Das stille Sterben

Die Konferenz zum Artenschutz kann einige Erfolge vorweisen. Doch es braucht mehr.

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Der Klimawandel ist längst auch in unseren Breiten für jeden erkennbar, der nicht aktiv wegschaut. Hitzewellen oder Überschwemmungen können wir am eigenen Leib spüren. Bei der zweiten großen ökologischen Bedrohung, dem rasanten Verlust von Tier- und Pflanzenarten, ist das anders. Wenn in Brasilien eine Käferart ausstirbt, die vielleicht noch gar nicht beschrieben worden ist, oder ein unscheinbares Kraut im Unterholz des Regenwaldes, merken wir davon zunächst nichts.

Dennoch halten Ökologen den Verlust an Biodiversität, der auch hiesige Ökosysteme betrifft, für gefährlicher als den Klimawandel. Richtig ist: Wenn eine Spezies ausgestorben ist, bleibt sie für alle Zeiten verschwunden. Das Klima lässt sich dagegen zumindest in der Theorie wieder ins Lot bringen: durch die Senkung des Treibhausgasausstoßes und den Entzug von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Allerdings bewegen wir uns bislang in die umgekehrte Richtung.

Am Ende haben Klimawandel und Artensterben dieselbe Ursache: die Ausbeutung der Ökosysteme durch eine weiter steigende Zahl von Menschen mit wachsenden Ansprüchen. Beide Negativtrends beeinflussen sich zudem gegenseitig. Der Klimawandel verändert in kurzer Zeit die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen und trägt so zum Artensterben bei. Gleichzeitig wirkt sich eine geringere Artenvielfalt negativ auf die Stabilität und Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen aus und gefährdet damit deren Fortbestand, was sich etwa beim tropischen Regenwald direkt auf das Klima auswirkt.

Doch mit dem Artenschutz tut sich die Staatengemeinschaft ähnlich schwer wie mit dem Klimaschutz. Seit jeher appellieren Naturschützer auch an die Verantwortung des Menschen, andere Lebewesen um ihrer selbst willen zu erhalten. Ethische Argumente haben es in der Ära der globalen Gewinnmaximierung indes immer schwerer – auch wenn mittlerweile jedes größere Unternehmen einen hübschen Nachhaltigkeitsbericht verfasst. Das praktische Handeln aber bestimmen weiterhin Euro und Dollar.

Darin liegt wiederum eine Chance. Denn auch bei rein wirtschaftlicher Betrachtung führt kein Weg am Artenschutz vorbei. Ein Beispiel: Insekten bestäuben Obstbäume und andere Nutzpflanzen. Diese Leistung ist je nach Rechenmethode Hunderte Milliarden Dollar pro Jahr wert. Fiele sie weg, hätte das gravierende wirtschaftliche Folgen. Oder: Wenn Wildtieren immer weniger Platz zum Leben bleibt, rücken sie näher an die Menschen heran und erhöhen so das Risiko, dass Krankheiten aus dem Tierreich auf uns überspringen. Und: Bedrohte Tier- oder Pflanzenarten könnten einmal gebraucht werden, um neue, klimaangepasste Nutzpflanzen und -tiere zu züchten oder Medikamente zu entwickeln.

Das Problem ist, dass sich das Artensterben erst mittel- und langfristig auswirkt. Unternehmen und Politiker denken dagegen bis zur nächsten Bilanz oder bis zur nächsten Wahl. Zum dringend nötigen Bewusstseinswandel beitragen würden realistische Preise für die Nutzung von Natur. Die daraus entstehenden Einnahmen könnten eingesetzt werden, um bedrohte Arten und ihre Lebensräume zu schützen – etwa durch die Ausweisung von Schutzgebieten oder Ausgleichszahlungen für Nutzungsbeschränkungen.

Die Widerstände gegen die weltweite Etablierung eines solchen Systems sind so groß wie lange nicht. Es nicht zu versuchen, wäre aber fahrlässig, denn die Zeit drängt. Immerhin haben die Delegierten bei der Artenschutzkonferenz in Usbekistan jetzt einen besseren Schutz von Haien, Rochen und Fröschen beschlossen. Dem müssen noch viele weitere Schritte folgen.

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Erstellt:
3. Dezember 2025, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
3. Dezember 2025, 23:49 Uhr

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