Debatte um Veranstaltungsverbote

dpa/lsw Stuttgart. Zunehmend wirkt sich die Gefahr durch das Coronavirus auch auf die größeren Veranstaltungen aus. Die Schweiz und Frankreich verbieten rigoros, auch in Deutschland werden Messen abgesagt. Sozialminister Lucha sieht für viele Veranstaltungen aber noch kein größeres Risiko.

Nach Einschätzung des baden-württembergischen Sozialministers Manne Lucha (Grüne) müssen Großveranstaltungen wie zum Beispiel Bundesligaspiele trotz des Coronavirus nicht grundsätzlich untersagt werden. Es sei zwar vernünftig gewesen, die weltgrößte Reisemesse, die ITB in Berlin, abzusagen, weil wegen der globalisierten Zielgruppe keine echte Steuerung mehr möglich gewesen sei. „Aber Stand heute braucht man Bundesligaspiele nicht absagen, auch wenn das die Veranstalter entscheiden“, sagte Lucha der Deutschen Presse-Agentur. Abhängig sei eine Absage davon, „ob Risikopersonen oder -zielgruppen stärker angezogen werden“.

Am Samstag hatte nach der Schweiz auch Frankreich entschieden, größere Veranstaltungen wegen der Ansteckungsgefahr zu verbieten. Während die Schweiz Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen untersagte, setzte Frankreich diese Grenze bei 5000 Menschen an.

Für Deutschland hatte der Krisenstab der Bundesregierung am Freitag empfohlen, bei der Risikobewertung von Großveranstaltungen die Prinzipien des Robert Koch-Instituts zu berücksichtigen. Bei Anwendung dieser Prinzipien sollten aus Sicht des Krisenstabs „unmittelbar bevorstehende internationale Großveranstaltungen“ abgesagt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dennoch für „Maß und Mitte“ beim Umgang mit dem neuartigen Coronavirus plädiert. Es sollten nicht alle Veranstaltungen deshalb abgesagt werden.

In Baden-Württemberg hatte zuletzt die Karlsruher Messe entschieden, die anstehende Nahverkehrsmesse IT-Trans aus Sicherheitsgründen zu verschieben. Die Anfragen und gesundheitlichen Bedenken der Teilnehmer hätten zuletzt deutlich zugenommen, hieß es in der Mitteilung der Veranstalter.

Zum Ende der Faschingsferien versuchen auch die Behörden in Baden-Württemberg, das Risiko von Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus so weit wie möglich zu verringern. Nach Kindern, Schülern, Lehrern und vielen Beamten sollen auch Polizisten zunächst vorsorglich zu Hause bleiben, wenn sie in den vergangenen Tagen aus einem Risikogebiet für das neuartige Coronavirus zurückgekehrt sind. Dies gelte unabhängig von eigenen Krankheitssymptomen, wie aus einem internen Schreiben des Innenministeriums hervorgeht, das der dpa vorliegt. Die Beamten würden vom Dienst freigestellt, bis ihr Gesundheitszustand zweifelsfrei geklärt sei.

Als Risikogebiete nennt das Ministerium die norditalienische Provinz Lodi in der Region Lombardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua (Region Venetien) sowie Teile Chinas, des Irans und Südkoreas.

Zuvor hatte bereits das Kultusministerium eine ähnliche Vorgabe für Kindertagesstätten und Schulen herausgegeben. Unklar ist, wie viele Menschen von diesen Einschränkungen betroffen sind. „Hier geht es sicherlich nur um Einzelfälle, eben um jene, die sich kürzlich in einem der Risikogebiete aufgehalten haben“, sagte Lucha. Die Ferien enden in Baden-Württemberg an diesem Montag.

Nach derzeitigen Erkenntnissen sind in Baden-Württemberg 15 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die Zahl war nach einer neuen Meldung am Samstag weiter gestiegen.

Lucha gibt sich aber zuversichtlich, die Lage im Südwesten zu kontrollieren. „Wir haben nach wie vor keinen kursierenden Erreger“, sagte er der dpa. „Denn wir haben einen Überblick über die meisten Kontaktketten und reden nach wie vor von einzelnen Fällen oder von Clustern.“ Ein Dutzend der bisherigen Fälle könnte eingegrenzt werden, bei zwei weiteren werde die Infektionskette abgeklärt. „Das ist der Unterschied zum Beispiel zu den nordrhein-westfälischen Fällen. In Baden-Württemberg haben wir außerdem relativ moderate Verläufe“, sagte Lucha.

Die meisten sogenannten Sars-CoV-2-Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome. 15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom RKI. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, weit mehr als bei der Grippe.

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Erstellt:
1. März 2020, 10:35 Uhr

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