Das freundliche Gesicht des Islam

Württembergs Landeskirche pflegt gute Beziehungen zum Oman

Visite - Durch einen Studentenaustausch zwischen Württemberg und dem Oman will Landesbischof Frank Otfried July die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen verbessern.

Maskat Zwanzig Minuten rauscht der Minivan über die fast leere Stadtautobahn von Maskat. Doch plötzlich, kurz vor dem Kirchenareal, das die kleine Gruppe um den württembergischen Landesbischof Frank Otfried July ansteuert, ist Stau. Autos bringen Gläubige nach Ghala, eines von vier „Kirchen-Arealen“ des Oman. Schlichte, hallenartige Gotteshäuser von Orthodoxen, Katholiken und Protestanten stehen dort nebeneinander auf einem Gelände, das so groß ist wie drei Fußballfelder.

An diesem Morgen wimmelt es von Menschen im Sonntagsstaat. In der „Bosch Hall“ – benannt nach einer Missionarsfamilie – sitzen rund 400 Inder, Filipinos, Schwarzafrikaner, Europäer und Amerikaner. Sie folgen dem charismatisch angehauchten Gottesdienst der Protestant Church of Oman, singen moderne Lieder, hören der Predigt zu, die vor der Verweltlichung des Christentums warnt. Und sie applaudieren Frank Otfried July, als der evangelische Bischof aus Stuttgart für Frieden und den Dialog zwischen Christen und Muslimen wirbt.

Der 64-Jährige und seine Landeskirche halten den Oman für geeignet, um das Verständnis zwischen den Religionen zu fördern, weil hier offenbar schon vieles gelingt, was in anderen arabischen Ländern undenkbar ist. Die Christen in Maskat sehen das ähnlich. „Ich bleibe hier, solange es geht“, sagt der Elektroingenieur Greg Arney, der vor sechs Jahren aus Australien auswanderte. „Der Herr im Himmel hat mich beauftragt, die Araber zu lieben.“ Schwierig sei nur der Umgang mit den unterschied­lichen Abstammungen.

Auch Armin Eberlein ist voll des Lobes. „Wir haben hier als Christen viele Freiheiten. Die Gastfreundschaft ist toll, das Land wunderschön“, sagt der Informatiker, der vor 25 Jahren Deutschland verließ und von der pietistischen Hahnschen Gemeinschaft geprägt ist. Christen müssten sich nicht verstecken, sie dürften über ihren Glauben reden, sollten nur nicht offensiv missionieren. In den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo er jahrelang lebte, sei das gesellschaftliche Klima längst nicht so offen gewesen.

Doch die religiöse Freiheit ist auch im Oman nicht grenzenlos. Der große Sicherheitsapparat hat seine Augen überall und hält die Opposition klein. Die Gemeinden der christlichen Minderheit, die etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht und vor allem aus Einwanderern besteht, bleiben zwar weitgehend unbehelligt, doch ihr Betätigungsfeld ist streng reglementiert. Die Grundstücke für ihre Kirchen gehören dem Staat. Wer zum Christentum wechselt, dem drohen die gesellschaftliche Ächtung und der Verlust des Arbeitsplatzes. Er halte seine Bekehrung geheim, erzählt ein zum christ­lichen Glauben gekommener Iraner.

Gleichwohl kann das Sultanat als Vorbild in der arabischen Welt dienen. Während in Saudi-Arabien öffentliche Gottesdienste untersagt sind, urteilt das katholische Hilfswerk Missio: „In Oman werden religiöse Vielfalt und eine friedliche Koexistenz der Religionen aktiv gefördert.“ Religionsminister Sheikh Abdullah bin Mohammed al-Salmi sucht den Kontakt zum Westen. Er hat einen Ableger der Technischen Hochschule Aachen nach Maskat geholt. Und er begrüßt July herzlich auf seinem feudalen Landsitz.

Bei einem wissenschaftlichen Kongress in Tübingen haben sich die beiden vor einigen Jahren kennen- und schätzen gelernt. Kurz darauf wurde July in das Sultanat eingeladen. Auch jetzt lässt die Aufwartung für den Protestanten selbst Diplomaten staunen. Der Außenminister nimmt sich ebenso Zeit wie der Religionsminister und zwei Männer, die als potenzielle Thronfolger gehandelt werden. Nur der Sultan Qabus ibn Said, der seit bald 50 Jahren das Land autoritär ­regiert, ist nicht zu sprechen.

„Ich will meinen Beitrag zum Frieden leisten, in einer Welt, die im Umbruch ist“, sagt July. Er hat ein Projekt der interreligiösen Verständigung mit angestoßen, das nun in eine neue Phase geht: ein Austauschprogramm von Theologiestudenten sowie Studenten der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg mit Scharia-Studenten aus dem Oman. „Die protokollarisch sehr hoch angesiedelte Visite des Bischofs kommt in allen hiesigen Nachrichten“, sagt Heinrich Georg Rothe. Das Vorhaben sei für beide ein Wagnis: hier die Württemberger mit ihrer tendenziell konservativ pietistischen Prägung, dort eine sehr traditionelle Gesellschaft.

Während die Deutschen schon viermal im Oman waren, gab es erst einen Gegenbesuch. „Die Biergärten, die Freizügigkeit der Gesellschaft, die Musik bei uns – das alles ist für diese frommen Muslime zunächst eine Zumutung“, berichtet Rothe. Doch die Männer sollten lernen, dass für sie fremde Verhaltensweisen nicht gleich Unmoral bedeuten.

Ebenso taten sich die Studenten aus Deutschland mit omanischen Sitten schwer, besonders der Geschlechtertrennung und den Bekleidungsregeln. Auch die Lehre ist ganz anders als in Tübingen, weil es in Maskat vor allem um Auslegung von Rechtsentscheidungen geht. Im Juli kommen die nächsten Studenten aus dem Oman. Aus Tübingen kommen diesmal auch Studenten der katholischen Theologie und des Islam mit.

Salim al-Sheidi hat es in Deutschland gefallen. Der Schnee auf den Alpen und die grünen Berge haben ihn beeindruckt. „Es ist gut, Christen besser kennenzulernen“, meint er. Nur, dass so viele Leute in Europa nicht zu Kirche gingen und ihren Glauben verloren hätten, versteht er nicht. „Wir brauchen doch alle mehr Kontakt zu Gott.“

Dass das Projekt nur ein kleiner Schritt auf einem weiten Weg ist, weiß July. Er will trotzdem eine Botschaft aussenden: Nicht nur Frieden zwischen den großen Glaubensgemeinschaften sei möglich, sondern der gemeinsame Einsatz für eine gute Zukunft. „Der Dialog darf keine Sache der Experten bleiben, er muss auch die Basis erreichen.“

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Erstellt:
5. März 2019, 03:04 Uhr

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