Landeskommandeur warnt vor Russland

„Das ist Phase eins des Angriffsplans“

Seit Monaten warnt der Landeskommandeur der Bundeswehr, das Land müsse sich auf den Ernstfall vorbereiten. Bei einer Tagung zeigt sich, wie viel in Kommunen zu tun ist.

Der Landeskommandeur der Bundeswehr, Michael Giss, nimmt kein Blatt vor den Mund.

© dpa/Marijan Murat

Der Landeskommandeur der Bundeswehr, Michael Giss, nimmt kein Blatt vor den Mund.

Von Annika Grah

Dass Michael Giss keiner ist, der ein Blatt vor den Mund nehmen würde, weiß, wer dem Landeskommandeur der Bundeswehr in den vergangenen Monaten zugehört hat. Seit der Kapitän zur See das Amt vor einem Jahr übernommen hat, meldet er sich häufig und für manche immer noch ungewohnt deutlich zu Wort. So auch am Dienstag: „Ich bin zutiefst überzeugt. Die zivile Verteidigung muss politisch und in der öffentlichen Debatte ganz nach oben“, sagt Giss bei einer Fachtagung des „Staatsanzeigers“ zum Thema zivile Verteidigung.

Angriffswelle hat längst begonnen

Sei Monaten wiederholt der Landeskommandeur sein Mantra: Deutschland sei der Ernst der Lage durch die Bedrohung nicht bewusst. Dabei ist es nicht zuletzt Giss, der schon lange vor den ersten Drohnensichtungen auf Nato-Gebiet warnte, dass Russland längst hybride Angriffe auf Deutschland fahre. „Dieser ganze hybride Teil ist für Russland die Phase eins ihres Angriffsplans“, sagt er. Russlands Militärdoktrin gebe vor, dass eine Nation über Jahre mit hybriden Mitteln sturmreif geschossen werde, bevor tatsächlich angegriffen werde. Russland habe einen langen Atem, so Giss. „Man muss es jedem in diesem Land, der es noch nicht begriffen hat, immer wieder klar machen.“

Denn selbst, wenn nicht auf deutschem Boden gekämpft wird, dürften die Auswirkungen spürbar sein. Baden-Württemberg, das ist inzwischen allseits bekannt, wird im Nato-Bündnisfall Drehscheibe für Truppentransporte nach Osten sein. Und auf den Fall, das machte Giss deutlich, müsse man sich schon jetzt vorbereiten. Das Land müsse sich aber auch auf die Versorgung von Verletzten und Flüchtlingen einstellen. „Da wird 2015 ein Warm-up gewesen sein“, sagt Giss. „Dann brauchen wir Strukturen, die auf Knopfdruck da sind und funktionieren.“

Kommunikationsstrukturen noch unklar

Vom Knopfdruck, das wird anhand der Fragen von Behördenvertretern bei der Tagung auch deutlich, ist man in manchen Kommunen in Baden-Württemberg aber noch weit entfernt. Manchem ist noch nicht klar, wer wem auf ziviler Seite welche Anweisungen gibt: Wer überhaupt Aufträge an Logistiker vergebe, ist eine Frage an Giss. Ein anderer will wissen, wer denn überhaupt die unteren Behörden anleitet. Und eine andere Dame fragt, wie sie die Menschen sensibilisiert, in Zeiten, in denen Trends wie „Hobbydogging“ oder „Pudding mit der Gabel essen“ in sozialen Medien Millionen Menschen bannen. Die Antwort von Giss: „Pudding essen mit der Gabel ist ganz toll, aber morgen früh nehmen wir das G36 und halten den Feind auf.“

Die Debatte um die Wehrpflicht hält der Landeskommandeur indessen für verfehlt. Die Personalfrage ist aus seiner Sicht die Achillesferse der Bundeswehr. „Wir sind auch da noch nicht gesellschaftlich aus der Friedensdividende heraus. Es muss sich ganz schnell etwas tun.“

Für die Landesregierung, die kommende Woche in Staatsministerium zu einem „sicherheitspolitischen Dialog“ lädt, hat Giss allerdings inzwischen lobende Worte übrig. „Die Politik ist dabei, hat die Dinge erkannt“, sagt er. „Da muss man nicht mehr die Tür durchtreten.“

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Erstellt:
11. November 2025, 15:12 Uhr

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