Das ändert sich in der Backnanger Innenstadt

Rund ums Rathaus in Backnang tut sich was. Hier Leerstand und Wiedervermietung, dort geplanter Abriss und Neubau. Bei einem Rundgang mit Erstem Bürgermeister Stefan Setzer und Wirtschaftsbeauftragtem Reiner Gauger wird deutlich, dass fortlaufend Bewegung im Zentrum ist.

Tante-M startet im Burgel-Gebäude ein Pilotprojekt: Erstmals bietet der Nahversorger seine Waren in einer größeren Stadt an. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Tante-M startet im Burgel-Gebäude ein Pilotprojekt: Erstmals bietet der Nahversorger seine Waren in einer größeren Stadt an. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Backnang. Einkaufen in Backnang? Die Stadt hat in dieser Kategorie von Experten insgesamt gute Noten bekommen. Die jüngste GMA-Studie hat dazu Mittelzentren in der Region verglichen (siehe Infotext). „Aber die GMA-Studie sagt jetzt nicht: Alles ist rosarot und alles ist jetzt hervorragend, ihr braucht nichts mehr machen“, bekennt Stefan Setzer. „Sondern die Kernbotschaft ist: Innenstädte in Deutschland, wohl auch in Europa, sind insgesamt im Wandel begriffen“, so der Erste Bürgermeister beim Presserundgang durch die Innenstadt weiter. Dieser Strukturwandel beträfe alle. Getrieben sei er insbesondere durch die Veränderung des Einkaufsverhaltens der Bürgerinnen und Bürger, Stichwort Online-Handel. „Aber natürlich auch ganz akut wegen Themen wie Personalmangel in Dienstleistungsberufen“, ergänzt Setzer. Dieser würde dem einen oder anderen Unternehmer es tatsächlich versagen, ein Geschäft zu eröffnen, ein Geschäft weiter zu führen oder Öffnungszeiten wie gewohnt einzuhalten. Für den Kunden wirke es dann so, dass es insgesamt quantitativ weniger wird, also weniger Läden, aber auch eingeschränkte Öffnungszeiten.

„Aufgabe der Stadtverwaltung ist es, möglichst günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass wir dieses schwierige Umfeld nicht weiter verkomplizieren, sondern versuchen, es zu entlasten“, sagt Setzer. „Aber wir greifen nicht in Marktgesetze ein. Wir schreiben auch niemandem vor, und das können wir auch nicht, wie er seinen Laden zu vermieten hat, an wen er ihn zu vermieten hat und zu welchen Konditionen.“ Wirtschaftsbeauftragter Reiner Gauger habe einen guten Überblick über das Marktgeschehen und über die Preisentwicklung. „Wenn dann einer kommt, ich überspitz’ jetzt, und sagt: Ich hätte gern 30 Euro Miete pro Quadratmeter, dann kann der Herr Gauger glaubhaft und auch darlegbar zeigen, das geht halt nicht.“ – „Die Geschäfte müssen halt existieren können“, fügt Gauger hinzu, „sie müssen die Miete erwirtschaften können und sie müssen davon auch noch leben können.“ Setzer drückt es so aus: „Lieber etwas weniger monatliche Miete, dafür ein stabiles, langes, gutes Mietverhältnis.“

Bei der Adler-Apotheke startet der Rundgang. „Wir möchten, sobald die Voraussetzungen gegeben sind, hier ins Erdgeschoss die Tourist-Info unterbringen, nennen wirs’s neudeutsch mal Backnang-Shop, wo Backnang-Devotionalien erworben werden können und wo sich die Stadt präsentiert“, erläutert der Erste Bürgermeister. In den Obergeschossen stellt sich die Stadt, die das Gebäude in der Markstraße 29 erworben hat, Dienstleistungen vor, die für die Innenstadtversorgung wichtig sind, beispielsweise ärztliche Versorgung. „Das wollen wir entsprechend steuern können“, sagt Setzer. Das Gebäude sei auch Stadtbild prägend. „Da tut’s gut, wenn wir als Stadt die Hand drauf haben.“ Das nennt er aktiv gesteuerte Standortpolitik. „Es ist schon wichtig, dass die Stadt an strategisch städtebaulich wichtigen Punkten auch Einfluss und Steuermöglichkeiten hat.“ Eine wesentliche Voraussetzung für das Projekt Adler-Apotheke sei eine Förderung im Rahmen des Landessanierungsprogramms. „Wir möchten hier innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre diese Baumaßnahmen angreifen“, sagt Setzer zum Zeithorizont.

In der unteren Marktstraße, auch Totengässle genannt, geht es langsam voran. Im städtischen Besitz befinden sich die Gebäude Marktstraße 5, 13, 15, 17 und 19 sowie Wassergasse 1, 2 und 4. „Hier werden wir im kommenden Jahr konkret in Überlegungen gehen, wie wir die gesamte Fläche neu gestalten“, erklärt Setzer.

