Sozialstaat
Debatte mit schiefen Vergleichen
Gibt niemand mehr für Soziales aus als die Deutschen? Eine aktuelle Studie will diesen Eindruck erwecken – und damit Politik machen, kommentiert Rainer Pörtner.
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Besonders viel Geld gibt die Bundesrepublik für die finanzielle Absicherung im Alter aus.
Von Rainer Pörtner
Diese Woche ist Haushaltswoche. Der Bundestag berät und beschließt das Haushaltsgesetz 2026. Genau hinein in die Debatten über Staatsausgaben im Generellen und Rentenkosten im Speziellen präsentiert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Studie, die aufschrecken soll: Deutschland, so die Kölner Forscher, liege bei den Ausgaben für die soziale Sicherung an der Spitze: 41 Prozent der Gesamtausgaben seien 2023 auf diesen Posten entfallen – davon allein die Hälfte für die Alterssicherung. Damit übertreffe die Bundesrepublik sogar die nordischen Länder.
Arbeitgebernahes Institut
Das IW gilt als arbeitgebernah – und entsprechend einseitig ist diese Darstellung. Deutschland liegt nur dann an der Spitze, wenn man wichtige Länder wie Frankreich nicht mit vergleicht. Das IW schaut hier auch schlagzeilenträchtig auf den Anteil der Sozialausgaben an den Staatsausgaben.
Viel aussagekräftiger ist das Verhältnis der Sozialausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also zu dem, was eine Gesellschaft erwirtschaftet. Diese Quote betrug 2023 in Deutschland rund 30 Prozent des BIP. Sie lag damit zwar klar über dem Durchschnitt der OECD-Staaten, aber doch niedriger als in Ländern wie Österreich, Finnland und Frankreich.
Eine Reform des deutschen Sozialstaats ist dringend erforderlich. Die Debatte dazu sollte jedoch nicht mit schiefen Vergleichen und allzu selektiver Zahlenauswahl geführt werden.
