Autodesign-Experte

„Das Feingefühl haben deutsche Premiumhersteller vermissen lassen“

Sollen sich Elektroautos im Design deutlich von Verbrennerfahrzeugen unterscheiden? Das darf auf keinen Fall erzwungen aussehen, meint Autodesign-Professor Jürgen Jose.

Der neue Mercedes GLC:  massige Frontpartie.

© MBAG

Der neue Mercedes GLC: massige Frontpartie.

Von Peter Stolterfoht

Gestartet ist BMW mit einer eigens für das Elektroauto konzipierten Designsprache, was erstmals 2013 am i3 deutlich zu erkennen war. Danach stellten die Münchner optisch nicht mehr den Unterschied zwischen Verbrenner- und E-Fahrzeug heraus – mit Erfolg. Mercedes fährt mittlerweile dieselbe Strategie. VW dagegen setzt im Erscheinungsbild auf eine klare Trennung zwischen neuem und altem Antrieb – und trifft damit auch den Geschmack der Kundschaft. Was denn nun? Der Experte Jürgen Jose, Professor für Gestaltung an der Hochschule Pforzheim und zuvor Designer bei Kia und Volvo, gibt Antworten.

Herr Jose, was verstehen Sie unter gutem Fahrzeug-Design?

Grundsätzlich sollte das Design eines Automobils die Technologie und die Werte einer Marke transportieren. Im Idealfall beschreibt die Form die Funktion auf ansprechende Weise und trägt zu einem positiven und ganzheitlichen Erlebnis bei.

Mit Blick auf das Elektroauto heißt das?

Ein E-Auto hat etwas andere technische Voraussetzungen, und diese sollten sich in der Gestaltung des Fahrzeugs auch widerspiegeln. Ich halte aber nichts davon, ein E-Auto erzwungen anders aussehen zu lassen. Da gibt es Beispiele wie Lichtbänder, die sich über die ganze Front erstrecken, blaue oder schrill gelbe Details im In- und Exterieur oder durchsichtige oder schwarze Grillpaneele. Das ist alles Styling und erschöpft sich und den Betrachter schnell.

Wie sollte Ihrer Ansicht nach E-Design aussehen?

Bei einem Elektro-Auto sind die Räder aufgrund des höheren Leergewichts größer, was kürzere Überhänge möglich macht. Das ist für die Proportionen vorteilhaft und öffnet den Innenraum weiter als bei einem Verbrenner. Leider bringt die Batterie aber auch sogenanntes optisches Gewicht mit, was viele Hersteller zu kaschieren versuchen. Das erzeugt aber oft das Gegenteil. Das Auto wirkt gleichzeitig schwer und zu verspielt – gut zu sehen am aktuellen Audi A6 e-tron.

Man sollte sich beim Design stattdessen also daran orientieren, was für ein E-Auto entscheidend ist.

Genau. Die Effizienz spielt bei Elektro-Fahrzeugen eine größere Rolle als beim Verbrenner. Wenn man diese durch Aerodynamik verbessern will, ergeben sich daraus flachere Fronten, geschlossenere Felgen und eine stärker abfallende Dachlinie. Die Batterie benötigt zwar auch Kühlung, der Lufteinlass muss deshalb aber noch lange nicht so groß sein wie bei einem Verbrenner. Da ist Feingefühl bei der Gestaltung der Front gefragt, das haben aber gerade die deutschen Premiumhersteller in den letzten Jahren vermissen lassen.

Welche Design-Erkenntnis sollte sich durchsetzen?

Dass ein E-Auto dem Kunden abseits der emissionsfreien Fortbewegung einen Mehrwert bringen kann. Wenn man diesen gestalterisch vermitteln und gut umsetzen kann, wachsen die Chancen für ein auf dem Mark erfolgreiches Produkt. Gefragt ist ein gutes und ansprechendes Auto, was sowohl für ein E- als auch das Verbrenner-Fahrzeug gilt. Der Unterschied sollte dabei nicht überspitzt dargestellt werden.

Und wie sieht es mit den Bezeichnungen aus, sollten die schon deutlich auf eine E-Modellreihe hinweisen, wie bei Mercedes die EQ- oder bei VW die ID.-Serie? Volkswagen rudert allerdings schon wieder zurück und wird künftig die Klassikernamen „Golf“ und „Polo“ auch bei E-Autos verwenden.

Bei diesen Beispielen haben die Bezeichnungen meines Erachtens nach den wenigsten Einfluss auf die Akzeptanz und auf den Erfolg am Markt. Dann doch eher die Kombination aus Preis, Ästhetik, Wertigkeit, was die Fahrzeuge technisch leisten können und wie man die Elektromobilität in diesen Autos im Alltag erlebt.

Das Gespräch führte Peter Stolterfoht.

Der Professor und die Hochschule

Jürgen JoseSeit einem Jahr ist Jürgen Jose Professor an der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule in Pforzheim. 2008 machte er dort selbst sein Diplom in Transportation Design. Seine erste berufliche Station war der Design Center Europe von Kia in Frankfurt am Main. Es folgte der Wechsel nach Göteborg zunächst zu Geely Design Sweden und später zu Volvo, bevor er seine Lehrtätigkeit aufnahm.

StudiengangMit Beginn des Sommersemesters 2025 hat Jürgen Jose die Fachbereichsleitung B.A. Transportation Design übernommen. Der Studiengang schafft die Basis für den direkten Berufseinstieg als Junior-Designer oder Junior-Designerin. sto

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Erstellt:
4. September 2025, 06:12 Uhr

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