ChatGPT an Schulen: Der Chatbot als Chance

Künstliche Intelligenz hält immer öfter Einzug in das alltägliche Leben der Menschen. Weltweit für Aufsehen sorgt derzeit das Programm ChatGPT. Der Umgang mit der Technologie wird auch an Schulen diskutiert. Am Max-Born-Gymnasium sieht man viel Potenzial.

Sonja Conrad und Simon Jersak erkennen in KI-Werkzeugen wie ChatGPT großes Potenzial für Schulen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Sonja Conrad und Simon Jersak erkennen in KI-Werkzeugen wie ChatGPT großes Potenzial für Schulen. Foto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. „Julian Schieber ist ein ehemaliger deutscher Fußballspieler. Er wurde am 13. Februar 1989 in Backnang, Deutschland, geboren. Schieber begann seine Karriere in der Jugend vom VfB Stuttgart und wechselte später zur TSG 1899 Hoffenheim. Sein Profidebüt gab er bei der SpVgg Greuther Fürth im Jahr 2008.“ Diese Worte wurden nicht von einem Menschen formuliert, sondern von ChatGPT, einer künstlichen Intelligenz (KI), deren Anwendung aktuell Gegenstand hitziger Debatten ist. Hinter dem Chatbot steht das Unternehmen OpenAI, das vor allem von Elon Musk und Microsoft finanziert wird und sich der Entwicklung intelligenter Maschinen widmet.

ChatGPT ist in der Lage, auf fast alle Fragen, zu denen in den Weiten des World Wide Web Informationen verfügbar sind, eine wohlformulierte Antwort zu geben. Erkundigt man sich nach dem ehemaligen Bundesligaprofi und gebürtigen Backnanger Julian Schieber, so erhält man einen grammatikalisch tadellos geschriebenen Text mit vielen korrekten Angaben zu dessen Leben und Karriere – sowie eine Handvoll Falschaussagen, denn weder spielte Schieber je für die TSG Hoffenheim noch gab er sein Debüt in Fürth.

Lebenslanges Lernen eines Chatbots

ChatGPT ist also mitnichten über Fehler erhaben, doch die Qualität und Zuverlässigkeit der Antworten nimmt dank Machine Learning zu, je mehr die KI kommuniziert und Informationen sammelt.

Ist sie damit nicht wie gemacht für einen Ort des Lernens? Diese Frage wird an den Schulen kontrovers diskutiert. Skeptiker warnen vor dem betrügerischen Potenzial der Technologie, etwa bei schriftlichen Hausarbeiten, während sich andere offen für den Einsatz im Schulbetrieb zeigen. Sonja Conrad, Schulleiterin des Max-Born-Gymnasiums und Lehrerin für Deutsch und Geschichte, warnt davor, sich dem technologischen Fortschritt zu verschließen: „Wir müssen uns als anpassungsfähig erweisen“, sagt sie und bekommt dabei Unterstützung von Simon Jersak. Der Lehrer für Wirtschaft, Gemeinschaftskunde, Geschichte und Latein am Max-Born-Gymnasium betont, dass künstliche Intelligenz zukünftig Bestandteil des Lehrberufs sein werde: „ChatGPT arbeitet bislang mit einem begrenzten Datenbestand, das ist nur die Spitze des Eisbergs. In zehn Jahren werden wir hier unter ganz anderen Gegebenheiten sitzen.“ Sorge bereitet das den Lehrkräften aber nicht. „Wir würden uns wünschen, dass bei solchen Entwicklungen medial und gesellschaftlich nicht nur auf die Gefahren, sondern auch auf die Chancen geschaut wird“, sagt Sonja Conrad.

Betrugsversuche sind kein großes Thema

Natürlich habe man bereits Fälle erlebt, in denen Schülerinnen und Schüler Texte vorlegten, die offensichtlich vom Chatbot formuliert worden waren, räumen die Lehrkräfte ein. Ein großes Problem sei das allerdings nicht. „Wir haben im Grunde gar nicht so viele Aufgabenstellungen und Hausarbeiten, die der Chatbot vollständig übernehmen könnte“, ergänzt Sonja Conrad. Ein Thema sei es vor allem bei Seminarkursen, der gleichwertigen Feststellung von Schülerleistungen (GFS) und bei Berichten von Referendaren.

Aber wie kommen die Lehrkräfte den Texten des Chatbots überhaupt auf die Schliche? „Wir vertrauen unseren Schülern und prüfen nicht systematisch, aber wenn ein Text zum Beispiel außergewöhnlich gut formuliert ist, werden wir schon hellhörig“, erklärt Simon Jersak. „Diese Texte sind oft auch sehr faktenlastig und manchmal stößt man auf inhaltliche Ungereimtheiten.“

Ein kleiner Test soll das veranschaulichen: Sonja Conrad liest zwei Inhaltsangaben zum Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, einmal verfasst von einem Schüler, einmal vom Chatbot. In einem der Texte erkennt sie eine Gefühlsebene und den Versuch einer Deutung. Das könne ein Hinweis auf den menschengemachten Text sein, mutmaßt Conrad – und liegt damit falsch. Auch Simon Jersak ist sich bei den beiden vor ihm liegenden Kurzbiografien zu Erich Honecker nicht sicher, tippt aber richtig. „Der Text geht auch auf die Familie und Jugend Honeckers ein, das machen Schüler erfahrungsgemäß gern“, erklärt er seine Schlussfolgerung. Von der Schwierigkeit, den Text der KI eindeutig zu identifizieren, sind die Lehrkräfte aber weder überrascht noch verunsichert. Zukünftig müssten eben andere Aufgabenformate herangezogen werden, etwa mündlicher Art. „Eine Biografie als Aufsatz zu schreiben, das ist einfach vorbei“, stellt Simon Jersak fest.

