Der Bagger kreist auf der Tanzfläche

Die Belinda in Sulzbach an der Murr öffnete vor 50 Jahren ihre Pforten für die Musik- und Tanzfreunde. Momentan wird die Einrichtung baulich auf Vordermann gebracht. Für die Jubiläumssfeier am 6. Juni nimmt DJ Andy bereits Musikwünsche an.

Haiko Egner wirkt ehrenamtlich und unermüdlich bei der Sanierung mit und steuert hier den Bagger beim Ausschachten des Bodens in der Discothek Belinda. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Haiko Egner wirkt ehrenamtlich und unermüdlich bei der Sanierung mit und steuert hier den Bagger beim Ausschachten des Bodens in der Discothek Belinda. Foto: J. Fiedler

Von Bernhard Romanowski

SULZBACH AN DER MURR. Der Begriff „Anbaggern“ ist in der Discothek Belinda sicherlich kein Fremdwort. Dass aber jemand tatsächlich mit einem schaufelbewehrten Baugerät auf der Tanzfläche zu Werke geht, dürfte man auch dort noch nicht erlebt haben. Das hat allerdings schlicht bauliche Gründe.

Die coronabedingte Schließungsphase nutzen die Mitglieder und Unterstützer der Genossenschaft Begegnungs- und Kulturzentrum Akzente momentan für diverse Sanierungsarbeiten in der Einrichtung, die seit 2017 genossenschaftlich betrieben wird. Die Geschichte der Disco reicht indessen viel weiter zurück: Im Jahre 1970, also vor 50 Jahren, öffnete sie erstmals ihre Tür für die Musik- und Tanzfans. Damit gilt sie als älteste Rockdisco Deutschlands.

Dass die Disco in Sulzbach ebenso wie andere Einrichtungen ihrer Art noch nicht öffnen darf, verdammt die Betreiber aber nicht zur Untätigkeit. So können sie in Ruhe einige bauliche Mängel aufarbeiten, die ihnen schon länger ein Dorn im Auge waren.

Überschwemmungen im Sanitärbereich und übler Geruch waren seinerzeit aufgetreten. Offenkundig stimmte mit der Kanalisation etwas nicht. „Wir wollten das eigentlich nach und nach aufarbeiten. Aber jetzt haben wir die Coronakrise genutzt, um das zu richten“, erläutert Willi Beck, Vorstandsmitglied der Genossenschaft und Pfarrer der Akzente-Gemeinde auf Nachfrage. Beck berichtet auch von unvermutet auftauchenden Abwasserleitungen der Wohnungen über der Disco und dass der ganze Boden rausgenommen werden muss. Das alles finanziert die Genossenschaft bislang vom Ersparten. Vieles werde in Eigenleistung auch unter Mithilfe der Unterstützer der Belinda erledigt, die in Teams eingeteilt „wie wild schaffen“, so Beck weiter. Auch das Thema Barrierefreiheit stehe in der Disco an, also die Umrüstung für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

„Immer wieder kommen Leute von sich aus und fragen,wo sie anpacken können.“

Dazu haben Beck und seine Mitstreiter auch schon einen Förderantrag beim ELR, dem Entwicklungsprogramm des Landes Baden-Württemberg für den ländlichen Raum, gestellt. Zu den Reparaturkosten kommen die Fixkosten für die Disco noch oben drauf. Dass die Genossenschaft keine Personalkosten zu zahlen hat, mache nun vieles leichter. In der Belinda arbeiten fast nur Ehrenamtler. Die Minijobber, die dort im Regelbetrieb am Wochenende beschäftigt sind, stehen indessen derzeit schlecht da. Kurzarbeit kann die Genossenschaft nicht für sie anmelden. Einen Zuschuss vom Staat bekommt die Belinda auch nicht, eben weil sie auf dem Prinzip der Ehrenamtlichkeit beruht. Und bis die Discos im Lande wieder öffnen dürfen, werde wohl noch eine ganze Weile vergehen, wie auch Andreas Dressler meint, der schon seit über drei Jahrzehnten als DJ Andy unterwegs ist und seit rund 20 Jahren die Besucher in der Belinda zum Tanzen bringt. „Aber wir jammern nicht. Unsere Genossenschaft ist eine Mitmachgemeinschaft, und das ist ein Schatz in diesen Zeiten“, erklärt Pfarrer Beck. Immer wieder kommen Leute von sich aus und fragen, wo sie anpacken können oder wo etwas fehlt, das sie beisteuern können. Beck sieht unterschiedliche Formen der Identifikation mit der Belinda gegeben – von der tatkräftigen Mithilfe bis zur ideellen Unterstützung – und weiß von einem starken Zusammenhalt, der auch ihn selbst antreibt: „Die Reaktion der Leute war sehr positiv, anders als wir vielleicht erwartet hätten.“

Denn auch wenn derzeit die Baggerschaufel in der Sulzbacher Disco kreist, muss auf das besondere Belinda-Feeling nicht ganz verzichtet werden. Via Internet, genauer gesagt per Video-Livestream, können die Discofreunde weiterhin daran teilhaben. „Das machen wir schon seit einigen Wochen immer wochenends. Dann richten es sich die Leute zu Hause schön ein, das Wohnzimmer wird zur Tanzfläche, und die Leute haben räumlich getrennt voneinander dennoch gemeinsam Spaß“, beschreibt Willi Beck die derzeitige Praxis.

Livestream zum 50. Jubiläum

Auf eine positive Resonanz hoffen die Verantwortlichen auch für Samstag, 6. Juni, wenn das 50. Jubiläum der Belinda gefeiert wird. „Das wird ein besonderer Abend. Schickt uns drei Titel, die für euch die Belinda und den Rock als Musik und Lebensgefühl ausmachen. Ich werde daraus einen Countdown erstellen und zu jedem Song eine kleine Story parat haben“, lädt DJ Andy die Discofans zur Teilnahme ein.

Die Songtitel schickt man einfach per E-Mail an info@belinda-discothek.de. Den Livestream, der von 20 bis 1.30 Uhr ausgestrahlt wird, findet man online unter www.twitch.tv/belindadiscothek.

Und wer dann nicht nur Musik hören und tanzen, sondern auch etwas spenden will, unterstützt damit die laufende Sanierung der Sulzbacher Disco. Alle weiteren Termine findet man auf der Homepage www.belinda-discothek.de.

Zum Artikel

Erstellt:
4. Juni 2020, 11:30 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!
Bewegung tut Kindern gut. Die Annonayanlage ist nicht umsonst so beliebt. Rauchen ist dort aber bald verboten. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Kinderspiel gilt in Backnang nicht mehr als Lärm

Die Stadt Backnang aktualisiert nach 20 Jahren ihre Polizeiverordnung. Künftig dürfen Kinder von 8 bis 22 Uhr auf Kinderspielplätzen toben. Die üblichen Lärmgrenzwerte dürfen nach einer Gesetzesänderung bei der Beurteilung der Geräuschentwicklung nicht mehr herangezogen werden.

Stadt & Kreis

Kurzfristige Änderung im Backnanger Straßenfest-Team

Zwei Monate vor Beginn des Straßenfests verlässt die Leiterin des Festivalbüros die Stadt. Damit ist das Organisationsteam gerade in der heißen Planungsphase deutlich unterbesetzt. In die Bresche springt der frühere Organisator Sanoj Abraham mit seinem neuen Unternehmen.