Streit um Antirassismus-Demos: Kunzmann bekommt Ärger

dpa/lsw Stuttgart. Der Landesdemografiebeauftragte äußert sich auf Facebook kritisch zu Anti-Rassismus-Demos. Die SPD fordert daraufhin seinen Rücktritt, der Ministerpräsident will ihm die Leviten lesen lassen. Die Polizeigewerkschaft sieht das anders.

Thaddäus Kunzmann gestikuliert bei einem Gespräch. Foto: picture alliance / Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Thaddäus Kunzmann gestikuliert bei einem Gespräch. Foto: picture alliance / Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai in den USA sorgt auch in der baden-württembergischen Landesregierung für Diskussionen. Der Demografiebeauftragte Thaddäus Kunzmann hatte sich kritisch über die Antirassismus-Demonstrationen geäußert und vor einer Verherrlichung des „Gewaltverbrechers“ Floyd gewarnt. Wegen dieser Äußerung auf Facebook gerät Kunzmann zunehmend unter Druck. „Ich habe den Sozialminister beauftragt, ihn einzubestellen und ihm die Leviten zu lesen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart.

Kunzmann hatte geschrieben, es gehe ihm gegen den Strich, dass auch die hiesige Polizei als „latent rassistisch“ bezeichnet werde. Den Beitrag hat er mittlerweile gelöscht, am Montagabend hatte er aber erneut Stellung bezogen: Den ursprünglichen Kommentar habe er als „Bürger Thaddäus Kunzmann“ auf seinem privaten Account gepostet. Er habe den Tod George Floyds darin nicht relativieren wollen, aber: „In Deutschland wäre Floyd so nicht gestorben. Wir haben in Deutschland keine Bevölkerungsmitte, die rassistisch denkt, und auch keine Polizei, die willkürlich gewalttätig ist.“

SPD-Generalsekretär Sascha Binder hatte am Montag Kunzmanns Rücktritt gefordert. Kretschmann betonte dagegen: „Zunächst mal muss man mit den Betroffenen reden.“ Dies sei „ein Gebot der Fairness“. Andere legten nach. „Die Aussagen des Demografiebeauftragten Kunzmann irritieren uns Grüne. Im Eintreten gegen Diskriminierung müssen sich alle ihrer Verantwortung stellen: Behörden, Institutionen, Bürgerinnen und Bürger“, sagte etwa Uli Sckerl, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag.

Ein Sprecher des Sozialministeriums äußerte sich zweideutig: „Herr Kunzmann ist unabhängiger Demografiebeauftragter der Landesregierung und nicht weisungsgebunden.“ Er fügte aber hinzu: „Vom Inhalt seines Posts distanzieren wir uns aufs Schärfste. Er widerspricht der Antidiskriminierungspolitik unseres Ministeriums diametral.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft im Südwesten hingegen stärkte Kunzmann den Rücken. „Das Auftreten der Polizei in den USA hat seine Ursache in der dortigen Kriminalität. Deutschland und die USA sind in diesem Bereich völlig unterschiedlich“, sagte der Landesvorsitzende Ralf Kusterer und stellte klar: „Wir stehen auf den Füßen des Grundgesetzes und der Landesverfassung.“ Wegen seiner Hautfarbe werde niemand benachteiligt.

In seinem neuen Post veröffentlichte Kunzmann ein Interview mit der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken, die gegenüber der Funke-Mediengruppe am Montag vor „latentem Rassismus“ in den Reihen der Polizei gewarnt hatte.

Auch jenseits des Politgeschehens treibt der Tod Floyds die Menschen im Land um. Nach Angaben des Antidiskriminierungsbüros in Mannheim trauten sich seither auch mehr Menschen in Deutschland, gegen die selbst erlebte rassistische Diskriminierung vorzugehen. „Es melden sich definitiv mehr Menschen bei uns wegen Benachteiligung“, sagte die Leiterin der Stelle, Tina Koch. „Das Thema Rassismus ist so präsent, dass Menschen merken, sie sind nicht allein, und sie die Hürde aus Scham und Angst, die Erfahrungen wieder durchleben zu müssen, leichter überspringen können.“ Sie meldeten sich telefonisch, per Mail oder mit einem anonymen Formular bei der Beratungsstelle.

George Floyd war am 25. Mai in der US-amerikanischen Stadt Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Ein weißer Beamter hatte dem 46-Jährigen sein Knie fast neun Minuten in den Nacken gedrückt - trotz aller Bitten Floyds, ihn atmen zu lassen.

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Erstellt:
9. Juni 2020, 13:30 Uhr

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