Das Aus der A380 trifft auch den Südwesten
Zulieferer aus Laupheim und Überlingen sind vom Produktionsstopp des Riesenfliegers betroffen
Der einstige Hoffnungsträger A380 wird mangels Nachfrage nur noch bis 2021 gebaut. 3500 Stellen sind bei Airbus bedroht. Auch den Steuerzahler könnte das Aus des Riesenjets treffen.
Toulouse/Stuttgart „Die heutige Ankündigung ist schmerzlich für uns“, räumt der scheidende Airbus-Chef Tom Enders am Donnerstag bei seiner letzten Bilanz im französischen Toulouse ein. Gerade hat der 60-Jährige das vorzeitige Aus für das weltgrößte Passagierflugzeug A380 angekündigt. 2021 wird der letzte Riesenflieger mit Platz für bis zu 853 Passagiere aus den Produktionshallen rollen. Der erste wurde 2007 ausgeliefert. Der einzige verbliebene Großkunde Emirates hatte zuletzt seine Bestellungen auf 14 Modelle für die nächsten zwei Jahre reduziert. Weil auch sonst niemand neu ordert, läuft die Produktion in zwei Jahren nach nur einer Modellgeneration aus, was konzernweit bis zu 3500 Stellen kostet.
Auch bei den Zulieferern könnten Jobs auf der Kippe stehen. Wichtige Teile der A380 kommen aus Baden-Württemberg. Diehl Aviation (früher Diehl Aircabin) in Laupheim (Landkreis Biberach) baut Teile der Inneneinrichtung für den Riesenjet. Der Flugzeugausrüster gehört zum Nürnberger Diehl-Konzern und liefert die Decken- und Seitenverkleidungen in der Passagierkabine, die Gepäckfächer sowie die Verkleidungen für die Ruheräume der Flugbegleiter und der Cockpit-Crew sowie Klimarohre. In Laupheim sind rund 2700 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir haben umfangreiche Arbeitspakete für Kabine und Systeme bei der A380“, sagt ein Unternehmenssprecher. Schon seit einiger Zeit seien die Produktionsraten heruntergefahren worden. Auch der Diehl-Standort Überlingen mit seinen rund 300 Mitarbeitern ist betroffen, der Flugsteuerungssysteme und komplexe Flugelektronik für den Großraumflieger liefert. Man habe sich auf geringere Raten eingestellt, auch habe man ja noch drei Jahre Zeit, bis die Produktion der A380 eingestellt werde – und die wolle man nutzen. Zu möglichen Auswirkungen auf Arbeitsplätze wollte sich der Sprecher nicht äußern.
Bundesweit sind noch weitere Diehl-Standorte betroffen. Die Luftfahrtsparte Diehl Aviation umfasst die Bereiche Avionik und Kabinenausstattung inklusive Bordküchen, Bordtoiletten und Brandschutz, aber beispielsweise auch die Wasserversorgung und Klimatisierung. Sie hat rund 5700 Beschäftigte und dürfte dieses Jahr etwa 1,7 Milliarden Euro Umsatz erzielen, so der Sprecher. Zu den Diehl-Kunden zählen neben Airbus aber auch Hersteller wie Boeing, Bombardier oder etwa Embraer.
Auchder Allgäuer Flugzeugausrüster Liebherr-Aerospacemit Sitz in Lindenberg (Landkreis Lindau) ist von der Einstellung der A380 betroffen. „Wir haben uns vorbereitet und das Programm-Aus in unseren Planungen berücksichtigt“, teilt die Geschäftsführung mit. Liebherr-Aerospace liefert aus den Werken in Lindenberg und Friedrichshafen das Hochauftriebssystem und die Spoiler-Betätigung für die A380. Wegen des A380-Aus werde es bei Liebherr aber keinen Jobabbau geben, so die Geschäftsführung. Der Luftfahrtzulieferer ist nach eigenen Angaben unter anderem bei den neuen Airbus-Programmen sowie anderen Flugzeugprogrammen gut unterwegs.
An Bord der A380 ist auch derFlugzeugsitzhersteller Recaro Aircraft Seatingaus Schwäbisch Hall. „Schade ist es letztendlich für die vielen Passagiere, die von der A380 begeistert waren“, bedauert ein Sprecher. Recaro habe ein ausgeglichenes Lieferverhältnis, was Airbus und Boeing, aber auch die Flugzeugtypen angehe, heißt es weiter.
Unklar ist hingegen, in welchem Ausmaß die Airbus-Standorte, allen voran Hamburg, Bremen, Stade und Augsburg, Jobs streichen müssen, sagten Airbus-Chef Enders, der scheidende Finanzchef Harald Wilhelm und der im April antretende neue Airbus-Boss Guillaume Faury. Man müsse das mit Betriebsräten vor Ort besprechen.
Wie kaum ein anderer Industriekonzern betreibt Airbus ein europaweites Produktionsnetzwerk für Flugzeugteile aller Art. Dazu kommt eine noch komplexere Zuliefererstruktur. Zum Beispiel werden alle Flugzeugflügel in Großbritannien gefertigt, auch die der A380. Endmontiert werden die Flieger dann vor allem am französischen Firmensitz Toulouse und hierzulande in Hamburg. Insgesamt beschäftigt der Konzern mehr als 133 000 Mitarbeiter. „Wir sind da nicht reingestolpert“, verteidigte Enders das Wagnis A380, das nun unrühmlich endet. Beim Start des Projekts im Jahr 2000, mit dem die Europäer den US-Erzrivalen Boeing überflügeln wollten, seien die Prognosen für die Entwicklung der zivilen Luftfahrt noch anders gewesen. Rückblickend sei Airbus mit der A380 wohl zehn Jahre zu spät gekommen. Heute hingegen gehe der Trend in der zivilen Luftfahrt hin zu kleineren Maschinen wie der A320 neo oder der 787 von Boeing.
Das Ende des Riesenjets könnte auch den Steuerzahler treffen. In die Entwicklung des Flugzeugs flossen öffentliche Gelder. Ein Drittel der Entwicklungskosten von schätzungsweise 15 Milliarden Euro wurden als rückzahlbare Darlehen der Airbus-Kernnationen Deutschland, Frankreich und Spanien aus Steuergeldern gewährt, berichtet die Zeitung „Welt“. Mit jedem ausgelieferten Jet musste etwas vom Darlehen zurückgezahlt werden. Wie viele Millionen von Airbus beim Bundeswirtschaftsministerium noch ausstehen, sei nicht bekannt, schreibt das Blatt. Zudem muss der Konzern Sonderbelastungen stemmen – durch das Aus der A380, durch den Militärtransporter A400M und Rechtsstreitigkeiten um Geschäfte mit dem Kampfjet Eurofighter. Diese Belastungen summieren sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Dennoch sind unterm Strich 2018 mit drei Milliarden Euro knapp 30 Prozent mehr Jahresüberschuss und mit knapp 64 Milliarden Euro acht Prozent mehr Umsatz erzielt worden.