„Das Alter muss kein Hindernis sein“

Die meisten Politiker haben mit dem nochmaligen Antreten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerechnet

Den Sommer über hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit sich gerungen. Jetzt hat er sich entschieden: Auch nach zwei Amtszeiten soll noch nicht Schluss sein. Der 71-Jährige will bei der Landtagswahl 2021 als Spitzenkandidat der Grünen antreten. Einige Politiker zeigen sich wenig überrascht, andere hätten nicht mit dieser Entscheidung gerechnet.

Entscheidung gefallen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann kandidiert auch bei der kommenden Landtagswahl für die Grünen. Fotos: Imago/BKZ-Archiv (2)

© imago images / Hartenfelser

Entscheidung gefallen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann kandidiert auch bei der kommenden Landtagswahl für die Grünen. Fotos: Imago/BKZ-Archiv (2)

Von Yvonne Weirauch

BACKNANG/STUTTGART. In der Partei waren ohnehin viele davon ausgegangen, dass er die Grünen wieder in die Landtagswahl führt. Kretschmann ist seit 2011 der erste und bislang einzige grüne Ministerpräsident eines Bundeslandes und genießt hohe Beliebtheitswerte in der Bevölkerung. Zum Zeitpunkt der Wahl wäre Kretschmann 72 Jahre alt.

„Das Alter muss nicht unbedingt ein Hindernis sein. Konrad Adenauer ist mit über 70 Jahren auch noch Bundeskanzler geworden, da kann auch ein Ministerpräsident 72 Jahre alt sein“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Gernot Gruber. Er zeigt sich wenig überrascht, dass der in der Bevölkerung beliebte Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2021 wieder als Spitzenkandidat für die Grünen in den Landtagswahlkampf ziehen wird. Gruber merkt aber an: „Einerseits fehlt er zwar im Landtag häufig und wirke auch immer wieder ermüdet – andererseits ist aber auch keine Nachfolgerin oder kein Nachfolger in den Ministerrängen erkennbar, der Kretschmann ersetzen könnte.“ Kretschmann erfülle aus Sicht der Bürger den Landesvatergedanken, von daher sei die Entscheidung aus Sicht der Wähler sicher auch nicht überraschend.

Winfried Kretschmann äußerte sich in einem auf seiner Website veröffentlichten Brief zu seiner Kandidatur: Er habe in der Sommerpause intensiv über seine Zukunft nachgedacht, schreibt der Grünen-Politiker darin. „Ich habe mich dafür entschieden, mich bei der kommenden Landtagswahl erneut um das Amt des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg zu bewerben.“ Seine Leidenschaft für diese Aufgabe sei ungebrochen. In dem Brief zeichnet Kretschmann das Bild Baden-Württembergs als sicheres und wirtschaftlich erfolgreiches Bundesland. „Doch es ist kein Naturgesetz, dass es uns immer so gut gehen wird.“ Man erlebe einen stürmischen Wandel. Hätte Kretschmann auf die Spitzenkandidatur verzichtet, wäre die Partei unter Druck geraten: Die Grünen in Baden-Württemberg hatten es unterlassen, gezielt einen Nachfolger aufzubauen. Mit der erneuten Kandidatur stellt sich die Nachfolgefrage nun vorerst nicht mehr. Bei den Grünen geht man davon aus, dass Kretschmann nicht nur für einen Teil der kommenden Legislaturperiode weitermachen will. Vielmehr wird damit gerechnet, dass Kretschmann, wenn er erneut siegen sollte, auch den Anspruch habe, die ganzen fünf Jahre Ministerpräsident zu bleiben. Bei der Landtagswahl 2016 waren die Grünen mit 30,3 Prozent stärkste Kraft geworden – die CDU landete mit 27 Prozent auf dem zweiten Platz, obwohl Baden-Württemberg lange eine schwarze Hochburg gewesen war. Seitdem regiert in dem Bundesland eine grün-schwarze Regierung. In seiner ersten Legislatur koalierte er mit der SPD.

Auch die Landesvorsitzende Sandra Detzer zeigt sich nicht überrascht: „Wir freuen uns sehr, dass Winfried Kretschmann erneut kandidieren wird. Er ist ein hervorragender Ministerpräsident für Baden-Württemberg und wir sind von Herzen froh, dass er auch der künftige Ministerpräsident sein will. Er ist der richtige Spitzenkandidat für eine ambitionierte grüne Partei, eine Partei, die gern Verantwortung übernimmt, eine Partei, die noch viel vorhat.“

Angesichts des fundamentalen Wandels in der Gesellschaft brauche es einen Regierungschef, der Erfahrung hat und mit Besonnenheit an die Aufgaben herangeht, aber eben auch mit Neugier, Veränderungsbereitschaft und Zuversicht.

Überrascht ob der Entscheidung zeigte sich hingegen Wilfried Klenk (CDU), Politischer Staatssekretär im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg: „Ich bin einer der wenigen, der nicht daran geglaubt hat. Ich bin zu 100 Prozent davon ausgegangen, dass Winfried Kretschmann nicht mehr antritt.“ Klenk hat die Pressekonferenz verfolgt und ihm sei aufgefallen, dass Kretschmann nicht so authentisch wirkte: „Das hat ihn aber bisher immer ausgemacht.“ Die eine oder andere Begründung, die Kretschmann in seinem Statement angebracht habe, leuchte Klenk nicht ein: „Vor Herausforderungen stehen wir immer und einen Wandel der Zeit gibt es auch immer. Das müssen nicht unbedingt die ausschlaggebenden Kriterien für eine weitere Kandidatur sein“, so Winfried Klenk.

Von der Rems-Murr-Kreisvorsitzenden des Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen, Christine van Ofen, war bis Redaktionsschluss kein Statement zu erhalten.

Wilfried Klenk

Wilfried Klenk

Gernot Gruber

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Erstellt:
13. September 2019, 06:00 Uhr

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