Ein Hilfsmittel für Schüler und Lehrer

Stattdessen sei es etwa denkbar, die Schüler im Unterricht Aufsätze des Chatbots korrigieren zu lassen, um nicht nur inhaltliche Aspekte, sondern auch den kritischen Umgang mit Quellen zu erlernen. Für Lehrkräfte könne die KI überhaupt ein nützliches Werkzeug sein, etwa bei der Vorbereitung von Aufgaben und Prüfungen. „Lehrer und KI bilden gewissermaßen ein hybrides Team“, erklärt Jersak. „Ich kann mir als Input zum Beispiel eine Tabelle mit Argumenten ausspucken lassen, um so einen Erwartungshorizont anzulegen.“ Schulleiterin Sonja Conrad denkt sogleich an die Möglichkeit, gezielt nach Zitaten zu suchen. Eine große Chance biete außerdem die individuelle Aufgabengestaltung für Schüler. „Wenn ich beispielsweise einen Schüler mit Problemen bei der Groß- und Kleinschreibung habe, kann ich für ihn in kürzester Zeit einen Lückentext erstellen lassen, der genau dieses Thema abbildet.“

Chancen und Risiken

Und auch die selbstständige Nutzung des Chatbots durch Schüler sei nicht per se schlecht, sagt Simon Jersak. „Assistenzsysteme hatten Kinder schon immer, früher hießen die eben Eltern. Bloß hatte nicht jeder jemanden zu Hause, der Zeit hatte und bei den Hausaufgaben helfen konnte. Da könnte eine KI auch mehr Chancengleichheit bringen.“

Wichtig sei aber, die Schüler dabei zu begleiten, denn natürlich gebe es auch kritische Aspekte. „Es braucht einen reflektierter Umgang damit“, bestätigt Jersak. „Dabei geht es gar nicht bloß um Fehler. Gefährlicher ist es, wenn die Datenbasis voreingenommen ist und etwa rassische oder sexistische Muster ausspielt, welche dann von den Schülern übernommen werden.“

Dennoch: Sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler könnten KI-Werkzeuge zukünftig wertvolle Hilfsmittel sein. Dafür bedürfe es aber pragmatischer Rahmenbedingungen, betont Sonja Conrad. „Da ist noch vieles unklar. Es gibt etwa datenschutzrechtliche Aspekte, da würden wir uns Vorgaben von den Behörden wünschen, und zwar welche, mit denen Deutschland nicht wieder als Spitzenreiter in puncto Bürokratie auftritt. Dann kann man damit nämlich richtig gute Dinge machen.“

Erste Infos und Veranstaltungen zum Thema ChatGPT an der Schule bietet das Landesmedienzentrum auf seiner Website. Der Chatbot muss sich also noch etwas gedulden – und lernt derweil fleißig weiter.

Auszüge der Inhaltsangaben zu „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“

Schüler Der Kinder- beziehungsweise Jugendroman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ von Judith Kerr beschäftigt sich inhaltlich mit der Geschichte einer jüdischen Familie, die sich auf der Flucht vor dem Naziregime in Deutschland befindet. Hiermit verarbeitet die Autorin ihre eigenen Kindheitserlebnisse. Die Familie, um die es sich in diesem Werk handelt, setzt sich aus den Personen Anna, ihrem Bruder Max, ihrer Mutter und ihrem Vater, einem bekannten jüdischen Schriftsteller, zusammen. Zunächst lebt die Familie in Berlin, doch die Reichstagswahlen und der damit einhergehende befürchtete Wahlsieg der NSDAP lassen zunächst den Vater nach Prag, dann in die Schweiz fliehen.

ChatGPT „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ ist ein Jugendroman von Judith Kerr, der die Geschichte der neunjährigen Anna erzählt, die mit ihrer Familie aus Deutschland fliehen muss, als die Nazis an die Macht kommen. Anna wächst in Berlin auf und lebt ein glückliches Leben mit ihrer Familie, zu der auch ihr kleiner Bruder Max und ihre Eltern gehören. Ihr Vater, ein berühmter jüdischer Journalist, ist jedoch in Gefahr, als die Nazis die Kontrolle über Deutschland übernehmen. Die Familie beschließt, das Land zu verlassen, und Anna muss sich von ihrer Heimat, Freunden und sogar ihrem rosa Kaninchen verabschieden.

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Erstellt:
14. März 2023, 06:00 Uhr

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