Der Besenstiel flog gegen die Decke
Verfahren vor dem Amtsgericht Waiblingen gegen einen 22-jährigen Murrhardter wegen Körperverletzung eingestellt
Von Hans-Christoph Werner
WAIBLINGEN/MURRHARDT. Manchmal, aber auch nur manchmal, gibt es bei einer Gerichtsverhandlung den kurzen Prozess.
Vor dem Amtsgericht Waiblingen ist eine Verhandlung wegen Körperverletzung anberaumt. Der Angeklagte, ein schmächtiger junger Mann aus Murrhardt, erscheint. Nach den üblichen Auftaktformalitäten erkundigt sich der Richter nach dem Verteidiger des Angeklagten. Dieser gibt an, es sei ihm nicht gelungen, den Rechtsanwalt vor der Verhandlung zu kontaktieren. Der Richter setzt dazu, dass er auf seinem Tisch eine Notiz vorgefunden habe, die besage, dass der Rechtsanwalt aus Kostengründen das Mandat niedergelegt habe. So muss der junge Mann selber Rede und Antwort stehen.
Der Staatsanwalt trägt die Anklage vor. Im April dieses Jahres kam es in einem Wohnheim zwischen mehreren Beteiligten zu einer Auseinandersetzung. Die Ex-Freundin des Angeklagten tauchte plötzlich auf und mischte sich in einen Streit, den der Angeklagte mit einer anderen Dame hatte, ein. Aufgeplustert, so sagt der Angeklagte, habe sie sich. Dabei habe er doch mit ihr Schluss gemacht.
Ob der Besenstiel die Freundin traf oder nicht, bleibt ungeklärt
Das Ende vom Lied war, dass der 22-Jährige in Rage geriet. Einen Besenstiel, der zufällig zur Hand war, nahm er und warf ihn. Laut Anklageschrift habe er damit die Ex-Freundin am Kopf getroffen. Der Angeklagte selbst gibt an, dass er den Besenstiel nicht Richtung Ex-Freundin, sondern Richtung Zimmerdecke geschleudert habe. Dort sei er auch hart angeschlagen und beim Herunterfallen zerbrochen. Was doch mit Verlaub für die Wucht dieses Zornausbruches spricht. Ob die Ex-Freundin durch den herabfallenden Besenstiel getroffen wurde, wird in der Verhandlung nicht recht deutlich. Erschrocken über den Zornesausbruch ihres ehemaligen Freundes hat die Ex dann die Polizei gerufen. Der Richter führt noch an, dass bei der Ex-Freundin keine erhebliche Verletzung festgestellt werden konnte. Auf Nachfrage gibt der Angeklagte an, dass die Sache zwischen ihm und seiner Ex erledigt ist. Er hat keinen Kontakt mehr zu ihr.
Nach Sonderschul- und Hauptschulabschluss hat der Angeklagte eine Schreinerlehre absolviert. Und steht mittlerweile in Lohn und Brot. Sein monatlicher Verdienst von rund 1600 Euro netto kann sich sehen lassen. Konsequent arbeitet er auch daran, seine Schulden in Höhe von 3500 Euro abzustottern. Er wohnt bei den Eltern und gibt zu Hause 100 Euro für Kost und Logis ab. Alles in allem sprechen diese Umstände für eine positive Sozialprognose. Auch habe sich der Angeklagte seit dem Vorfall nichts mehr zuschulden kommen lassen.
„In dubio pro reo“ heißt ein hehrer Grundsatz der Gerichtsbarkeit. Der Richter zieht in Erwägung, das Verfahren gegen den Angeklagten gegen eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung einzustellen. Der Blick geht hinüber zum Staatsanwalt, der nickt. Die Höhe der angedachten Zahlung sollte im Verhältnis zu den finanziellen Möglichkeiten des Beschuldigten stehen. Wenn er’s in Raten zahlen darf, so gibt der junge Mann an, sei er mit 500 Euro einverstanden. Ob er denn von einer Organisation wisse, die man hier bedenken könne, will der Richter wissen. Da dem Beschuldigten in dieser Hinsicht nichts bekannt ist, fragt er nach, ob man denn Institutionen, die sich für Menschen oder eine solche, die sich für Tiere einsetzen solle, wählt der Beschuldigte Letzteres. Und mithilfe des Staatsanwalts wird der Tierschutzverein Backnang ausersehen.
Die Entscheidung wird der Urkundsbeamtin diktiert. Die Verhandlung ist damit geschlossen. Der 22-Jährige kann gehen. Alles Nötige für die Geldzahlung bekomme er schriftlich. Ganze 15 Minuten hat alles gedauert. Manchmal gibt’s das eben: einen kurzen Prozess.