In diesem Zusammenhang wird das gegenüberliegende Burgel-Gebäude (Marktstraße 11) eine zentrale Rolle haben. Allerdings ist das Gebäude, das die Stadt erworben hat, insgesamt so marode, dass maximal das Erdgeschoss für eine gewisse Zeit genutzt werden kann. „Als vernünftige Zwischennutzung“, wie Gauger es ausdrückt, zieht nun ein Tante-M-Shop ein, wie bereits in Großerlach oder Waldrems. „Christian Maresch wird hier zum ersten Mal in einer größeren Stadt die Nahversorgung mit seinem neuen, digitalen und Personal losen System testen“, erläutert der Wirtschaftsbeauftragte. Der Mietvertrag über fünf Jahre soll in Kürze unterzeichnet werden. Frischwaren wie Brot, Fleisch und Wurst, Obst und Gemüse, Eier und Kartoffeln kommen laut Shop-Betreiber Maresch von regionalen Anbietern. Das Burgel-Vordach wird noch entfernt, ebenso die Ausstellungsvitrinen. Gauger: „Anfang nächsten Jahres hätte ich gern die Eröffnung.“

Unten an der Marktstraße fällt der Blick aufs Backcafé Bäckerei Mildenberger (Uhlandstraße 39). „Die Metzgerei Eger wird sich ab September auf ihren Betrieb in Birkmannsweiler konzentrieren und hat das Geschäft in Backnang geschlossen“, teilt der Vermieter Bernd Mildenberger auf Anfrage unserer Zeitung mit. Und weiter: „Unsererseits sind Überlegungen im Gange diese Veränderung durch flexible, passende Neuvermietung ins Positive zu kehren.“

Als „kleines Sorgenkind“ bezeichnet Gauger die Räumlichkeiten in der Grabenstraße, in denen die Easy-Apotheke beheimatet war. Über den Leerstand sei nichts Neues zu vermelden. „Die Lage ist gut, das Ding kriegen wir sicher irgendwann weg“, sagt der Wirtschaftsbeauftragte, „der Mietpreis wird das Interesse regeln“. Und Setzer meint: „Wenn die Nachfrage nachlässt, dann gehen auch mal die Preise runter.“

Ein paar Meter weiter in der Grabenstraße wirbt Gerry Weber mit Sprüchen wie „Alles muss raus“, „Jetzt oder nie“ und „Wir schließen diese Filiale“. Wie bereits berichtet, wird die Buchhandlung Osiander aus ihren Räumen in der Schillerstraße ausziehen und Anfang November die neue Filiale eröffnen. „Für uns ein absoluter Gewinn hier in der Grabenstraße“, meint Setzer.

Wieder ein paar Schritte weiter steht auf dem Gebäude noch BW-Bank drauf, wo gar nicht mehr BW-Bank drin ist. „Lange Zeit hatten wir keinen richtigen Kontakt“, sagt Gauger. Vor einigen Tagen hat er aber eine erfreuliche Nachricht erhalten. „Jetzt ist jemand benannt, der von der Seite der BW-Bank das Gebäude aktiv verkaufen soll.“ Das Interesse der Stadt ist, dass ins EG, das leer steht, wieder ein Frequenzbringer hinein kommt. Für die BW-Bankautomaten wird noch ein neuer Standort gesucht.

Schräg gegenüber ist das Bankgebäude der Kreissparkasse Waiblingen. Das Beratungscenter am Obstmarkt, in dem rund 55 Angestellte beschäftigt sind, soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Das kündigte der Vorstandsvorsitzende Uwe Burkert im Februar bei der Bilanzpressekonferenz an (wir berichteten). Auf Anfrage unserer Zeitung nach einem Zeitplan teilt die KSK mit: „Innerhalb unseres Geschäftsbetriebs wollen wir bis 2030 aus eigener Kraft klimaneutral werden.“ Das Gebäude, das 1967 gebaut und 1994 erweitert wurde, ist energetisch in einem schlechten Zustand und zudem sehr verwinkelt, auch die Tiefgarage ist eng. Das Bankgeschäft hat sich verändert, sagt Setzer. „Die Volksbank hat diesen Schritt gemacht und hat gesagt: Wenn wir weniger Frequenz haben in der Kundenhalle, dann brauchen wir keinen riesen Raum.“ So ist die Wunderbar eingezogen. „Wir nehmen wahr: Die hat sich absolut etabliert“, so der Erste Bürgermeister.

Backnang steht hinsichtlich der Entwicklung des Einzelhandels gut da

Einzelhandelskonzept Von 278 auf 239 ist in Backnang die Zahl der Geschäfte in den vergangenen 14 Jahren zurückgegangen. Auch die Verkaufsfläche ist – abgesehen vom Lebensmittelbereich – gesunken. Das geht aus dem Einzelhandelskonzept hervor, das der Backnanger Gemeinderat in Auftrag gegeben hat – zum zweiten Mal nach 2009. Erarbeitet wurde dieses von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg. Die Ergebnisse wurden im April diesen Jahres vorgestellt (wir berichteten).

Einzelhandelsentwicklung Insgesamt ist die Einzelhandelsentwicklung in Backnang relativ stabil, heißt es in der Studie. Ein vergleichbarer Strukturwandel, der mit dem Wegfall kleinstrukturierter Einzelhandelsbetriebe verbunden ist, kann in praktisch allen Mittelzentren der Region beobachtet werden. In Backnang war in den vergangenen zwölf Jahren hinsichtlich der Anzahl der Betriebe ein Rückgang zu verzeichnen. Dies entspricht laut GMA der Entwicklung des bundesdeutschen Trends. Auch die Gesamtverkaufsfläche verzeichnet eine negative Entwicklung.

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Erstellt:
6. September 2023, 06:00 Uhr

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