Das Geld ist nicht der Anreiz

Das Ehrenamt Stadt- oder Gemeinderat wird mit Aufwandsentschädigungen vergütet – Besonders lukrativ ist es dennoch nicht

Gemeinde- und Stadträte sind ehrenamtlich aktiv. Dennoch bedeutet dieses Ehrenamt auch über die Sitzungen hinaus einiges an Arbeit – das vergüten die Städte und Gemeinden mit einer Aufwandsentschädigung. Diese fällt – je nach Kommune – ziemlich unterschiedlich aus. Einig sind sich aber alle Beteiligten: Reich wird damit niemand.

Wenn beispielsweise der Haushalt auf der Tagesordnung steht, haben die Stadträte in Backnang allerhand damit zu tun, die Sitzungen vor- und nachzubereiten. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Wenn beispielsweise der Haushalt auf der Tagesordnung steht, haben die Stadträte in Backnang allerhand damit zu tun, die Sitzungen vor- und nachzubereiten. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Wegen des Geldes macht das keiner, ist sich Timo Mäule, Hauptamtsleiter der Stadt Backnang, sicher. „Zur Arbeit im Gemeinderat gehört viel Enthusiasmus dazu“, sagt er. Denn wenn er auflistet, was die einzelnen Stadträte an Entschädigungen für ihr Wirken im Ehrenamt erhalten, mag das im ersten Moment zwar nach viel klingen, setzt man es aber mit dem zugehörigen Aufwand ins Verhältnis, sieht man bald: Reich wird damit niemand. 160 Euro erhalten die Stadträte pro Monat, hinzukommen 55 Euro pro Sitzung bei Teilnahme. Zusätzlich erhalten die Fraktionsvorsitzenden eine Pauschale von 75 Euro sowie 8 Euro pro Mitglied in der Fraktion. Weitere Entschädigungen werden für die ehrenamtlichen Stellvertreter des Oberbürgermeisters fällig: Sie erhalten zwischen 45 und 75 Euro im Monat.

In den Gemeinden im Umland fallen die Entschädigungen recht unterschiedlich aus – das gilt aber genauso für den zeitlichen Aufwand. In Spiegelberg etwa erhalten die Gremiumsmitglieder eine monatliche Pauschale von 30 Euro, hinzu kommen 5 Euro, wenn sie in einem Ausschuss mitwirken. Die beiden Stellvertreter des Bürgermeisters erhalten außerdem noch eine Pauschale von 60, beziehungsweise 45 Euro im Monat. Wie Hauptamtsleiter Max Schäfer mitteilt, stehen für die Räte in diesem Jahr voraussichtlich 13 Sitzungen an. „Aufgrund der vielen anstehenden Projekte können es aber auch noch mehr werden“, sagt er.

Entschädigungen orientieren sich am öffentlichen Dienst

Etwas anders sieht die Situation in Weissach im Tal aus, hier werden die Gemeinderäte gemäß der zeitlichen Inanspruchnahme entschädigt. Diese beträgt beispielsweise 16 Euro bei bis zu 2 Stunden, bei mehr als 8 Stunden werden hingegen 64 Euro fällig. Man habe die Entschädigungssätze denen der Nachbarkommunen angeglichen, erläutert Hauptamtsleiter Alexander Holz. Insgesamt standen 24 Gemeinderats- und Ausschusssitzungen im Kalender des vergangenen Jahres. Einen Zusatzbetrag bekommen auch in Weissach die stellvertretenden Bürgermeister: Sie erhalten zusätzlich pauschal 50 Euro pro Monat. Und auch den Vorsitzenden der einzelnen Fraktionen steht eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 50 Euro im Jahr für jedes im Gemeinderat vertretene Fraktionsmitglied zu.

In Backnang, erläutert Timo Mäule, ist die Aufwandsentschädigung in ihrer Betragshöhe an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes angelehnt. Die Löhne und Gehälter in diesem Bereich waren seit 2014 – dem Zeitpunkt der letzten Anpassung der Entschädigungssätze – um gut 13 Prozent angestiegen. Im September 2018 beschloss der Gemeinderat daher eine Anpassung der Aufwandsentschädigung an diese Entwicklung. „Die Große Kreisstadt ist mit einer Gemeinde nicht vergleichbar“, betont Mäule. Der Aufwand, den die Räte haben, nehme andere Ausmaße an, als in den Kommunen im Umland. Allein 69 Eintragungen standen im Sitzungsterminplan der Stadt Backnang für 2018. Und das ist nur ein Teil des Aufwandes, den die Stadträte mit ihrem Ehrenamt haben.

„In den Pauschalen ist so ziemlich alles inklusive“, erklärt Ute Ulfert. Zwar können die Räte den Verdienstausfall auch in Form zeitlicher Inanspruchnahme geltend machen, das, so Ulfert, mache aber keiner. Die Vorsitzende der CDU-Fraktion und erste Stellvertreterin des OB bekommt von allen Stadträten die höchste Entschädigung – viel mehr als bei einem Job auf 450-Euro-Basis ist das jedoch nicht. Nur zur Sitzung zu erscheinen wäre für sie undenkbar. Zehn Stunden Gemeinderatsarbeit in der Woche – das sei nicht ungewöhnlich. Mindestens einmal im Monat treffe sich die Fraktion zur Vorbereitungssitzung, komplexe Themen arbeite auch jeder Stadtrat für sich noch einmal auf. Zudem werde erwartet, dass man sich bei Festakten, Gedenkfeiern, Sportereignisse oder sonstigen Veranstaltungen blicken lässt. Als Vertreterin des OB besucht Ulfert auch ältere Bürger zu ihrem Geburtstag. Das alles leistet die Ärztin in ihrer Freizeit.

Ein Teil des Geldes fließt in die Fraktionskasse

Ähnliche Aufgaben wie Ulfert hat auch Heinz Franke, Vorsitzender der SPD-Fraktion und zweiter OB-Stellvertreter. „Die Arbeit im Gemeinderat ist sehr vielschichtig“, erklärt er. Um über manche Sachfragen angemessen entscheiden zu können, tausche man sich im Vorfeld mit Experten auf dem Gebiet aus. Die meisten Stadträte sind zudem auch in verschiedenen Ausschüssen Mitglied. Gerade wenn Themen wie der Haushalt auf der Tagesordnung stehen, sei zudem viel Vor- und Nacharbeit notwendig. Zudem bekomme man auch einige Anfragen von Bürgern per E-Mail, die Franke gewissenhaft beantworte. Insofern sei das Geld, das die Stadträte für ihr Ehrenamt bekommen, eben wirklich nur eine Entschädigung. „Für das Geld würde kein Mensch zur Arbeit gehen“, sagt Franke. Sowohl er als auch Ute Ulfert geben an, einen Teil der Entschädigung in die Fraktionskasse abzugeben – mit dem Geld wird beispielsweise der Wahlkampf bestritten.

Beide Räte werden oft auf der Straße von Bürgern angesprochen. „Das gehört dazu, man will ja auch hören, was die Leute bewegt“, sagt Franke. Er bekomme allerdings auch manchmal „saumäßig böse Briefe“, erzählt er. Da brauche man ein dickes Fell. Spaß mache ihm das Ehrenamt dennoch. „Man will ja schließlich etwas bewirken“, betont auch Ulfert. „Da muss ein bisschen Liebe für die Kommunalpolitik dabei sein.“

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Erstellt:
17. April 2019, 06:00 Uhr

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