Ausbau von Heathrow

Das Flughafen-Monster für London soll 57 Milliarden Euro kosten

Der bedeutendste Flughafen Europas plant eine dritte Startbahn. Die Regierung ist dafür, 1,6 Millionen Einwohner befürchten das Schlimmste.

Jedes Jahr sollen künftig 66 Millionen zusätzliche Passagiere den Flughafen Heathrow nutzen.

© AFP/TOLGA AKMEN

Jedes Jahr sollen künftig 66 Millionen zusätzliche Passagiere den Flughafen Heathrow nutzen.

Von Peter Nonnenmacher

Heathrow Airport will es wissen. Der meistbenutzte Flughafen Europas, einer der größten der Welt, hat offenbar die Grenzen seiner Kapazität erreicht. Länger lasse sich der Bau einer dritten Startbahn zur Bewältigung des Verkehrsvolumens nicht mehr aufschieben, warnen die Flughafen-Eigner. Finanzministerin Rachel Reeves stimmt dem zu. Nur mit so einem Mammut-Projekt bringe man das Wirtschaftswachstum Großbritanniens „richtig in Gang“, hat sie erklärt. Mithin will die Regierung nun durchdrücken, was viele Jahre lang eins der umstrittensten Vorhaben in London war. Im September will Keir Starmers Kabinett grünes Licht für die Erweiterung Heathrows geben, gemäß des am Freitag vorgelegten Ausbau-Plans.

Von gegenwärtig 84 Millionen soll das jährliche Passagieraufkommen auf 150 Millionen erhöht werden. 750 Flugzeuge zusätzlich soll Heathrow jeden Tag dann abfertigen können. Ermöglichen soll das eine drei Kilometer lange neue Start- und Landebahn parallel zu den beiden bestehenden Bahnen. Um sie bauen zu können, muss die Ringautobahn M25 an einer der verkehrsreichsten Stellen der Metropole verlegt werden und in einem unterirdischen Tunnel verschwinden. Zwei Ortschaften mit 750 Häusern müssen abgerissen und mehrere Flüsse umgeleitet werden. Außer gigantischen neuen Flughafen-Hallen sind die zwei größten Parkplätze der Welt geplant.

Für die Anwohner des Flughafens würde der Bau nicht nur jahrelanges Chaos, sondern auch ein beispielloses Verkehrsaufkommen und viel mehr Fluglärm als heute bedeuten. 1,6 Millionen Menschen im weiteren Bereich West-Londons, die schon lang über den Fluglärm stöhnen, müssen befürchten, dass künftig zu Stoßzeiten jede Stunde vier Dutzend Flüge mehr über ihre Dächer donnern als bisher. Immerhin liegt Heathrow, anders als etwa Gatwick oder Stansted, inmitten dicht bebauter Wohngebiete in der Neun-Millionen-Stadt. Schon in früheren Jahren, als Ausbau-Pläne dieser Art erwogen wurden, hatten Londoner, die unter den Einflugschneisen leben, von einem „Alptraum“, einem „Monsterplan“ gesprochen. Bürgermeister Sadiq Khan sah „eine Umweltkatastrophe“ für seine Stadt am Horizont.

Von Klimawandel spricht nur noch Greenpeace

Organisationen wie Greenpeace hatten erklärt, es sei „ja wohl ein Witz“, wenn man in Heathrow behaupte, der Flugverkehr könne derart intensiviert werden, ohne dass sich der Straßenverkehr, der Lärm, die Luftvergiftung und der Kohlenstoff-Ausstoß vervielfache: „Fast müsste man darüber lachen – wenn wir uns nicht vor einer Klimakatastrophe sähen.“

Die Flughafen-Eigner – ein vom französischen Konzern Ardian geleitetes Investoren-Konsortium, dem auch Geldgeber aus Saudiarabien und Qatar angehören – pochen hingegen darauf, dass der Ausbau privat finanziert werde, dass er für die britischen Steuerzahler und die britische Wirtschaft also nur von Nutzen sei. Natürlich, hat Thomas Woldbye, Heathrows Aufsichtsrats-Chef, erklärt, müssten „unsere Aktionäre die Gewissheit haben, dass die nötigen politischen Veränderungen eingeleitet werden“, und dass der Flughafen Passagieren über ihre Tickets entsprechende Extra-Gebühren abverlangen kann.

Verkehrsministerin Heidi Alexander hat versichert, dass diverse staatliche Restriktionen, die vormals Ausbaupläne behinderten, per Gesetz zügig abgeschafft werden würden. Zugleich will die Regierung dafür sorgen, dass mit einer Neuorganisation der Einflugschneisen und zusätzlichen Fluglotsen so viel mehr Flüge bewältigt werden können in diesem begrenzten Raum. Generell geht man davon aus, dass letztlich ausreichend viele Labour-Abgeordnete dem Plan zustimmen werden. Die Konservativen haben ihre Unterstützung schon lange zugesagt.

Alle Tory-Regierungen der jüngsten Vergangenheit hatten den Ausbau für nötig gehalten – nachdem David Cameron vor 15 Jahren noch erklärt hatte, es gebe mit ihm „kein Wenn und Aber, keine dritte Startbahn“, und Boris Johnson einmal feierlich gelobte, falls die Bulldozer je zum Bau einer solchen Startbahn anrollten, würde er sich aus Protest vor ihre Schaufeln legen.

Am Ende bremste nur noch Covid die Ausbaupläne

Gedacht ist an eine Bauzeit von zehn Jahren. Heathrow Airport wird nach letzten Schätzungen 50 Milliarden Pfund (57 Milliarden Euro) für den Neubau ausgeben. Schon 2018 hatte das Unterhaus die dritte Startbahn grundsätzlich bewilligt. 2020 stoppte aber ein hohes Gericht den Plan zeitweise, weil es darin einen Verstoß gegen die Klima-Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs sah. Dieses Urteil wurde im selben Jahr noch vom Obersten Gericht aufgehoben. Im Anschluss daran vereitelte dann aber die Covid-Epidemie alle Ausbaupläne, weil das Passagieraufkommen für die Dauer mehrerer Jahre drastisch sank.

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Erstellt:
1. August 2025, 16:44 Uhr

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