochen um fast ein Drittel eingebrochen war und sich seither langsam wieder erholte. Vielleicht auch deshalb nahm sie die Zahl 5000 in den Mund, was das Unternehmen in seiner 89-seitigen Präsentation bewusst vermieden hatte.

Verhandlungen sollen weiter möglich sein

Scherers Vorpreschen entsprach aus Sicht von Brecht auch inhaltlich nicht der Vereinbarung. Denn diese sieht vor, dass der Betriebsrat in Entscheidungen über die Fremdvergabe von Tätigkeiten einbezogen wird. Dies verschafft ihm die Möglichkeit, durch Zugeständnisse an die Arbeitgeberseite Aufgaben im Unternehmen zu halten und die unvermeidlichen Stellenstreichungen zu verringern. Eine Vorab-Festlegung auf bestimmte Kopfzahlen würde dem widersprechen.

In diese verfahrene Lage fiel nun die Präsentation der wenig erfreulichen Halbjahreszahlen. Zum Sparprogramm erklärte Radström dabei, sie habe seit ihrem Amtsantritt viele Vergleiche mit der Konkurrenz angestellt, und „es war klar, dass unsere Kostenstruktur nicht wettbewerbsfähig ist“. Deshalb habe man sich mit dem Betriebsrat auf „Mechanismen und Maßnahmen“ verständigt – aber in der Tat „nicht ausdrücklich“ auf eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen, die wegfallen sollen, erklärt sie – um sogleich erneut die hoch umstrittene Zahl ins Spiel zu bringen. „Wenn wir all die Maßnahmen addieren, wird dies zu einer Reduzierung der Stellenzahl von rund 5000 führen.“

Diesmal gibt es keinen Protest

Doch anders als vor vier Wochen regt sich diesmal beim Betriebsrat keine Hand zum Protest. Denn mit ihrer Aussage hat sie klargemacht, dass sie zwar an der Zahl festhält, dass diese aber auf ihren eigenen Berechnungen beruht. Damit verschaffte sie sich einen gesichtswahrenden Ausstieg aus dem Streit mit der Arbeitnehmervertretung. Denn diese bekommt nun bestätigt, der von Scherer genannten Zahl nie zugestimmt zu haben – und auch keiner anderen.

Nun wollen beide Seiten offenbar wieder nach vorn blicken – und der Betriebsrat kann zumindest versuchen, durch Verhandlungen über den Verzicht auf Ver- und Auslagerungen den Abbau abzumildern. Dass viele Stellen wegfallen, wird sich aber auch dadurch nicht vermeiden lassen.

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Erstellt:
1. August 2025, 17:46 Uhr
Aktualisiert:
1. August 2025, 18:47 Uhr

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